Transatlantische Freundschaft
- Written by Redaktion_Report
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Franz Hofbauer: Was den Merger mit Lucent betrifft, ist die Freude ungetrübt. Aber wir zahlen in österreich auch unseren Preis, weil wir den sehr gut funktionierenden Eisenbahnsicherungssektor abgeben müssen. Das schmerzt. Anfang des Jahres wurde dieser Teil an Thales übertragen.
(+) plus: ändert sich an der rechtlichen Organisation etwas?
Hofbauer: Nein, daran nicht, aber die interne Organisation ändert sich. Wir sind Teil einer organisatorischen Einheit, die heißt Central-Europe. Dazu gehören die Schweiz, Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei. Die Hauptverwaltung sitzt in Wien. Die zentraleuropäischen Ländern kriegen dadurch eine wesentlich höhere Bedeutung.
(+) plus: Jetzt bringt der Merger in der globalen Perspektive natürlich gewaltige Synergien, er bedeutet aber gleichzeitig einen Kulturschock. Wenn Amerikaner auf Franzosen treffen, dann geht das nie friktionsfrei ab. Wie ist da die Befindlichkeit des Unternehmens?
Hofbauer: Das ist hochinteressant. Wenn wir 122 Jahre zurückgehen, dann waren wir rein österreichisch. 1905 waren wir amerikanisch mit Western Electric. 1925 wurden wir zur ITT. Bis 1986 waren wir eine amerikanische Firma, ehe wir eine französische geworden sind. Jetzt sind wir ein Mischmasch. Ich finde das gut, wenn stärkere amerikanische Managementphilosophie in den Konzern kommt. Alcatel war ein rein nach französischen Vorstellungen geführter Konzern und das hat in manchen Teilen der Welt nicht so gepasst. Wenn Serge Tscheruk etwas gesagt hat, dann hat der liebe Gott gesprochen. Da hat man nicht widersprochen. Bei Meetings hat der Ranghöchste das Wort geführt und man hat ihn nicht korrigiert. Die ersten Meetings mit den Amerikanern habe ich schon wieder sehr erfrischend gefunden.
(+) plus: Wie wirkt sich das auf die Situation in österreich aus?
Hofbauer: Wir sind da sehr flexibel. Wir haben mit den Franzosen gut gekonnt, sie sind sehr gern nach Wien kommen, waren sehr intellektuell und kulturell interessiert. Das war für uns österreicher immer leichter als für die Deutschen, die eher ein Problem haben, Franzosen als Chefs zu akzeptieren. Wir österreicher können uns das sowieso nie aussuchen.
(+) plus: Was ist aus Ihrer Sicht aus dem Lucent-Portfolio am wichtigsten?
Hofbauer: Wir sind mitten im Portfoliovergleich. Da ist sehr viel Detailarbeit notwendig. Die erste Erkenntnis ist, dass wir in österreich kurzfristig nichts ändern müssen.
(+) plus: Alcatel war ja Netzlieferant der tele.ring und daher vom Verkauf an T-Mobile sehr betroffen.
Hofbauer: Ja, da ergeben sich ganz neue Aspekte. Mich hat sehr gefreut, dass sich die an sich schwierige Ausgangssituation für das Jahr 2006 zum Positiven gedreht hat. T-Mobile hat sich nach der übernahme sehr fair verhalten. Jetzt haben wir wesentlich mehr Anknüpfungspunkte. Die offenen Aufträge wurden professionell abgewickelt. Wir haben Aufträge im Servicebereich bei T-Mobile gewonnen. Im Hardwaregeschäft waren wir sehr aggressiv, aber Siemens hat sich den Kunden nicht wegnehmen lassen. Wir wollten unbedingt hinein, Siemens wollte den Kunden unbedingt halten. T-Mobile war der lachende Dritte. Noch wichtiger ist die mobilkom, weil sie Teile des Netzes von tele.ring gekauft hat, um es in Osteuropa zu verwenden. Dadurch haben wir dort eine Stellung, die wir vor einem Jahr nicht hatten. Die Situation für uns hat sehr viel Charme.
(+) plus: Auch in Deutschland ergeben sich neue Chancen, nachdem ja das Management von tele.ring zu EPLUS gewandert ist und ihr Team jetzt das Outsourcing bei EPLUS anbietet.
Hofbauer: Das ist ein Projekt, das von österreichern betrieben wird. Dass wir dort anbieten können, hat natürlich mit den jahrelangen exzellenten Kontakten mit den jetzigen EPLUS Managern zu tun.
(+) plus: Auslandsaufträge werden aber nicht über österreich fakturiert?
Hofbauer: Nein, sicher nicht. Aber das ist Teil meiner Message an unsere Mitarbeiter. Es ist nicht mehr unser Ziel, dass einzelne rechtliche Einheiten fast in Konkurrenz zueinander versuchen, ihren Landesteil auszuweiten. Jetzt sehen wir das aus der Perspektive des Gesamtkonzerns. Das ist ein neuer Ansatz durch den Merger mit Lucent.
(+) plus: Wie lässt sich dann der Erfolg der heimischen Organisation messen?
Hofbauer: Neben dem Erfolg in österreich ist auch der in Zentraleuropa wichtig. Mehrere Mitarbeiter der Geschäftsleitung der Alcatel Lucent Austria haben jetzt formal die Verantwortung für ihre jeweilige Funktion für alle sechs zentraleuropäischen Länder übernommen. Dies gilt für die Services, den Presales-Bereich sowie für die Finanzen. Wir haben mehr Verantwortung. Wie wir mit der Arbeit zurechtkommen, wird sich zeigen. Wir können unsere Ressourcen besser einsetzen. Der Telekommarkt in Polen, in Tschechien, in der Slowakei, in Ungarn hat natürlich höhere Wachstumsraten als der heimische Markt. Da ist es natürlich, dass wir zunehmend Projekte in diesen Ländern haben. Die Länderschranken sind weniger wichtig.
(+) plus: Aber Umsatz und Ertrag bleiben ja Messgrößen. Das ist auf Länderebene leichter darstellbar als bei übergreifenden Projekten. Wie geht Alcatel-Lucent hier vor?
Hofbauer: Eine wesentliche Frage, aber: Wir sind nicht die Muttergesellschaft der zentraleuropäischen Töchter. Das ist anders als bei Siemens. Wir wurden schon in den vergangenen Jahren gemessen am Länderumsatz. Wenn NextiraOne etwa eine Anlage verkauft hat, wurde das von Paris aus an Nextira verrechnet, von Nextira an den Endkunden. Der Umsatz wurde statistisch uns zugerechnet. Das war die Erfolgmessgröße. Gewinn war nicht so sehr die Messgröße, weil da kommt man ja sehr rasch zur Transferpreisproblematik. Hier wurde schon bisher der End-to-End-Margin gemessen. Die industrielle Seite und die Vertriebsseite wurden zusammengerechnet. Es gab eine gemeinsame Verantwortung. Wenn die Produktion zu teuer war und wenn wir zu billig angeboten haben, dann haben beide Seiten darunter gelitten. Wir haben jetzt ein komplexeres System, eine Art Matrix aus Sparten und Regionen. Wie das praktisch funktioniert, werden wir in ein paar Monaten sehen.
(+) plus: Wenn Sie sich die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre anschauen, was war für Sie die größte überraschung und was die größte Enttäuschung?
Hofbauer: Wir sind das Unternehmen, das in dieser Zeit am radikalsten In- und Outsourcing betrieben hat. Vor zehn Jahren hatten wir noch mehr als 2000 Mitarbeiter. Wir hatten noch eine Fabrik. Wir haben Produktion, Logistik und so weiter ausgelagert. Wir haben klar definiert, was unser Kernbereich ist. Wir haben ausgelagert und uns auf Servicetätigkeiten konzentriert. Wir haben die Servicemannschaft der ABB übernommen und damit tele.ring als Kunden betreut und dann den vielbeachteten Outsourcing-Vertrag mit One abgeschlosssen. Wir haben radikal unsere Skills umgeschichtet. Wir haben radikal restrukturiert. Gleichzeitig haben wir die Mannschaft und das Managementteam verjüngt. Das hat vieles möglich gemacht. In der Struktur von vor zehn Jahren wären die heutigen Geschäftserfolge nicht möglich gewesen. Wir haben uns frühzeitig auf Breitbandthemen konzentriert, auf Next Generation Network. Wir haben uns von Dingen verabschiedet zu einem Zeitpunkt, da die immer noch sehr gut funktioniert haben. Das hat uns eine neue Zukunft eröffnet.
(+) plus: Wie sieht Ihre persönliche Planung aus?
Hofbauer: Ich habe einen Vertrag bis April 2008, den werde ich mit großer Freude erfüllen.