Ablöse eines Marktes
- Written by Redaktion_Report
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(+) plus: Was kommt auf die Mobilfunkkunden heuer zu?
Georg Pölzl: Jene Ablöse des Festnetzes durch den Mobilfunk, die wir in der Sprachtelefonie bereits gesehen haben, passiert nun auch in der Datentelefonie. Ich halte das für eine spannende Entwicklung, da im Sprachverkehr zwar die Telefonieminuten in den letzten zehn Jahren gestiegen sind, sich aber die Relation Festnetz zu Mobilfunk völlig gedreht hat. Im Vorjahr wurden bereits 67 Prozent der Sprachminuten über die Mobilfunknetze abgewickelt. In österreich geht es hier um 21 bis 22 Milliarden Minuten, die damit großteils über den Mobilfunk laufen. Beim Internetzugang stehen wir überhaupt erst am Anfang dieser Entwicklung: 2006 hat T-Mobile das erste flächendeckende HSDPA-Netz in österreich realisiert. Dieses schnelle Mobilfunkdatennetz ist bei einer übertragungsgeschwindigkeit von 3,6 Mbit/s in vielen Regionen bereits schneller als das Festnetz.
(+) plus: Die Hersteller bringen immer wieder den Begriff Konvergenz in Spiel. Jetzt sollen die Netze tatsächlich zusammenwachsen, um die Bedürfnisse der Kunden technologieneutral erfüllen zu können.
Pölzl: Es stellt sich die Frage, ob wir hier von Konvergenz oder von Substitution sprechen. Ich persönlich glaube an die Ablöse des Festnetzes in österreich, bin mir aber gleichzeitig bewusst, dass die Entwicklung des Telefoniemarktes hierzulande mit anderen Ländern nicht zu vergleichen ist. In österreich hat die Liberalisierung des Festnetzes nie wirklich funktioniert. Die Regulierungs- und Deregulierungsversuche waren zahnlos, gerade in den letzten Jahren ist kaum eine Entscheidung gefallen, die gegen den Incumbent Telekom Austria gerichtet gewesen wäre. österreich war verglichen mit den anderen europäischen Ländern Schlusslicht in der Liberalisierung des Festnetzes und seitdem wurde sie nur halbherzig durchgeführt. Dadurch hat sich im Festnetz nie ein wirklich funktionierender Wettbewerb aufbauen können, deswegen ist Festnetz in österreich im Europavergleich ziemlich teuer. Ganz anders im Mobilfunk, wo sich ein unheimlich effizienter Wettbewerb herausgebildet hat und wir auch europaweit am billigsten sind. Derzeit sehen wir, dass das Festnetz in Wahrheit einen einzigen Mitbewerber hat: den Mobilfunk. Der Mobilfunk ist in österreicher so qualitativ hochwertig und effizient, dass er dem Festnetz bereits den Rang abläuft. Auch ist das T-Mobile-Netz in österreich das leistungsfähigste Hochgeschwindigkeits-UMTS-Netz in der ganzen westlichen Welt. Wir haben in österreich die höchste UMTS-Coverage in der westlichen Welt - Vergleichbares gibt es weder in Europa noch in den USA. Ich rechne auch 2007 mit einer Verdoppelung der Zahl der Datenkarten für mobiles Breitband, die in österreich im Umlauf sind.
(+) plus: Werden in wenigen Jahren alle Laptops mit Datenkarten versorgt sein?
Pölzl: Es geht sogar über die Laptops hinaus. Sie können heute schon jeden Stand-PC über die USB-Schnittstelle anschließen. Ich persönlich verwende zu Hause unsere Internetzugangsbox »web’n’walk« und habe damit die perfekte Anbindung - ich brauche nichts anderes mehr. Die Box stecke ich dann entweder an meinen Laptop oder an den Stand-PC, der einen Stock tiefer steht. Sogar meine 13-jährige Tochter hat sie problemlos in Betrieb nehmen können.
(+) plus: Ist HSDPA der Grund, dass mobiles Breitband nun abhebt?
Pölzl: Mobiles Breitband hat schon mit UMTS sehr gut funktioniert, doch hat HSDPA die fünffache Geschwindigkeit gebracht. Der zweite Erfolgsfaktor ist die Einfachheit, mit der die Endgeräte für den mobilen Datenzugang eingerichtet sind oder sich einrichten lassen. Vergleichen Sie dies doch einmal mit einem Festnetzanschluss: Wie lange dauert und wie kompliziert ist dort die Einrichtung eines Netzzugangs? Selbst bei einer mühsamen Installation von Software auf dem PC ist die technische Installation eines Festnetzanschlusses damit nicht einmal vergleichbar, hier liegen Welten dazwischen. In Zukunft wird auch die mobile Internetanbindung von Stand-PCs in Sachen Bequemlichkeit nicht zu schlagen sein. Und die Mobilfunkabdeckung wird auch in vielen Inhouse-Bereichen täglich besser.
(+) plus: Was sind die Treiber für die mobile Datennutzung?
Pölzl: Neben dem Siegeszug von Internet und E-Mail werden es Themen wie Mobiles TV und Videotelefonie sein. Hier gibt es die verschiedensten Theorien und Richtungen, die derzeit aber keiner mit absoluter Sicherheit prognostizieren kann. Beim Internet ist man sich hingegen sehr sicher und E-Mail ist bereits neben der Sprachtelefonie zur wichtigsten Kommunikationsform geworden.
(+) plus: Gerade bei TV-Lösungen sehen wir einer Breitbandzukunft entgegen. Die Festnetzbetreiber wollen den Bedürfnissen nach Multimedia mit 100-Mbit-Leitungen und mehr begegnen. Die Mobilfunker werden da vermutlich nicht mithalten können.
Pölzl: Das ist natürlich ein Argument, doch verfügen heute auch kaum Festnetzkunden über solche Anbindungen. Und auch der Mobilfunk hat noch gewaltige Geschwindigkeitspotenziale. Wenn wir von einem Zeitraum von zehn Jahren reden, wie wir es gerade tun, diskutiert man heute schon über die vierte Generation in den Mobilnetzen, wo auch solche Geschwindigkeiten im Mobilfunk darstellbar sein werden. Es wird schwierig sein, immer einen nachhaltigen Bandbreitenvorteil fürs Festnetz zu argumentieren. Dies ist aber auch national sehr unterschiedlich, in anderen Ländern kann die Konkurrenzsituation völlig anders sein. Zum Beispiel bei unserem Nachbarland Deutschland: Dort hat der Wettbewerb im Festnetz die Preise derart nach unten gedrückt, dass das Festnetz noch vor dem Mobilfunk ist.
In österreich haben wir verglichen mit unserem Nachbarland mobil ungefähr das vier- bis fünffache Gesprächsvolumen in Minuten. Die Festnetzsubstitution durch den Mobilfunk beträgt in Deutschland nur rund zwanzig Prozent.
(+) plus: Mit der übernahme von tele.ring durch T-Mobile hatte es in Brüssel Befürchtungen gegeben, dass die Mobilfunkpreise mit dem Wegfall des Herausforderers wieder steigen könnten.
Pölzl: Wir haben immer gesagt, dass diese Befürchtungen unsinnig sind. Es ist schon interessant, wenn man aus 1500 Kilometern Entfernung die heimische Situation hier beurteilen will. Doch muss man fairerweise auch sagen, dass selbsternannte Experten den gleichen Schwachsinn hierzulande verbreitet hatten. Der Wettbewerb in österreich kam durch diesen Kauf natürlich nicht zum Erliegen. Ganz im Gegenteil - für die Wettbewerbsdynamik ist diese Konsolidierung natürlich sehr gut. Der Markt in österreich war im Festnetz immer von der großen Telekom Austria, der Mobilfunkmarkt von der mobilkom dominiert. Es schadet dem Wettbewerb sicher nicht, wenn der mobilkom ein Wettbewerber auf Augenhöhe gegenüber gesetzt wird. Was soll daran schlecht für den Wettbewerb sein, wenn man einem Wettbewerber die Gelegenheit gibt, den Markt auszubauen und Synergien zu nutzen?