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Projekte in Licht geschwindigkeit

Glasfaser ist derzeit ein Begriff, der in der Wahrnehmung der öffentlichkeit ähnlich zu verglühen droht, wie es schon einigen Termini zu Dot-com-Zeiten ergangen ist. Datenleitungen über superschnelle Glasfasern sind überall dort gern gesehen, wo Kunden und Investoren das Blaue vom Himmel versprochen wird. Freilich nicht in böser Absicht, denn eines ist gewiss: das Bandbreitenpotenzial einer Fiber-Optics-Leitung geht fast schon ins Mystische. Beschränkungen gibt es lediglich im Multiplexing-Verfahren, um aus einer einzigen Wellenlänge, die zur Datenübertragung nötig ist, Hunderte zu machen. Zwar fahren einige wenige Vorreiter unter den Internetprovidern bereits erste Erfolge mit bescheidenen Nutzerzahlen ein (Analysten schätzen die Gesamtkundenzahl von Fiber-to-the-Home (FTTH)-Kunden in österreich auf derzeit 15.000 - zusammengesetzt aus Kunden der Telekom Austria in Arnoldstein, Infotech in Ried im Innkreis sowie Wienstrom in der Hauptstadt). Doch zehnmal mehr Infrastrukturunternehmen wollen diese Avancen heute noch als Marketinggag abtun. \"Ich kenne keine Technologie, die derzeit Gigabit- oder auch nur 100-Megabit-Leitungen benötigen würde“, kommt Thomas Mann, Geschäftsführer Cybertown, das Kopfschütteln, wenn es um Glasfaserlösungen im Residential-Bereich geht. Dass die Stadt Wien nun als Infrastrukturprovider mit einem eigenen FTTH-Projekt auftritt, ist für Mann noch einigermaßen verständlich. \"Wir brauchen diese Vorreiter“, weiß er. Zudem könne man davon ausgehen, dass sich allgemein der Bandbreitenbedarf in den nächsten fünf bis zehn Jahren gehörig verändern wird. Doch eine Tatsache ist für den IKT-Experten nicht erklärbar: \"Jedes Kupferkabel könnte heute Gigabit-Kapazitäten bis in die Wohnung ermöglichen. Warum setzt man auf teure, umständliche Glasfasern?“

Träume und Visionen. In den Ballungsgebieten ist \"Fiber bis zur Wohnung“ zwar im Kommen, bemerkt auch Robert Grischany, Reichle & De-Massari-Manager und Proponent der Branchenvereinigung \"Verein Intelligentes Wohnen“, doch sei die Installation solcher Netze nicht wirtschaftlich und werde daher vom Endanwender nicht akzeptiert. \"Der Schwenk auf Lichtwellenleitungen wird zwar von Herstellern wie uns herbeigesehnt, wir sehen aber im \"Homewiring\" oder Residential-Bereich künftig eher neue Fasern, die viel robuster sind“, gibt Grischany unumwunden zu. \"Polymer Optical Fiber“ (POF) etwa sei wesentlich leichter zu installieren und \"besser konfektionierbar als Kupfer und LWL zusammen“. Für den Netzwerkexperten bleibt die Vision von \"Fiber-to-the-home“, \"-to-the-desk“ oder gar \"-to-the-bed“ weiter Traum eines Nischenmarktes. Zwar würden bei optimal geplanten Bauprojekten die Leitungsdistanzen zwischen den Netzknoten (Serverräume, Splitter) bekannt sein und vorkonfektionierte Kabel auf der Baustelle nur mehr eingezogen und angesteckt werden müssen, doch Status quo ist diese Situation nicht. \"Bislang musste aus Zeitgründen oft noch werden der Bauzeit vor Endreinigung mit dem Spleißen begonnen werden.“ Das Problem: Spleißgeräte reagieren unangenehm auf Staub und Kälte. Meist ist dann mehrmalige Spleißung zur Erzielung optimaler Ergebnisse nötig. Freilich gibt es heute bereits Werkzeuge, die hier ansetzen: Der Hersteller Dätwyler etwa bietet mit einem Kabelaufteiler samt Schnellverschluss nun die Möglichkeit zu Glasfaserinstallationen ohne Spezialwerkzeug.

Verpackungsproblem. Nicht überall, wo Glas draufsteht, ist auch Glas drinnen. So macht es derzeit kaum Sinn, Glasfaser direkt ins Wohn- oder Arbeitszimmer in Wohnungen respektive bis auf die Schreibtische in den Büros zu ziehen. Ohne entsprechender Netzwerkkarte mit FO-Eingang am PC oder glasfaserkompatiblem Telefon werden die letzten Meter zum Endkunden weiterhin Kupferdomäne bleiben. Auch am Leberberg, Wienstroms erste Spielwiese für das richtungsweisende Breitbandprojekt \"blizznet“, wurden zwar Single-Mode-Fasern zum Kunden gelegt, die in ihrer Kapazität jedem Carrier-Backbone genügen würden. Für die übergabe in den Haushalt war dann aber wieder die Umwandlung in die Kupferwelt nötig. \"Cat5- oder Cat6-Kupferkabel wären ebenso tauglich, künftig Bandbreiten bis in Gigabit-Bereiche zu ermöglichen“, plädiert Thomas Mann für vernünftigere Kostenrechnungen bei Neuverkabelungen. Zumal eine Kupferleitung heute jeder Hauselektriker verlegen könne. \"Das Verlegen eines FO-Kabels ist dagegen Feinmechanik. Diese Werkzeuge bekommt man nicht im Baumarkt.“

Durchaus Sinn machen Glasfaserleitungen aber bei Unternehmen im Enterprisebereich. In der Backboneverbindung einzelner Stockwerke eines Hochhauses etwa. Dort können die Lichtwellenleiter aus Performancegründen und wegen ihrer potenziell besseren Stör- und Abhörsicherheit punkten. Cybertown installierte in mehreren Großprojekten wie der Wienerberg City oder der wohnbaulichen überplattung der Wiener Südosttangente \"Monte Laa“ für mehrere tausend Wohneinheiten Kupferverbindungen, die auf Gebäudeebene in ein Glasfasernetz münden. Ebenso berichtet Mann von einem Spezialprojekt, bei dem unbedingt LWL verlegt werden muss: Im \"Wienerwaldtunnel“, einem Eisenbahntunnel, der für Wildschweine und öBB-Züge den Stadtrand von Wien direkt mit dem Tullnerfeld verbinden wird, sind die Tunnelbohrmaschinen mittels Glasfasertechnologie vernetzt. \"Tief im Berg hängt dann ein IP-Telefon an der Leitung“, erzählt Mann. Nur Glasfaser sei derart gegen elektromagnetische Einflüsse gefeit.

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