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Schrittweises Wachstum

\"DIErwartungen und Herausforderungen in einem neuen Markt. Roman Bartha, Leiter des Bereichs Elektromobilität bei Siemens und Geschäftsführer des Vereins Austrian Mobile Power, im Interview.

Report: Herr Bartha, Sie sind vor einem Jahr mit dem Verein Austrian Mobile Power angetreten, Elektromobilität in Österreich zu fördern und thematisch wie technologisch aufzubereiten. Welche Erwartungen haben Sie dazu konkret?

Roman Bartha: Einer Studie des Umweltbundesamtes zufolge wird es im Jahr 2020 bereits über 200.000 Elektrofahrzeuge in Österreich geben, also fünf Prozent des heutigen PKW-Bestandes. Das Ziel von Austrian Mobile Power ist nun, die richtigen Rahmenbedingungen für diese Entwicklung zu schaffen. Diese Anlaufkurve ist auch Basis der ersten Businesspläne in der Wirtschaft dazu. Spätestens ab diesem Zeitpunkt werden die Modelle zu Elektromobilität auch für einen breiten Markt Geld abwerfen. Dieses Geschäft braucht seine Zeit, doch ist allein in den letzten zwölf Monaten sehr viel passiert. Vor einem Jahr sammelten viele Firmen noch einfach Informationen zum Thema E-Mobilität. Heute verfolgen viele bereits eine sehr  genaue Strategie. Sie beginnen Partnerschaften für reale Business­pläne zu schließen.

Die unterschiedlichsten Wirtschaftszweige interessieren sich für diesen neuen Markt – allen voran die etablierten Fahrzeughersteller. Sie sehen nun, wie auch asiatische Fahrzeughersteller mit E-Cars in Europa Fuß fassen wollen. Ebenso orten die Energieversorger neue Absatzmärkte in diesem Bereich. Elektromobilität wird zwar keine Verdoppelung des Strombedarfs bringen, doch sind für die Branche neue Businessmodelle denkbar – etwa im Tankstellen- oder Flottenbetrieb. Weiters werden technische Lösungen in der Kommunikation zwischen den Autos, den Stromnetzen und in der Anbindung an den öffentlichen Verkehr nötig. Und schließlich werden Flottenbetreiber, Car-Sharing- und Leasingfirmen sowie der öffentliche Verkehr im Rahmen von Gesamtmobilitätskonzepten zu der bunten Mischung an Marktteilnehmern beitragen. All diese Proponenten stecken jetzt ihre Potenziale und Möglichkeiten ab. Sie wissen dabei aber noch nicht genau, wie und vor allem wie rasant sich Elektromobilität im Detail tatsächlich entwickeln wird.


Report:
Welche Rolle nimmt in diesem Markt Siemens ein?

Bartha: Siemens hat den Vorteil, eine sehr große Bandbreite an Produkten und Lösungen rund um dieses Thema anzubieten – von der Energieerzeugung aus erneuerbaren Ressourcen, Stromnetzen und Ladesäulen bis hin zu den Antriebssystemen und der Elektronik für die Fahrzeugindustrie. Es geht nun darum, diese Einzellösungen in einem Gesamtsystem auf einen Markt zu bringen, den es in dieser geschlossenen Form noch gar nicht gibt. Das ist wie das Henne-Ei-Prinzip – wann gibt es die ersten Kunden, die klar ihre Wünsche definieren können, und wie schnell haben die Anbieter das passende Portfolio dazu? Diese Herausforderung macht meine Tätigkeit sehr spannend.


\"DerReport: Wie konkret ist nun das Geschäftsmodell Elektromobilität im Rahmen von lokal begrenzten Initiativen?

Bartha: Neben den Modellregionen, z.B. in Vorarlberg, Salzburg oder Linz, gibt es auch im Fremdenverkehr erste Pilotprojekte, in denen Touristen Elektrofahrräder und Elektromopeds zu Verfügung gestellt werden. Für die Tourismusregionen, die derzeit auf diesen Zug aufspringen, halten sich die Betreiberrisiken in Grenzen. Die Kosten für eine lokale Ladeinfrastruktur sind ja sehr überschaubar. Elektrofahrräder werden dort auf Mietbasis bereitgestellt und damit gibt es auch keine großen Hürden für die Endnutzer.

In den Modellregionen werden dem Endnutzer auf Basis von »Mobilitäts-Flatfees« Fahrzeuge – heute vorrangig Räder –, Strom und Fahrkarten für die Öffis angeboten – ein interessantes Modell für die Zukunft! Aber auch Firmenflotten oder Car-Sharing-Betriebe wie Denzel beginnen einen Teil ihrer Flotte auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Auch im Fuhrpark bei Siemens gibt es erste Elektrofahrzeuge. Sie werden bei Kundenveranstaltungen oder für Fahrten zwischen den Standorten genutzt – Bewusstseinsbildung bei unseren Mitarbeitern ist hier ein wichtiges Argument. Ich erwarte aber ein wesentlich schnelleres Marktwachstum, sobald eine größere Zahl an Autos und mehr Modelle am Markt sind. Dann werden auch Businessmodelle realisierbar sein, lokale Ladesäulennetze in größeren Städten zu errichten und auch kommunale Fuhrparks auf Elektromobilität umzurüsten. Wir wollen mit Austrian Mobile Power auch jene Standards schaffen, damit Fahrzeuge sowohl in Graz als auch in Wien, Linz und anderswo sicher und kundenfreundlich geladen werden können – inklusive einfacher Verrechnungsmöglichkeiten.


Report: Gerade die Nutzung von einspurigen Elektrofahrzeugen im Stadtverkehr bringt ein nötiges Initial für die Wahrnehmung dieses Themas in der Bevölkerung.

Bartha: E-Bikes sind sinnvoll, wenn für diese Art der Fortbewegung in der Stadt und im ländlichen Nahverkehr zusätzliche Nutzer gewonnen werden. Würden dagegen einfach lediglich jene auf E-Bikes umsteigen, die ohnehin bereits mit dem Fahrrad unterwegs sind, wäre dies umweltpolitisch nicht besonders sinnvoll. Beim Zweirad gibt es mit der Ladeinfrastruktur keinerlei Probleme, die Batterie lässt sich zumeist einfach mit nach Hause nehmen und an eine herkömmliche Steckdose schließen. Vor allem im städtischen Bereich sehen wir allerdings ein Sicherheitsproblem. Elektrofahrräder sind teuer und müssen deshalb sicher abgestellt werden können. Weiters fehlen heute noch einfache Abrechnungsmöglichkeiten für den Stromzugang, etwa im Hausgang. Zu diesen unterschiedlichen Bedürfnissen und Problemen müssen nun Lösungen gefunden werden.

 

\"InReport: Was sind die Herausforderungen bei Elektroautos? Hier ist ja eine Ladeinfrastruktur auf jeden Fall notwendig.

Bartha: Derzeit gibt es in Österreich für die rund 300 Elektroautos bei weitem mehr Lademöglichkeiten, als eigentlich nötig wäre. Statistisch gesehen sollten pro Fahrzeug zwei bis drei Lademöglichkeiten verfügbar sein. Einmal am eigenen Wohnort, vor dem Haus oder in der Garage. Die zweite am Arbeitsplatz, etwa an Firmenparkplätzen mit Lademöglichkeit, wie es beispielsweise bereits bei Siemens der Fall ist. Drittens werden in Zukunft auch Lademöglichkeiten im öffentlichen Bereich gefragt sein, wobei hier sicherlich im ersten Schritt Parkgaragen und Parkplätze im Bereich von Geschäften bzw. Einkaufszentren in Frage kommen. Eine breit zugängliche Ladeinfrastruktur per Ladesäulen im voll öffentlichen Bereich für die »Laterndelparker« ist heute aber noch kein Thema. Ich bin aber nicht sicher, ob dies überhaupt zwingend notwendig sein wird. Denn auch die Entwicklung der Batterietechnologien geht weiter. So werden in den nächsten zwei bis drei Jahren bereits durchgehend 250 km Fahrtstrecke mit einem Elektrofahrzeug möglich sein – eine Reichweite die für tägliche Fahrten mehr als ausreicht. Doch auch mit den Modellen von heute gibt es in der Stadt in der Regel keine Probleme. Ich nutze bei Siemens selbst ein Elektrofahrzeug, einen »Think«, und komme im Stadtverkehr und Fahrten im Umland von Wien nie auf mehr als 100 km Fahrtstrecke täglich. Falls es wider Erwarten doch einmal untertags eng werden sollte: Der Ladevorgang einer Batterie ist in den ersten zwei, drei Stunden am stärksten. Wenn ich das Elektroauto während eines Termins oder eines Einkaufs nur eine halbe Stunde bis Stunde lade, habe ich schnell wieder 20 bis 30 km zusätzliche Reichweite gewonnen. Über Nacht wird die Batterie dann zu 100 Prozent aufgeladen und der Fall ist erledigt.


Report: Was wird eher kommen – die flotte Ladung an der Stromtankstelle oder Akkutausch?

Bartha: Es wird für beides Anwendungen geben, wobei ich persönlich mehr vom Schnellladen halte. Einheitliche Standards bei den Ladestationen werden dieses Thema als wichtige Ergänzung für die Reichweitenverlängerung unterstützen. Ein Batteriewechselsystem dagegen ist wesentlich komplexer und auch teurer, noch dazu wenn es vermutlich auch keine Einheitsbatterie in Aufbau und Form geben wird. Diese Technologie hat aber durchaus Charme für große Flotten, bei welchen mit einheitlichen Fahrzeugen ein Betrieb rund um die Uhr notwendig ist.


Report: Bei der Schnellladung ist doch Starkstrom im Spiel – ist das den Autofahrern zumutbar?

Bartha: Die Sicherheitsfrage ist neben der Auswirkung auf die Batterielebensdauer eine der großen Herausforderungen. Auch kann der Fahrer mit dem stärkeren Anschlusskabel nicht mehr so leicht umgehen, als mit einem Tankschlauch – die Umsetzung von Schnellladetankstellen werden wir in den nächsten Monaten in Pilotversuchen erproben.
Bezüglich Batterie ist die Schnellladung heute eine Herausforderung an das Temperaturmanagement der Batterie und die Batteriezelle – hohe Ladeströme können die Batteriezelle beeinträchtigen und verursachen entsprechende Verlustwärme, die abzuführen ist. Wasserkühlung ist hier ein möglicher Ansatz. Aus diesen Gründen wird die Schnellladung eher eine Notlösung sein, wenn vergessen wurde, aufzuladen, oder bei der Überbrückung größerer Strecken. Induktives Laden – wie heute bei unseren elektrischen Zahnbürsten – ist hier auch eine interessante technologische Entwicklung, welche wir bei Siemens auch aktiv verfolgen.


Report: Auch die Fahrzeugpreise werden in den kommenden Jahren wohl sinken.

Bartha: Preislich gibt es heute bei den Elektro- und Hybridfahrzeugen noch keinen echten Wettbewerb. Das wird sich mit der zunehmenden Zahl von Fahrzeugen am Markt aber sehr schnell ändern. Das Elektrofahrzeug müsste ja eigentlich von der Kostensituation günstiger sein als Autos mit Verbrennungsmotoren. Es ist technisch weniger komplex und kann auf den Aufwand für Verbrennungsoptimierung und Schadstoffminimierung verzichten. Denkbar sind in Zukunft auch völlig neue technische Plattformen für Elektrofahrzeuge, welche die Endpreise weiter drücken können. Ich denke, dass wir bereits in drei, vier Jahren in Preisregionen kommen werden, die bei einer Gesamtkostenbetrachtung über fünf bis sieben Jahre an Dieselfahrzeuge herankommen. Entsprechende Förderungen und Steuervorteile sind dabei genauso anzusetzen wie steigende Spritpreise. Hoffnung gibt hier, dass nicht zuletzt auch die Batterien, die noch einen hohen Anteil an den Kosten ausmachen, in den letzten Jahren bereits deutlich günstiger und leistungsfähiger geworden sind. Auch dieser Trend wird sich fortsetzen.


\"DerReport: Sind Elektrofahrzeuge umweltfreundlicher als herkömmliche Autos?

Bartha: Ein klares Ja dazu gibt es pauschal nicht, da es immer davon abhängt, wie der Strom produziert wird. Prinzipiell sind Elektromotoren wesentlich besser im Effizienzgrad als Verbrennungsmotoren. Sehen wir von der geringeren Lärm- und Staubbelastung einmal ab und betrachteten lediglich die Emissionen: Ein Dieselfahrzeug mit einem CO2-Ausstoß von 180 g/km wird einem Elektrofahrzeug ebenbürtig sein, das mit Strom aus einem veralteten Kohlekraftwerk befeuert wird. Kommt aber der Strom aus einem modernen Gaskraftwerk, würde das Fahrzeug bereits nur noch 60–70 g/km produzieren. Bei einem österreichischen Strommix mit Schwerpunkt Wasserkraft wären es dann nur noch 40 g/km. Wird aber Elektromobilität überhaupt ausschließlich mit erneuerbarer Energie gekoppelt, geht der CO2-Ausstoß gegen null. Förderungen in die Elektromobilität sind nur sinnvoll, wenn Fahrzeuge ausschließlich mit Strom aus erneuerbarer Energie angetrieben werden.


Report: In welchem Ausmaß werden Elektrofahrzeuge die Stromnetze belasten?

Bartha: Ein Elektrofahrzeug hat die Anschlussleistung und Verbrauchswerte vergleichsweise eines Einzelhaushalts. Wird Elektromobilität lokal flächendeckend genutzt, würde sich der Strombedarf im lokalen Niederspannungsnetz verdoppeln. Dazu gibt es nun zwei Möglichkeiten. Entweder werden stärkere Leitungen verlegt und die Trafos ausgebaut, oder das lokale Verteilnetz wird mit Systemintelligenz versehen. Ein solches System würde das zeitgesteuerte Laden zu Nachtstunden koordinieren, wenn generell weniger Strom in den Netzen gebraucht wird. Denkbar ist auch das Einbinden von privaten Solaranlagen am Hausdach oder andere erneuerbare Energiegewinnung. Der Markt wird jedenfalls Schritt für Schritt wachsen und innovative Möglichkeiten hervorbringen.



Die Plattform:

Austrian Mobile Power ist eine Plattform österreichischer Unternehmen aus Energiewirtschaft, Industrie und Forschung mit dem Ziel, Österreich ins Zeitalter der Elektromobilität zu führen. Sie wurde 2009 unter der Führung von Siemens, Verbund und Magna gegründet, um als Mittler zwischen technologischen Entwicklungen und regionalen Initiativen aufzutreten. Es werden Standards für den österreichischen Markt entwickelt. Unterschiedliche Möglichkeiten und Lösungen werden in Pilotprojekten erforscht und angewandt. Die Themen sind Fahrzeugtechnologien, Ladesäulen und Schnellladung, Abrechnungssysteme (bis zu internationalem Roaming im Billing) sowie Verkehrs- und Fahrzeuginformationssysteme. Der Verein Austrian Mobile Power hat bis dato 20 Mitglieder.

 

\"SiemensSchneller E-Porsche:

Wie attraktiv Elektrofahrzeuge sein können, hat Siemens in Kooperation mit der Autoschmiede Ruf Automobile am Beispiel des eRuf Sportwagens auf Basis eines Porsche 911 gezeigt. Siemens-Forscher haben für den Prototypen ein integriertes System aus Motor/Generator, Leistungselektronik und Schnittstelle mit Batterieanwendung entwickelt. Siemens untersucht das Thema Elektromobilität umfassend: Es werden die Anforderungen an das Elektroauto mit dem elektrischen Antrieb und der Rückgewinnung der Energie als auch die Gestaltung der Infrastruktur einbezogen.

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