Trocken bauen
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In Wüsten ist Wasser Mangelware. Im Trockenbau wird darauf bewusst verzichtet. Auch ohne wasserhaltige Baustoffe entstehen großartige architektonische Leistungen.
Von Karin LegatAuf die Durchnässung von Baustoffen, wie sie bei der Produktion von Beton oder Verputz üblich ist, wird in der Trockenbauweise verzichtet. »Gearbeitet wird trocken und damit einfach und schnell«, bringt es Otto Ordelt, Geschäftsführer der Knauf GmbH, auf den Punkt. Es gibt zahlreiche Trockenbaumaterialien, u.a. Gipskarton, Gipsfaser, Holz, Metall, Kunststoff, Mineralfaser, Glas, Fiber-, Calciumsilikate und Perlite. Völlig ohne Wasser geht es aber auch hier nicht: Zum Verspachteln der Fugen und Anschlüsse werden rasch trocknende Spachtelmassen bzw. Kleber eingesetzt. Immer mehr Planer befürworten diese Bauweise. Laut einer Studie des Verbands der Österreichischen Stuckateur- und Trockenausbauunternehmungen (VÖTB) werden 60 %
aller Innenausbauten im Nicht-Wohnbau in Trockenbauweise umgesetzt, Tendenz steigend. Beim Wohnhausbau sind es bereits 42 %.
Trockenes Design
»Der Schwerpunkt des Trockenbaus liegt im Innenbereich«, betont Peter Leditznig, Geschäftsführer von Rigips Austria. Die sehr einfache Formgebung bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten und ermöglicht höchste Flexibilität. Durch die meist mehrschalige Bauweise im Trockenbau kann sehr einfach auf spezielle bauphysikalische Anforderungen wie Wärme-, Brand- und Schallschutz reagiert werden. Ein Vorteil der Trockenbauweise liegt auch im geringen Gewicht. »Das kommt der Gebäudestatik zugute. Daher werden nichttragende Zwischenwände, Verkleidungen von Decken und Bauteilen, nachträglicher Wärme-, Brand- und Schallschutz sowie Dachgeschoßausbauten heute zu einem hohen Prozentsatz in dieser modernen Bauweise ausgeführt«, informiert Baumeister Thomas Fröschl von Rockwool. »Auch Akustikdecken, Doppelböden, Stuckdecken und mobile Trennwände werden in Trockenbauweise ausgeführt.« Im Holzbau und in der Fertigteilindustrie sei diese Bauweise wegen ihrer vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Vorfertigung, dem geringen Gewicht und der Maßgenauigkeit ebenso fix verankert.
»Wir wissen, dass neben den Grundstückskosten die Finanzierung von Bau- und Wohnbauprojekten den größten Kostenblock darstellt. Leicht- und Trockenbausysteme eignen sich hervorragend dazu, die Bauzeit zu minimieren. Durch den Entfall von Austrocknungszeiten sind Immobilien früher verwertbar, wodurch die Wirtschaftlichkeit steigt. Ein mehrgeschoßiges Wohnhaus ist in kürzester Zeit realisierbar«, so Leditznig. Das geringere Gewicht bietet auch Vorteile in der Logistik. Kritik übt der Rigips-Chef am heimischen Fördersystem, das noch immer auf Bauzeiten von zwei bis drei Jahren ausgelegt ist. »Die Fördersysteme sollten endlich den heute möglichen, kurzen Bauzeiten angepasst werden.« Nachteile des Trockenbaus werden kaum genannt. »Es gibt schon Grenzen. Statisch tragende Konstruktionen sind zwar in Skelettbauweise sowie trockenen Ausfachungen und Verkleidungen möglich, spielen in Mitteleuropa jedoch nur im Holzbau eine gewichtigere Rolle. Klassisch wird tragend noch immer vornehmlich mit Beton oder Wandbausteinen gearbeitet«, informiert Fröschl. »In manchen Bauteilen kann auch die oftmals nachzuweisende geringere Speichermasse zum Thema werden.«
8 % mehr Nutzfläche
Ein weiterer Vorteil liegt in der schlanken Konstruktionsweise. Geringe Bauteilstärken ermöglichen die bessere Nutzung bestehender Grundfläche. Im großvolumigen Wohnbau etwa kann laut Baugenial auf gleicher Grundfläche bis zu 8 % mehr Nutzfläche erzielt werden. De facto gibt es kein Bauvorhaben mehr, in dem trockener Innenausbau nicht eine wesentliche Rolle spielt – in öffentlichen Gebäuden, Verwaltungszentren, im Spital- und Schulbau, im privaten Einfamilienhaus und im mehrgeschoßigen Wohnbau, vom Keller bis zum Dach. Dafür nennt der Rigips-Geschäftsführer drei entscheidende Gründe: »Trockenbau bietet ein außerordentlich hohes Innovationspotenzial. Hier rangiert der Trocken- und Leichtbau an zweiter Stelle gleich nach der Gebäudetechnik. Er präsentiert sich als idealer Partner für den Holzbau. Zu nennen sind weiters die steigenden Aktivitäten in der Sanierung, insbesondere im innerstädtischen Bereich und bei Dachausbauten.« Zunehmend findet der Trockenbau auch im Außenbereich Einsatz. »Referenzobjekte gibt es schon und die sprechen dafür, dass dieses Segment wachsen wird«, ist Leditznig überzeugt.
Trocken ist in
Laut internationalen Studien wird der trockenen leichten Bauweise ein Wachstumspotenzial von mehr als 30 % zugeschrieben. Thomas Fröschl: »Der Trockenbau hat sich zu einem eigenen Gewerbe entwickelt, das aus modernen Bauvorhaben nicht mehr wegzudenken ist. Anfänglich ein klassisches Nachunternehmergewerbe, haben alle Bauindustrien eigene Abteilungen geschaffen, die sich mit dieser Bauweise beschäftigen. Für Architekten ergeben sich neue gestalterische Möglichkeiten, die sehr aktiv genutzt werden.« Seine Wurzeln hat der moderne Trockenbau in den USA der 1960er-Jahre, in Europa setzte er sich anfangs nur zögerlich durch. Fröschl sieht die Gründe in der amerikanischen Bauweise und Baukultur. »Die Skelettbauweise in Stahl oder bei kleineren Bauten in Holz kommt ohne Trockenbau nicht aus. In den USA wird im Gegensatz zu unserer Kultur zudem mehr Wert auf rasche und trockene Ausführungen sowie auf einfache Rückbaubarkeit gelegt.
Der längere Planungsvorlauf ist mit ein Grund, dass der Vorfertigungsgrad höher und die Baustellenlogistik ausgefeilter ist. Auch diese Umstände führen bei uns zur Koexistenz von Massiv - und Leichtbau.« In den letzten zehn Jahren verzeichnet der Trockenbau in Europa einen gewaltigen Boom. Laut einer aktuellen Studie des VÖTB hat sich der Umsatz der Trockenbauindustrie samt Arbeitsleistung seit dem Jahr 2000 in Österreich auf 690 Millionen Euro mehr als verdreifacht. Knauf-Geschäftsführer Ordelt rechnet damit, dass die Aktivitäten in Österreich, die zur weiteren Durchsetzung des Leichtbaus führen, verstärkt auch in Zentral-, Ost- und Südeuropa Eingang finden. »Unsere Exporte in diese Regionen haben sich in den vergangenen 15 Jahren verfünffacht.« Österreich ist laut VÖTB mittlerweile Europameister im Trockenbau und auch ein wichtiger Exporteur von Trockenbau-Know-how in alle Welt. »In den USA ist es noch immer so, dass der Pro-Kopf-Verbrauch an Gipskartonsystemen deutlich über dem mitteleuropäischen Durchschnitt liegt, aber wir haben aufgeholt. Dabei ist die Qualität der Ausführungen bei uns deutlich höher. Das wird jeder bestätigen, der den Schallschutz in einem amerikanischen Hotel mit dem in Europa vergleicht«, meint Leditznig.
Trocken schulen
Die Qualität in Österreich beruht auf vielen Trockenbau-Initiativen. Der VÖTB verzeichnet mittlerweile 60 Mitglieder, das VÖTB-Gütesiegel garantiert Baumeistern und Architekten zuverlässige und leistungsorientierte Fachbetriebe. In Guntramsdorf, Niederösterreich, wurde ein Lehrbauhof zum Trockenbau eingerichtet. »Wir nutzen die Lehrbauhöfe für theoretische und praktische Schulungen von allen Akteuren im Trockenbau, vom Lehrling bis zum Bauleiter«, erzählt Gottfried Lobmaier, Leiter Fermacell Österreich.
Und Ordelt berichtet, dass der Lehrbauhof auch für die Knauf Junior Trophy, einen internationalen Lehrlingswettbewerb, als Veranstaltungsort genutzt wurde. Seit 2007 betreibt Rigips Austria die Trockenbau-Akademie. »Dieser berufsbegleitende Lehrgang in sieben Modulen wird je nach Thema in der Rigips-Zentrale in Bad Aussee oder in namhaften Prüfanstalten wie der MA39, IBS Linz, TGM und auch an der FH Rosenheim geführt. Er richtet sich an Bauleiter und Unternehmer, Verarbeiter, Planer und Bauträger«, informiert Leditznig. »Der Ausbildungsgrad wird von den Verarbeitern als sehr hoch und praxisnahe beschrieben«, berichtet Rockwool-Baumeister Fröschl. Zudem veranstalten Rigips und Knauf Kundenschulungen, Fortbildungskurse bei der Architekten- und Ingenieurkammer sowie Fachvorträge bei HTL-Lehrern und Berufsschullehrern. »Das Interesse der Branche ist groß«, freuen sich Leditznig und Ordelt. Nun gelte es, vor allem den Lehrlingssektor stärker einzubeziehen. Entsprechende Anstrengungen des VÖTB laufen bereits.
>> Skylink:
- Zahlen und Fakten zur größten Trockenbau-Baustelle Skylink. Trockenbau dominiert die geplante und bereits in Ausführung stehende Terminalerweiterung am Flughafen Wien.
Zur Anwendung kommen u.a. (gerundete Werte)
- 20.000 m2 abgehängte Gipskartondecken
- 44.000 m2 abgehängte Metalldecken
- 8.000 m2 spezielle Linearrasterdecken in Höhen von weit über 20 m
- 55.000 m2 Hohlraumböden aus hochverdichteten Calcium-Sulfat-Platten
- 300.000 m2 Gipskartonplatten
- 20.000 m2 zementgebundene Spezialwandplatten
- 60.000 m2 Dämmstoffe in Trockenbaukonstruktionen
- 12.000 m2 Doppelböden
Aufgrund ihres Flughafen-Know-hows wurde rhtb mit den Arbeiten betraut. Das Unternehmen ist seit Beginn bei dieser Ausbauphase dabei und hat bereits OPP I und II, das HCW, das ACC sowie das SSZ Vienna Airport realisiert.