Vision einer idealen Welt
- Written by Martin Szelgrad
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Der Technologiesprung von Virtualisierungslösungen auf die Endgeräte in Büros und mobil eröffnet neue Freiheiten. Für Anwender und Unternehmen wird es künftig einfacher.
Von Martin Szelgrad aus Kopenhagen
Manchmal prägen einzelne Unternehmen eine ganze Branche. Aktuell wird die Entwicklungsrichtung in der Informationstechnologie von Spezialisten wie VMware vorgegeben. Sie haben die Virtualisierung in den Serverbereich gebracht und streben jetzt eine Erweiterung dessen auf Desktop-Computer und mobile Endgeräte an. Virtualisierung, das bedeutet ein Loslösen der Software vom Hardwareuntergrund. Applikationen laufen damit in unterschiedlichsten Umgebungen, unabhängig von ihrer ursprünglichen Programmierung. Und Betriebssysteme im virtuellen Maschinenpark sind auf Knopfdruck zuschaltbar. Virtualisierung bedeutet eine Flexibilität der Infrastruktur, wie man sie bislang nicht gekannt hat. Selbst mächtige Datenbanken mit ungeheuerem Hunger nach Hauptspeicher laufen wie am Schnürchen in den Hypervisor-Umgebungen der Virtualisierungshersteller. Für die IT-Abteilung in Unternehmen heißt dies, weniger physische Server verwalten zu müssen, die letztlich auch wesentlich besser ausgelastet werden. »Alle sechs Sekunden wird eine Virtual Machine geboren«, schwärmt VMware-CEO Paul Maritz von seinen Babys, millionenfach weltweit verteilt. Anlässlich einer Keynote auf der VMworld 2011 Ende Oktober in Kopenhagen unterstreicht Maritz die globale Revolution, die von VMware eingeleitet worden sei. Ein Drittel aller Applikationen weltweit läuft bereits auf der Virtualisierungsplattform vSphere. Der VMware-CEO sieht überhaupt ein neues IT-Gefüge auf die Wirtschaft zukommen. War die IT bislang vor allem etwas für monolithische Systemumgebungen und graue Serverkammerl, soll es den Applikationsnutzern nun so einfach wie möglich gemacht werden.
Auch in der Geschäftswelt ist die Konsumierbarkeit von Information mittlerweile wichtiger, als die Fähigkeit, selbst programmieren zu können. Apple hat es vorgemacht: Die App-Welt wird attraktiver, wenn sich die Anwender darin wie in einem Shoppingcenter fühlen. »Die IT-Branche muss nun Umgebungen zu Verfügung stellen, die eine Consumerization von Information und Applikation möglich macht«, plädiert Maritz.
VMware erweitert den Funktionsgrad von vSphere: Auch vertikale Datenmoloche mit 1 TB virtuellem Speicher und extremen I/O-Durchsatzraten sind jetzt ohne Performanceverluste provisionierbar. Diese Tauglichkeit eröffnet nun Unternehmen die Möglichkeit, ihre eigenen, privaten Cloud-Umgebungen züchten zu können. VMware arbeitet dazu mit 1.300 Technologie- und Consultingpartnern zusammen und setzt auf eine breite Partnerlandschaft. 5.000 Cloud-Service-Provider sind es weltweit, davon alleine 40 in Österreich − Colt, T-Systems und CSC etwa. Allein die Tatsache, dass die VMWorld die größte Messe eines IT-Unternehmens in Europa ist, zeugt von der Relevanz der dort gezeigten Inhalte. Oder können 7.200, fast ausnahmslos zahlende Teilnehmer irren?
Mobile Machine
Mit Verizon in den USA und Telefonica in Europa wird von VMware derzeit die erste virtuelle Maschine für den Smartphonemarkt erprobt. Auf Knopfdruck kann zwischen der gewohnten privaten Umgebung und der Firmenebene umgeschaltet werden. Der Vorteil: Die beiden Layer sind absolut voneinander getrennt. Gibt es ein Securityproblem im privaten Bereich des Handys, ist davon die Firmenumgebung nicht betroffen. Dort wiederum können auch Apps heruntergeladen werden – allerdings ausschließlich aus dem unternehmenseigenen »Enterprise App Store«. Die Idee: Mit dem »Horizon App Manager« werden Menschen und nicht Geräte verbunden und mit Daten versorgt. Davon spricht die Telekommunikationsbranche seit Jahren, allerdings ist es bislang kaum gelungen, diese Vision tatsächlich umzusetzen. Letztlich waren es dann doch immer die Geräte, an denen die Daten festgemacht wurden.
Die Virtualisierung am Smartphone macht nun eine getrennte Verwaltung von Kontakten, Bildern und Anruflisten auf ein und demselben Endgerät möglich. Nötig dazu ist lediglich das Antippen eines Icons. »Die getrennten Ebenen verhindern, dass etwa ›Angry Birds‹ Firmendokumente liest und nach Turkmenistan schickt«, erklärt Maritz plakativ. Gut möglich, dass damit mehr Unternehmen ihren Mitarbeitern erlauben werden, die eigenen, privaten Arbeitswerkzeuge an den Arbeitsplatz mitzunehmen, hat doch das Notebook zu Hause in der Regel weitaus mehr Muskelkraft als die Sparversion aus dem veralteten Gerätepool der Firma.
Drei Argumente
Alexander Spörker, Country Manager Österreich bei VMware, sieht die Flexibilität, Applikationen über Plattformgrenzen hinweg an Fremdsysteme übergeben zu können, als einen großen Vorteil. »Entwickler müssen sich damit keine Gedanken mehr machen, für welche der zehn unterschiedlichen Systeme nun eine App entwickelt werden sollte.« Für Spörker ist dies einer von drei Gründen, warum das Thema Virtualisierung nach dem Serverbereich nun auch bei den Endgeräten, am Arbeitsplatz, boomen wird. Vorteil Nummer zwei ist ganz banaler Natur: Viele Softwarehersteller bieten bereits eigene Lizenzmodelle für den Betrieb von Applikationen in Rechenzentren. Deren Preise sind in ihrer Flexibilität an die automatisierte Infrastruktur angepasst. Sollte irgendwann auch Microsoft auf dieses Verrechnungsmodell aufspringen, wird die Nutzung von Windows und Co für Unternehmen merkbar günstiger. In der Cloud wird schließlich transparent abgerechnet, der Aufwand für Rechenressourcen und Sessions sekundengenau festgestellt.
Spörkers drittes Argument ist das aus Anwendersicht wohl attraktivste: Die Thin-Clients als Ausgabeeinheiten für den virtualisierten Arbeitsplatz werden bald nicht von den traditionellen Spezialisten wie etwa Wyse geliefert, sondern von den Samsungs, LGs und Apples dieser Welt.
Im idealen virtualisierten System ist es für den Maschinenpark im Rechenzentrum unerheblich, über welches Gerät eine App abgerufen wird. Dort zählt wirklich nur der User.