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"Kaum jemand kann mit exponentiellen Herausforderungen umgehen"

Thomas Holzhuber. Der Wirtschaftsprofi evaluiert Start-ups für Unternehmenskunden. Die Kandidaten bekommen Einsicht in für sie bislang unerschlossene Märkte. Corporates wiederum werden mit Denkweisen konfrontiert, die sie aus eigener Kraft in dieser Weise nicht schaffen würden. Thomas Holzhuber. Der Wirtschaftsprofi evaluiert Start-ups für Unternehmenskunden. Die Kandidaten bekommen Einsicht in für sie bislang unerschlossene Märkte. Corporates wiederum werden mit Denkweisen konfrontiert, die sie aus eigener Kraft in dieser Weise nicht schaffen würden. Foto: holzhuber impaction

Thomas Holzhuber, Gründer der Digital-Marketing-Agentur holzhuber impaction, setzt seit Jahren auf das Schaffen von Mehrwert durch Digitalisierung. Der Experte unterstützt Innovationsprozesse in Unternehmen und Start-ups.

Report: Herr Holzhuber, Sie führen eine Online-Agentur, legen aber Wert darauf, Win-win-Situationen für Nutzer und Anbieter zu schaffen – was meinen Sie damit?

Thomas Holzhuber:
Ich habe holzhuber impaction im Jahr 1994 gegründet, wir waren eine der ersten Onlineagenturen in Europa. Schon damals lag der Fokus nicht auf Webdesign, sondern auf dem Mehrwert in der Digitalisierung von Unternehmen. Wenn dieser Mehrwert gegeben ist, akzeptieren die Menschen das Onlineangebot und all die Prozesse dahinter. Ist das  aber nicht der Fall, lehnen sie es ab. Damals war ich im Jahr vor meiner Firmengründung in Harvard und belegte eine Vorlesung mit dem Titel »The virtual values of the internet«, wo genau das gelehrt wurde. Mit einigen Business Cases in der Tasche kehrte ich dann nach Österreich zurück, darunter war das Beispielprojekt eines amerikanischen Autohändlers. Der Händler verfügte über mehrere Standorte und hatte begonnen, seine Gebrauchtwagen in einer zentralen Datenbank zu erfassen. Den Mitarbeitern sind dann übers Internet die Verfügbarkeiten und Stückzahlen aller Standorte ausgewiesen worden – mit dem Ziel, die Stehzeiten der Gebrauchtwagen, die ja gebundenes Kapital sind, zu reduzieren. Schon mit der Reduzierung eines Teils des Lagerstandes konnte die interne Gebrauchtwagenbörse theoretisch mehrfach finanziert werden. Es war ein Digitalisierungsschritt, der von Anfang an Kostenreduktion und Effizienzsteigerung im Fokus hatte. Auch österreichische Unternehmen hatten dann großes Interesse an solchen Projekten.

Report: Ein wesentlicher Treiber bei Digitalisierungsprojekten sind also Kosteneinsparungen?

Holzhuber: Ja, aber es ist eben nur ein Teil. Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel. Das Angebot des Web-Check-in bei Fluglinien ist ein ähnlicher Fall. Für die Kunden ist diese Möglichkeit praktisch, da man so selbst die volle Kontrolle über den Prozess der Sitzplatzbuchung hat und dies auch zu einer selbst gewählten Zeit tun kann. Die Airlines ersparen sich dadurch Bodenpersonal und können die »No-Show«-Raten minimieren. Damit gehört auch das Überbuchen von Flügen der Vergangenheit an. Essenziell dabei ist aber die perfekte Gestaltung dieses Services. Selbst wenn es hunderttausende Euro kosten würde – wenn es von den Kunden akzeptiert und genutzt wird, dann winken Einsparungen in Millionenhöhe.

Report: Welche Herausforderungen haben Unternehmen – Stichwort Digitalisierung?

Holzhuber:
Wir sehen derzeit viele Veränderungen – die allesamt von der Digitalisierung zusätzlich beschleunigt werden. Durch die Informationstechnologie, die in allen Geschäftsprozessen zu finden ist, hat auch das Moore‘sche Gesetz Auswirkungen auf alle Wirtschaftsbereiche. Verallgemeinert beschreibt das Gesetz die fortlaufende Leistungssteigerung von Computersystemen bei gleichbleibenden Preisen. Die Verdoppelung von Rechenleistung ungefähr alle zwei Jahre gilt mittlerweile sogar als überholt, wir beobachten nun exponentielles Wachstum in der IT und in anderen Technologien, etwa in der Biotechnologie oder im 3D-Druck. Auch gesellschaftliche Entwicklungen sind davon betroffen und führen zu Situationen, mit denen viele Menschen und auch Organisationen nicht umgehen können. Schließlich waren die Denkweisen und Entscheidungsprozesse bislang linear ausgelegt: Man hatte Pläne für die kommenden zwölf Monate festgelegt und sich ein Ziel mit einem erwarteten Spielraum gesetzt. Heute kann kaum jemand mit den exponentiellen Herausforderungen umgehen, und dabei entsteht auch die Angst vor der »Disruption«. Viele verspüren schon Hemmungen, sich ständig mit Neuem und Unbekanntem auseinanderzusetzen, lange bevor tatsächlich Geschäftsfelder davon betroffen sind.

Report: Start-ups tun sich da naturgemäß leichter – sie müssen auch nicht vordergründig Arbeitsplätze bewahren.

Holzhuber:
Nun, zu Beginn ist das tatsächlich so. Start-ups bewegen sich anfangs an exponentiellen Kurven entlang – in Wachstum, Kunden-, Partnerzahl oder Umsatz. Das funktioniert eine gewisse Zeit, in der ein neues Unternehmen noch keinen Ballast mitführt. Das bedeutet gleichzeitig eine große Herausforderung, da ja meist die Ressourcen Mitarbeiter, Kapital und Kunden fehlen. Die Lösung liegt wie immer in der Mitte. Das zeigen auch Hotspots wie Silicon Valley oder die Region Seattle rund um die Firmensitze von Microsoft oder Amazon. Jedes Unternehmen, das dort in ein Start-up investiert, tut dies nicht vorrangig, um es zu finanzieren. Es wird vielmehr in das Umfeld des Inkubators eingebettet und – so weit es gelingt – in die Wertkette eingegliedert. Für das kleinere Unternehmen eröffnet sich damit der Zugang zu hochwertigen Lieferanten, Produktionspartnern und einem Absatzmarkt.

Report: In dieser Phase geht es also noch gar nicht um den Endkunden, sondern um das Formen von Ökosystemen mit Partnern?

Holzhuber: FinTechs sind ein gutes Beispiel. Sie fahren mit ihren neuen Ansätzen – beispielsweise automatisierter Anlagenberatung mit Unterstützung durch künstliche Intelligenz – vielen Banken um die Ohren. Es gibt beispielsweise dazu bereits die ersten vier bis fünf großen Lösungen am Markt. Die etablierte Branche tut sich schwer, so etwas selbst aufzugreifen. Die Großen aber haben die Kunden. Das Fintech-Unternehmen steht damit vor einer Entscheidung: Kauft man sich teuer Kunden oder ist man bereit, in die Wertkette einer Bank einzusteigen und so einen schnelleren Marktzugang zu erhalten? In den USA ist dieser Vorgang seit langem gang und gäbe – und es hat zum Glück auch langsam in Europa begonnen.

Report: Man kann häufiger beobachten, dass sich ein etabliertes Unternehmen einen Start-up-Partner an Bord holt ...

Holzhuber:
Nicht nur das – viele setzen gleich auf ein ganzes Portfolio, das dem Investor auch größere Sicherheit gibt. Die Start-ups werden mit allen verfügbaren Ressourcen unterstützt: Natürlich ist das Geld, es geht aber auch um Erfahrungen und Unternehmensführung, das Führen von Beta-Kunden-Gesprächen, die Entwicklung von prototypischen Lösungen, diese in den Markt zu bringen und allenfalls auch wieder vom Markt zu nehmen. Um eine Idee zum Leben zu bringen, ist viel Know-how nötig, was meist völlig unterschätzt wird. Um etwa ein Produkt herzustellen, das in einem hochpreisigen Segment vermarktet werden soll, braucht es auch die passenden Partner in der Produktion – wo die Herstellungskosten vielleicht nur eine von vielen Rollen spielen und mehr Wert auf Verarbeitung und Material gelegt werden sollte. Das ist nur ein Beispiel von vielen, zeigt aber, wie wichtig die Wertkette bei einem Geschäftsmodell ist.
Für die großen Unternehmenspartner – egal aus welchem Wirtschaftsbereich sie kommen – bedeutet das, exponentielle Chancen zu erkennen, zuzulassen und zu fördern. Das tun Banken wie etwa die Erste Bank sehr geschickt, die für ihre neue Banking-Lösung George Entwickler und Start-ups zu einem Hackathon, einem Prototypen-Wettbewerb, eingeladen hatten.

Report: Ändert sich die Organisation von Innovation in Unternehmen generell? Werden die Unternehmensgrenzen weiter schwinden?

Holzhuber: Ich würde sagen: Es wird vielfältiger. Unternehmen werden weiterhin Menschen im eigenen Haus oder Umfeld beschäftigen, wenn vielleicht auch in verschiedenen Beschäftigungsmodellen. Und es wird wichtige Positionen geben, die Ideen und Geschäftsmodelle außerhalb des Unternehmensbereichs sichten und bewerten – sie prüfen, in welcher Weise sich ein gemeinsames Engagement auszahlen kann. Wir evaluieren für Kunden immer wieder Start-ups, um diese dem Unternehmen vorzustellen. Es ist eine Win-win-Situation: Die Kandidaten bekommen plötzlich Einsicht in für sie bislang unerschlossene Märkte. Corporates wiederum werden mit Denkweisen konfrontiert, die sie aus eigener Kraft in dieser Weise nicht schaffen würden.



Unternehmergeist gefördert

Im September ist das Eventformat »myBizz« gestartet, das Gründern und Innovatoren mit Expertise, Networking und Erfahrungsaustausch unter die Arme greift. Mehr als 20 Sprecher geben dabei Einblick in Branchen. An Bord sind neben Wirtschafts- und Marketingprofi Thomas Holzhuber Investor Hansi Hansmann, myBizz-Initiator Manfred Reichl sowie die Führungsriege von T-Mobile, Google und Runtastic. Info: www.mybizz.at

Last modified onDienstag, 06 Dezember 2016 13:16
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