Netz, veredelt
- Written by Redaktion_Report
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Rudolf Fischer: Man muss die Frage beantworten, ob das Festnetz in der Zukunft wächst. Das ist nicht leicht zu beantworten. In den vergangenen zehn bis 15 Jahren haben wir von der Sprachtelefonie gelebt, bei einer untergeordneten Bedeutung von Datenverkehr.
Heute finden zwei Drittel der Sprachtelefonie übers Handy statt. Das war eine echte Herausforderung für uns. Ich sehe viele Möglichkeiten. Wir sind in vielen Bereichen ganz gut unterwegs - zum Beispiel im Bereich eGovernment. Aber die Killerapplikation wird das nicht. Wer sitzt schon den halben Tag am PC und spielt sich mit dem eGovernment? So wichtig das für die Verwaltungsreform ist, für einen Festnetzbetreiber bleibt die Bedeutung bescheiden. Da brauchen wir mehr: eLearning ist ein komplexes Thema im Bereich der Wissensvermittlung. eHealth ist sehr, sehr wichtig, gerade wenn wir an die Probleme einer immer älter werdenden Gesellschaft denken. Inwieweit kann man Technologie nutzen, um Menschen im fortgeschrittenen Alter zu unterstützen? Fernsehen übers Internet - IPTV - liegt als Thema schon auf dem Tisch, wo die Kupferader auf sehr interessante Weise veredelt wird.
Sicherheit ist ein zentrales Thema, wo wir neue Lösungen anbieten und noch sehr viel tun werden. Ich bin selbst überrascht, wie sehr das einschlägt. Es wird jede Menge von Zusatzangeboten geben, die sich rund um das Netz schnüren. Wir werden in fünf bis zehn Jahren eine komplett veränderte Struktur erleben, die mit den traditionellen Funktionen des Festnetzes wenig zu tun haben wird.
(+) plus: Wird man damit die Verluste in Richtung Mobilfunk bloß auffangen oder tatsächlich auf einen veritablen Wachstumskurs zurückkehren?
Fischer: Wenn man die Marktprognosen anschaut, dann sagen viele Experten ja, das bringt uns ins Wachstum. Das Potenzial ist da. Aber wann welcher Dienst abhebt, ist schwer zu sagen. Die Strategie eines Festnetzanbieters kann nur sein, die Infrastruktur zu wahren und innovativ zu gestalten. Wir müssen für den Kunden einen Mehrwert generieren, um ein Argument zu liefern, warum er diese Kupferader überhaupt behalten soll. Das kann nur funktionieren, wenn tatsächlicher Mehrwert aus der Summe der Dienste evident ist. Die reine Telefonie ist tot.
(+) plus: Der tatsächliche Vorteil des Festnetzes liegt darin, dass hohe Bandbreiten zur Verfügung gestellt werden können. Die Frage bliebt, wofür man die nutzt.
Fischer: Wir reden immer von vier, acht, dreißig Megabit. Die Frage aber ist: Wofür brauch ich’s? Noch fehlen uns die Applikationen. Wir fordern von der Contentindustrie, sich wirklich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
(+) plus: Jetzt feiert unter Experten der Begriff der Konvergenz fröhliche Auferstehung. Die Kernthese ist: Dem Nutzer ist völlig wurscht, wie er zu seinen Diensten kommt, egal ob mobil, Glasfaser, Kupfer, Wimax oder sonstwie, wichtig sind nur Verfügbarkeit, Einfachheit und der Preis. Teilen Sie diese Ansicht?Fischer: Ich glaube nicht an die Konvergenz. Freilich ist dem Kunden egal, welches Gerät er nutzt. Aber das Thema wird deshalb so strapaziert, weil man in der Industrie hofft, Synergien zu finden. Alle haben Umsatzeinbrüche und stehen unter Druck, die Kosten zu reduzieren. Verantwortliche Manager in integrierten Unternehmen wollen die Infrastruktur, um Backoffice-Leistungen zusammenzulegen, gemeinsame Dienst zu entwickeln, um einfach kostengünstiger zu werden. Wir glauben daran nicht, weil die Märkte unterschiedlich sind. Es wird immer unterschiedliche Applikationen geben. Im Mobilfunk werden nie die Bandbreiten in derselben Stabilität zur Verfügung stehen wie im Festnetz. Das ist schon rein physikalisch nicht möglich.
(+) plus: Die Bandbreiten sind immer wunderbar, solange es nur wenige Nutzer gibt. Aber wehe, sie werden von vielen genutzt.
Fischer: Ja, es ist ein shared medium. Mobilität hat ihre Funktion, aber Festnetz stiftet einen eigenen Nutzen. Wir wollen die Stärken beider Elemente auf den Märkten umsetzen.
(+) plus: Die Telekom Italia hat durch die Ankündigung, sich vom Mobilfunk trennen zu wollen, für großes Aufsehen gesorgt. Mit dem Kapital aus dem Verkauf, so die Ankündigung, wollte man aus dem Festnetz ein Multimediaunternehmen machen …
Fischer: Das hat Drei im Mobilfunk auch probiert und ist gescheitert. Man braucht beide Elemente. Was wir erlebt haben an Migration von Festnetz zu Mobilfunk, ist in einem integrierten Konzern leichter zu verdauen. Ein Segment auf sich allein gestellt hätte es schwieriger. Wir sehen das als Evolution. In den ersten 150 Jahren der Telefonie hat sich relativ wenig getan, mit dem Siegeszug der PCs, mit dem Internet, mit dem Mobilfunk hat sich im vergangenen Jahrzehnt eine Revolution vollzogen. Für uns ist die Zukunft das Internet. Es gibt keinen Umweg mehr. Die gesamte Technologie wird standardisiert auf Basis der IP-Technologie. Damit werden die Services auf der Weboberfläche gesehen.
(+) plus: Stichwort Konsolidierung: Wie viele Festnetzprovider werden übrigbleiben?
Fischer: Zu Beginn der Liberalisierung war es wichtig, den Wettbewerb zu forcieren. Aber was ist passiert? Viele Anbieter haben das Geschäftsmodell gehabt, Dienste zu einem vom Regulator festgelegten, günstigen Preis bei der Telekom Austria einzukaufen und sie dann billiger an den Endkunden weiterzugeben. Call by Call, Wholesale-Internet, das war’s dann. Wer jetzt nicht die Kurve kratzt und die Frage klärt, ob der Kern dieser Modelle Bestand haben wird, bekommt Probleme. Die Tele2 wird in fünf Jahren kein Problem haben, weil sie groß genug ist, ihr Geschäftsmodell zu überdenken. Auch die UPC wird’s machen. Aber die vielen Kleinen verlieren ihr Geschäftsmodell.
(+) plus: Drei Player bleiben also übrig?
Fischer: Auf der Ebene der Kabelfernsehbetreiber wird es immer Anbieter geben. Es wird alternative Anbieter geben, die im Bereich der normalen Kommunikationsdienste erfolgreich weiterkämpfen. Nicht jeder will höherwertige Dienste. Es wird auch Nischenplayer geben. Aber ein breitgefächerter, kleiner Anbieter hat keinen Bestand.
(+) plus: Was war die größte Enttäuschung für Sie im Festnetz?
Fischer: Die größte Enttäuschung für mich war SMS im Festnetz. Das war keine Rieseninnovation, aber verkörperte die Illusion, damit dem Mobilfunk Paroli bieten zu können. Wir haben das vor fünf Jahren eingeführt, aber das interessiert niemanden. Das war komplett unnötig.Das Zweite ist das Thema Mailboxen. Das ist im Mobilfunk Standard, im Festnetz hat das nie funktioniert.Auch die Idee der Hotspots hat sich nie so richtig durchgesetzt. Im öffentlichen Bereich WLAN-Anbindungen anzubieten, war ein Fehlschlag. Wir haben irgendwann einmal gemessen, wie viele Leute sich gleichzeitig über das öffentlich zugängliche WLAN einloggen. Das waren nur zwei oder drei Nutzer, was natürlich absurd ist, wenn man bedenkt, wie teuer die Infrastruktur ist.
(+) plus: Wie schaut die Zukunft des Fernsehens aus? Stichwort IPTV?
Fischer: Ich bin begeistert von dem Thema. Das ist eine der größten technologischen Herausforderungen. Gerade durch die Interaktivität, die dadurch gegeben ist, ist in dem Bereich sehr viel möglich.
(+) plus: Wie schaut der Fahrplan der Telekom Austria aus?
Fischer: Wir haben im März 2006 rund 1200 Kunden angeschaltet. Wir haben jetzt diesen verlängerten Marktversuch. Wir wollten wissen, wie ist der Verfügbarkeit, die Sicherheit, die Qualität. Wenn die Internetverbindung einmal abreißt, dann macht man einen Neustart. Da gibt es eine Fehlertoleranz. Aber wenn der Nutzer fernschaut, dann hat er kein Verständnis für Bildausfälle.Mittlerweile ist die Stabilität sehr gut. Wir haben sehr viel an der Contenterweiterung gearbeitet, den Video-on-Demand-Bereich erweitert. Wir haben Spartenkanäle eingefügt und Zusatzdienste - Wetter, Verkehr - eingebaut. Wir tun auch viel im Bereich von Inhalten, die direkt von den Nutzern kommen. Es gab einige Verzögerungen, etwa weil die Mpeg4-Settopboxen nicht in der angekündigten Zeit verfügbar waren. Aber wichtig ist, dass es funktioniert, wenn wir auf den Markt kommen. Zeit spielt da nicht ganz so die Rolle. Jedenfalls ist das eine der schönsten Geschichten, die die Branche entwickelt hat.