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Lieber Chefin sein

 

\"Natascha40% aller Neugründungen werden von Frauen vorgenommen.

Doch sind und bleiben ihre Unternehmen meist winzig – mehr als die Hälfte aller österreichischen Betriebe sind Ein-Personen-Unternehmen.

 

Der schönste Tag des Lebens kann leicht zum Albtraum werden. Ein Wolkenbruch, das Essen nicht fertig oder die bestellte Band verspätet – Pannen wie diese bügelt Wedding Planner Angela Lindner souverän aus. Mit ihrer Agentur Wedding Angel plant und organisiert sie Hochzeiten, abseits der viel strapazierten Hollywood-Klischees à la Jennifer Lopez. Immer öfter betreut sie auch ausländische Gäste, die ihre Hochzeit im opulenten Rahmen von Schloss Schönbrunn oder Belvedere feiern möchten.

Anders als in den USA, wo Lindner mehrere Jahre für einen großen Konzern arbeitete und auch die Ausbildung zum Wedding Planner absolvierte, wird dieser Beruf in Österreich noch häufig belächelt. Nach ihrer Rückkehr nach Europa entsann sich Lindner eines Businessplans, den sie im Rahmen ihres Wirtschaftsstudiums erstellt hatte, und verwirklichte ihren lang gehegten Traum: »Ich komme aus einer großen Familie, und das Thema Hochzeit hat mich immer begleitet.«

Langes Zögern

Fertiges Konzept in der Schublade, eine gute Geschäftsidee im Hinterkopf und ein Plan, der erst reifen musste – oft über Jahre und Jahrzehnte. Unzählige Selbstständige berichten von solcherart verschlungenen Wegen zum eigenen Unternehmen. Die lange, gründliche Vorbereitung ist vor allem eine weibliche Spezialität. »Frauen machen keine waghalsigen Aktionen«, erzählt Manuela Vollmann, Geschäftsführerin des abz austria. »Viele meinen, sie müssten noch eine Ausbildung absolvieren, um es noch besser zu schaffen. Frauen neigen besonders dazu, an sich selbst Defizite zu erkennen.«

Das abz austria berät und unterstützt seit 1992 Frauen und Männer in arbeitsmarktpolitischen Belangen. Seit etwa sieben Jahren rückt das Thema Unternehmensgründung – sonst eher ein männlich besetzter Bereich – auch bei Frauen verstärkt in den Vordergrund. »Ältere Frauen wollen sich oft nach einem Burnout, einer schweren Krankheit oder einem anderen Lebenseinschnitt beruflich neu orientieren. Aber auch für junge, gut qualifizierte Frauen ist die Selbstständigkeit zunehmend eine Option«, sagt Vollmann. Erwerbslose Frauen oder Wieder­einsteigerinnen machen mitunter aus der Not eine Tugend und gründen ihr eigenes Unternehmen, statt vergeblich auf eine Anstellung zu hoffen. Typisch weiblich ist auch das Muster, neben der Sicherheit einer Teilzeitbeschäftigung parallel einen selbstständigen Erwerbszweig aufzubauen.

In einem vom Land Burgenland geförderten Projekt begleitete abz austria Frauen in die Selbstständigkeit. Die große Bandbreite der Ideen und Konzepte – von der Farb- und Stilberaterin über eine Kräuterbäuerin bis zu einer Boutique für Geschenkartikel – überraschte auch die abz-austria-Expertinnen. Dennoch überwogen anfangs die Selbstzweifel der Teilnehmerinnen. »Frauen bewerten ihre eigene Dienstleistung zu gering und verkaufen ihre Produkte viel zu billig«, sagt abz-austria-Chefin Vollmann. Als wichtige Stütze erwies sich die Familie. Konnte die Gründerin auf Rückhalt durch die Angehörigen zählen, verlief der Unternehmensstart meist erfolgreicher. Vor allem die Rahmenbedingungen für Unternehmerinnen mit Kindern seien noch immer unzureichend, kritisiert Vollmann.

Einzelkämpferinnen

In Österreich wird jedes dritte Unternehmen von einer Frau geleitet, Tendenz steigend. Allerdings sind Frauenbetriebe fast immer kleiner als Männerbetriebe. 96 Prozent setzen pro Jahr nicht mehr als eine Million Euro um, wie eine Studie der KMU Forschung Austria im Auftrag der Wirtschaftskammer ergab. Ein Fünftel der Frauen führt das Unternehmen im Nebenerwerb und an der eigenen Wohnadresse – häufig zwischen Teilzeitarbeit und Kinderbetreuung. Zwei Drittel der Unternehmerinnen gründen ein Ein-Personen-Unternehmen (EPU), kommen über das Stadium der Einzelkämpferin jedoch nie hinaus. Günstiger verläuft der Unternehmenserfolg, wenn Frauen einen etablierten Betrieb – etwa das Familienunternehmen – übernehmen. Die Wirtschaftskammer Wien stellt mit der Gründerinnen-Akademie ein Instrumentarium zur Verfügung, das Frauen zur Selbstständigkeit ermutigt und das nötige Rüstzeug vermittelt. Um den Schritt vom EPU zum Kleinbetrieb zu erleichtern, fördert die Wirtschaftskammer ein Jahr lang die Lohnnebenkosten für den »ersten Mitarbeiter« mit 25 Prozent des Bruttoeinkommens.

Ein weiteres Beratungsangebot setzt in der Nachgründungsphase für „Das verflixte 3. Jahr“ an. Zwar überstehen 80 Prozent der neu gegründeten Unternehmen die ersten drei Jahre unbeschadet und 70 Prozent die ersten fünf Jahre, womit Österreich deutlich über dem EU-Schnitt von 50 Prozent liegt. Doch stellt die Drei-Jahres-Schwelle oft eine Zäsur in der Unternehmensgeschichte dar. Die JungunternehmerInnen können ab dem vierten Jahr nicht mehr von der niedrigeren Beitragsgrundlage für die Sozialversicherung profitieren. Erste kleine Gewinne können eine Steuerlawine in Gang setzen, die bald die Luft zum Atmen nimmt. Zum anderen steht spätestens jetzt ein Check des Businessplans an, samt Standortbestimmung und Weichenstellung für die nächsten Jahre.

Wedding Planner Angela Lindner hat sich inzwischen, vier Jahre nach der Gründung, ein zweites Standbein aufgebaut. Sie will das Hochzeitsgeschäft auch anderen Interessierten schmackhaft machen. Am WIFI beginnt im Herbst bereits der vierte Ausbildungslehrgang, die bisherigen Kurse waren stets ausgebucht. Vermittelt werden Basiskenntnisse im Zuckerbäckerwesen, Mode und Floristik ebenso wie rechtliche Fragen sowie kulturelle und religiöse Unterschiede bei den Zeremonien. Drei Absolventinnen gründeten inzwischen eine eigene Agentur, andere – beispielsweise Fremdenführerinnen – erweiterten ihr Dienstleistungsspektrum. Konkurrenz fürchtet Lindner nicht: »Der Markt ist erst am Entstehen und groß genug für uns alle.«

\"WeddingGeteiltes Risiko

Leichter fällt der Sprung in die Selbstständigkeit über ein Franchisesystem. Hier erfolgt die Unternehmensgründung quasi mit Sicherheitsnetz: Idee und Konzept sind erprobt, der Kapitaleinsatz ist vergleichsweise gering, der/die Gründer/-in erhält in der Regel fachliche Unterstützung durch den Franchisegeber. Die WU-Absolventin Natascha Kuncik übernahm vor drei Jahren ein bereits bestehendes Nachhilfeinstitut der Franchisekette LernQuadrat in Wien-Wieden. »Selbstständig sein war immer ein Wunsch von mir. Durch Franchise ist das Risiko gemindert, man wird nicht alleingelassen«, sagt Kuncik. Bereits während des Studiums hatte sie in einem Sprachinstitut als Sekretärin gejobbt – »vom täglichen Geschäft her sind die Abläufe recht ähnlich, das konnte ich mir gut vorstellen«.

Für Natascha Kuncik war es aber auch eine finanzielle Entscheidung. Bei LernQuadrat ist man bei einer Neugründung bereits mit 25.000 Euro Investitionskapital dabei, alternativ dazu gibt es auch die Möglichkeit, ohne Eigenkapital einzusteigen und dafür monatlich höhere Franchisegebühren zu zahlen. Kuncik managt einen Pool von zehn LehrerInnen, die rund 60 SchülerInnen im Einzel- und Gruppenunterricht betreuen.

Wie viel unternehmerische Freiheit bleibt, hängt vom Franchisegeber ab. In der Regel sind außer dem Geschäftskonzept verbindliche Preise und Löhne vorgegeben, auch das Marketing wird meist einheitlich von der Zentrale gesteuert. Trotz dieser Einschränkungen erfreut sich Franchising vor allem bei Frauen großer Beliebtheit. Die Fitnessstudio-Kette Mrs. Sporty – vor fünf Jahren mitinitiiert von Tennislegende Steffi Graf – verzeichnet etwa pro Monat zehn Neugründungen in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz. In Österreich bestehen inzwischen 55 Mrs.-Sporty-Clubs. Das Konzept wurde im Vorjahr vom Fachmagazin »impulse« zur Nummer eins unter den Franchise-Dienstleistern gekürt.

Skeptische Banken

Markus Nekham, Geschäftsführer des IT- und Büroservice-Dienstleisters networx, gibt seine Erfahrung aus rund 20 Jahren unternehmerischer Tätigkeit inzwischen im Rahmen von Jungunternehmer-Workshops, u.a. auch an der Wirtschaftsuniversität Wien, weiter. »Manche wissen danach: Unternehmer will ich nicht werden«, sagt Nekham. Den anderen hofft er das nötige Selbstbewusstsein eingeimpft zu haben, das es braucht, um etwa mit Banken erfolgreiche Verhandlungen zu führen. »Man muss sich vorstellen, man hätte bereits eine etablierte Firma, einen Lottogewinn oder zumindest ein solides Startkapital von 70.000 Euro«, meint Nekham. »Die wenigstens können so selbstsicher auftreten, aber man wird bei der Bank gleich besser angesehen.«

Die Risikoeinschätzung bei der Kreditvergabe ist auch für abz-austria-Chefin Vollmann nicht immer nachvollziehbar. Eine Geschäftsfrau, die nur um einen kleinen Investitionskredit ansuche, erscheine offenbar fast suspekt – anders wären die Auflagen, die selbst bei kleinsten Summen verlangt würden, nicht zu verstehen. »Frauen nehmen nicht ihr Haus als Sicherheit, genau das wird aber von den Banken verlangt“, weiß Vollmann, »dabei sind Frauen die verlässlichsten Rückzahlerinnen.«

Hätte Nekham übrigens nicht auf sein Bauchgefühl vertraut, wäre er wohl nie Unternehmer geworden: Zwei Marktstudien hatten nämlich unabhängig voneinander völlig unterschiedliche Ergebnisse gebracht. Während die eine gute Chancen für seine Geschäftsidee sah, riet die andere dringend von der Umsetzung ab.

 

>> Info & Beratung:

> Wirtschaftskammer Österreich: www.gruenderservice.at
Individuelle Beratung bei allen Landes­kammern

> Austria Wirtschaftsservice (aws): www.awsg.at, T. 01/501 75-100
Förderungen und Kleinkredite für KMU

>abz austria: www.abzaustria.at, T. 01/667 03 00
Ausbildungsprojekte, Trainings und Beratung, spezielle Angebote für Frauen

> INiTS Universitäres Gründerservice: www.inits.at, T. 01/715 72 67
Beratung und individuelle Betreuung auf dem Weg in die Selbstständigkeit, eigene Förderungen, z.B. für Marktstudien

> networx: www.networx.co.at, T. 01/786 67 67
Workshops für JungunternehmerInnen und Verhandlungsführung, Vermietung von bezugsfertigen Büros und IT-Geräten

> i2b: www.i2b.at
Unterstützung bei der Erstellung eines Unternehmenskonzeptes, jährlicher Businessplan-Wettbewerb

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