Neuordnung der Märkte
- Written by Martin Szelgrad
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Netzbetreiber müssen immer mehr Datenverkehr mit immer geringeren Mitteln abwickeln. Ausrüster wie Huawei und die europäischen Hersteller setzen auf unterschiedliche Lösungsansätze.
Geschwindigkeit kennt keine Grenzen – das ist seit jeher das Motto am Mobile World Congress (MWC), der Ende Februar neuerlich in Barcelona stattgefunden hat. Mit der mangelnden Fähigkeit, aus Breitband Geld zu machen, also »value« aus der »pipe« zu generien, befinden sich die Netzbetreiber allerdings seit geraumer Zeit in der Sackgasse. Diesen Margenhebel wiederzufinden wird zu einer immer dringlicheren Aufgabe auch für die Netzlieferanten. Denn wenn es den Kunden schlecht geht, müssen auch die Ausrüster die Gürtel enger schnallen. Da nützt auch der allgemeine, globale Boom in Richtung mobile Services, Apps, Arbeitsplätze und Lebensweisen nichts. Lars Bondelind, Vice President Wireless Marketing Huawei, sieht das Datenwachstum im Mobilfunk ganz pragmatisch: »Es geht nicht um HSDPA, LTE oder andere Kürzel – sondern schlicht und einfach um die ›big pipe‹.« Dieses Endkundenerlebnis – der Begriff »end user experience« lässt sich kaum adäquat übersetzen – aus allen Netzwerkkomponenten heraus zu ermöglichen, das ist die künftige Aufgabe für Basisstationen, Netzwerk-Controller und den Core. Die Lösungsebene dafür ist in der Software zu finden.
Huawei setzt auf eine Strategie der Standardisierung der Programmierschnittstellen, der APIs, um aus dem bunten Datenstrom in den Netzen Brauchbares für die Betreiber zu filtern und zu generieren. Eine Anwendung sind beispielsweise zeitlich eingrenzbare Bandbreiten. »Ein Mobilfunkkunde kann damit auf Knopfdruck Bandbreite bestellen – etwa um adhoc große Dateien mobil herunterzuladen«, erklärt der Experte. Nötig dazu wäre freilich die Schnittstellenfähigkeit auch anderer Hersteller außerhalb der Huawei-Palette. In der Vergangenheit wären die Netzausrüster auf das Abschotten ihrer Lösungen vom Mitbewerb fokussiert gewesen. »Das werden sich die Netzbetreiber in Zukunft nicht mehr gefallen lassen«, ist Bondelind überzeugt. Huawei will mit seinem Angebot deshalb auch wesentlich mehr bieten als nur höhere Geschwindigkeiten und Bandbreiten. Am Ende des Tages, so Bondelind, entscheidet nicht das Geschwindigkeitswachstum über Erfolg oder Misserfolg, sondern Kreativität im Business.
Chinesische Anbieter wie Huawei und ZTE sind längst im europäischen Markt angekommen und gelten auch in Österreich immer weniger als Exoten, sondern als Firmen mit einem stark wertschöpfenden lokalen Faktor. Alleine Huawei hat bereits eine Mannschaft von 100 Mitarbeitern in Wien, darunter drei neue österreichische Geschäftsführer. Während der etablierte europäische Mitbewerb laufend Belegschaft abbaut, können die Asiaten aus dem Vollen schöpfen, vulgo: rekrutieren. Nach dem Netzbereich drängt die Mannschaft um Österreich-CEO Daniel Zhou auch in Unternehmenslösungen und in den Handsetmarkt. Am MWC wurde das »Ascend P2« vorgestellt, ein LTE-fähiges Smartphone mit Quad-Prozessor und einer Bildschirmauflösung von 720 x 1200 Pixel. Es sei das schnellste Smartphone der Welt, verkündet Huawei vollmundig.
Viele Ansätze
Kräftige Lebenszeichen haben aber auch die Netzausrüster Ericsson, Alcatel-Lucent und Nokia Siemens Networks in Barcelona gegeben. Sie wissen ebenso um die Nöte der Netzbetreiber, immer mehr Traffic mit immer weniger finanziellen Mitteln abwickeln zu müssen. »LTE ist die Antwort darauf, die Kosten pro GB um knapp ein Drittel zu senken«, heißt es am Alcatel-Lucent-Stand. Opex-Kosten sind um ein Viertel verringerbar, da Hardware bei ALU flexibel in die Cloud verlegt werden kann. »Es wird ein Zusammenspiel von Maschinen, Services und Netzebenen sein, das auf die Bedürfnisse der Provider ausgerichtet ist«, lautet das Rezept. Die Netze werden flexibler, die Time-to-Market von neuen Services und Applikationen wesentlich verkürzt. Weitreichende LTE-Erfahrung haben sie allesamt – Alcatel-Lucent hat in den vergangenen Jahren gut 30.000 Sites designt, und mit Verizon, Sprint und AT&T alle Schwergewichte des US-Markts an Bord.
Ericsson setzt ebenfalls auf die Veredelung der Leitung und stellte eine Partnerschaft mit SAP vor, um cloudbasierte M2M-Lösungen anzubieten. Ericsson-CEO Hans Vestberg spricht von »weltweit über 100 Millionen LTE-Nutzern im Laufe des Jahres 2013 und einer Smartphone-Rate von 50 % bei ausgelieferten Mobilfunkgeräten«. Bis Ende des Jahres sollen mehr Nutzer mobil als über das Festnetz aufs Internet zugreifen. Diesem Markt kann es doch nicht schlecht gehen.
Vielleicht ist das Konzept der »Liquid Application« von Nokia Siemens Networks das Heilmittel für die gestressten Infrastrukturbetreiber? In einem radikalen Schritt wird in der Basisstation eine Art Premium-Cache eingerichtet, der oft angefragte Daten direkt den in der Zelle eingewählten Nutzern liefert. Dies könnte ein populäres Video sein, dessen Direktübertragung innerhalb der Last-Mile das Netz entlastet, oder gar individualisierte Werbung, die abgestimmt auf die Nutzerdaten auf die Screens der Umgebung geschaltet wird. Die Idee dahinter ist aus Netzbetreibersicht genial: endlich neben den Googles und Amazons dieser Welt, denen der schnelle Cache angeboten wird, ebenfalls ein Stück von Onlinekuchen zu erwirtschaften.