Menu
A+ A A-

Neues Regieren

Eigenartige Zufälle gibt es: Da wird am 11. Jänner Claudia Schmied als Ministerin der neuen österreichischen Bundesregierung angelobt - und fünf Tage später erscheint auf der Branchenplattform bauforum.at ein Artikel aus dem Magazin der Gesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (GSV), in dem das ehemalige Vorstandsmitglied der Kommunalkredit Austria ihre fachkundige Meinung zur Infrastrukturpolitik kund tut. Unter anderem spricht sie sich für mehr Public-Private-Partnership bei Infrastrukturprojekten aus: \"Ich meine, dass eine Kombination aus einem öffentlichen Kernaktionär und einer Börsenotierung bei bestimmten Unternehmen sinnvoll sein kann, weil damit ein Zwang zur betriebswirtschaftlichen Optimierung entsteht, aber nicht nur kurzfristig optimiert wird\", so Schmied. Einschränkungen soll es ihrer Meinung nach nur bei Flughäfen, der Post oder der Bahn geben - in diesen Bereichen hält sie es für sinnvoll, dass der Staat als Kernaktionär bestehen bleibt. Weiters zeigt sie sich in diesem Interview davon überzeugt, dass die Asfinag früher oder später die Preise der Autobahnvignette erhöhen wird, um dem Prinzip der Kostenwahrheit Rechnung zu tragen.

Kämen solche Ansagen aus dem Infrastrukturministerium - österreichs Bau- und Baustoffindustrie, die das seit Jahren fordert, könnte jubeln. Nur hat die Sache leider einen Haken: Frau Schmied wurde vom neuen Bundeskanzler zur Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur gemacht. Nun mag Claudia Schmied ihre Eigenschaft als \"Kunstliebhaberin“ zur Kunstministerin befähigen, wie es das Bundeskanzleramt zu verkaufen versucht - über Schmieds Erfahrungen im Unterrichtssystem oder in der Kulturpolitik ist nichts bekannt. Ob sie im Infrastrukturministerium besser aufgehoben wäre, ist eine Frage, die sich wahrscheinlich nicht nur Brancheninsider stellen, sondern alle, die noch nicht dem Trend zur postmodernen Beliebigkeit anheim gefallen sind. Möglicherweise wollte die GSV mit der Veröffentlichung des Schmied-Interviews auf diese Tatsache hinweisen.
Doch wahrscheinlich muss man eher dem Wiener Bürgermeister die Frage stellen, warum ein Wiener Infrastrukturminister und eine Wienerin Bildungsministerin geworden ist, wo offenbar, glaubt man der Gerüchteküche, noch am Tag vor der Angelobung die Niederösterreicherin Christa Kranzl für den Job als Bildungsministerin vorgesehen war. Von der durfte man annehmen, dass sie sich als für die Bildung zuständige Landesrätin mit der Materie auskennt. Doch jetzt darf sich Kranzl als Staatssekretärin im Infrastrukturministerium mit den durchaus spannenden und zukunftsträchtigen Agenden Wasser und Luft beschäftigen. Dem Beobachter bleibt es überlassen, ob er dieses Kunststück Gusenbauers, auf einen Schlag zwei richtige Personen an den falschen Stellen einzusetzen, als bewusstes Zeichen des neuen Regierens interpretiert oder doch eher als Hinweis darauf, dass sich der neue Bundeskanzler bei der Ministerliste nicht nur von der öVP, sondern auch von den eigenen Parteifreunden über den Tisch hat ziehen lassen.

back to top