"Mein Mann hat sich zum Glück nie eingemischt"
- Written by Mag. Angela Heissenberger
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Das Leben hat es nicht immer gut gemeint mit Doris Felber. Doch sie gab nie auf, zog vier Kinder groß und baute eine Bäckereikette auf. Über den Blick der Frauen für das Wesentliche, ihren geheimen Berufswunsch Bürgermeisterin und warum sie jetzt auch Suppen verkauft, erzählt die Unternehmerin im Report(+)PLUS-Interview.
(+) plus: Sie kommen aus einer Bäckerfamilie. War es Ihnen vorgegeben, in dieser Branche zu arbeiten?
Doris Felber: Eigentlich nicht. Als ich jung war, wollte ich unbedingt in ein Hotel in die Schweiz gehen. Dann habe ich geheiratet: Mein erster Mann war Geschäftsführer in der Raiffeisenkasse in Orth an der Donau. Mein Bruder blieb zu Hause in der Landwirtschaft und ich begann in der Bäckerei meiner Tante in der Buchhaltung. Später habe ich in Niederösterreich Resch & Frisch aufgebaut. Das hat mir eigentlich sehr gut gefallen. Nach der Scheidung habe ich beim Willi Dungl durch Zufall einen Bäcker kennengelernt – meinen jetzigen Mann.
(+) plus: Damals sind Sie aber nicht gleich in sein Unternehmen eingestiegen. Wollten Sie Privates und Berufliches nicht vermischen?
Felber: Er lebte zwar von seiner Frau getrennt, sie war aber noch in der Firma tätig. Bei meiner Tante war ich mein eigener Herr und konnte viel mitbestimmen. Wie hätte das mit seiner Ex-Frau gehen sollen? Schließlich habe ich mich mit ihr zusammengesetzt und ein Angebot gemacht. Sie hat es angenommen und ist aus dem Betrieb ausgeschieden.
(+) plus: Wie haben Sie es geschafft, vier Kinder großzuziehen und ein Unternehmen zu führen? Hatten Sie Unterstützung?
Felber: Zwei Kinder mit fünf und sechs Jahren hatte ich in die Ehe mitgebracht. Als dann meine Tochter geboren wurde, habe ich sie zuerst überall mitgenommen – ins Büro, ins Geschäft, zu Kunden. Nach einem Jahr wurde mir das alles zu viel und wir haben ein Kindermädchen gesucht.
(+) plus: Ihr ältester Sohn verunglückte mit 21 Jahren schwer, Sie mussten selbst um Ihre Gesundheit kämpfen. Was hat Ihnen Kraft gegeben, trotz dieser Schicksalsschläge weiterzumachen?
Felber: Vor neun Jahren hatte ich ein Aneurysma. Seither mache ich jedes Jahr eine Kur: Ayurveda hat mich in meine Firma zurückgebracht. Mein Mann musste mir versprechen, das Geschäftliche von Zuhause fern zu halten. Das gelingt ihm nicht immer, vor allem wenn er sich ärgern musste. Wenn es mir zu viel wird, sage ich »Stopp«.
(+) plus: Wie haben Sie die Arbeit untereinander aufgeteilt?
Felber: Mein Mann ist inzwischen in Pension, hilft mir aber sehr viel. Momentan bäckt er sehr gerne in den Filialen, besonders am Sonntag. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Gerade hat er ein Holzofenbrot entwickelt, für das wir eigene Holzöfen gekauft haben. Das ist sein Metier, da kenne ich mich zu wenig aus.
(+) plus: Unter Ihrer Führung wurde das Filialnetz im Laufe der Jahre stark ausgebaut. Wollten Sie das Unternehmen ursprünglich so groß machen?
Felber: Das war nicht geplant. Mein Mann hat sich da zum Glück nie eingemischt. Ich betreue alle Filialen selbst und wenn eine gut geht, habe ich schon wieder eine Idee für eine neuen Standort. Bei einem großen Unternehmen ist alles anders. Die Organisation, die Belieferung, die Verwaltung – man muss alles neu überdenken. Ich habe das Gefühl, ich muss jedes Jahr von vorne anfangen.
(+) plus: Was ändert sich so stark?
Felber: Die Nachfrage der Kunden ändert sich ununterbrochen. Das Rad dreht sich immer schneller. Wenn man nicht ständig dran bleibt, erwischt man den Ball nicht mehr. Angefangen von Allergien und Ernährungstrends bis zu Essensgewohnheiten – es wird zum Beispiel immer mehr außer Haus gegessen.
(+) plus: Gerade in Wien ist die Konkurrenz, auch durch Backshops in Supermärkten, sehr stark. Wie können Sie sich dagegen behaupten?
Felber: Man braucht wirklich gut geschulte, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Spaß am Arbeiten haben. Wenn alles schön hergerichtet ist, hat man einfach Freude daran. Und die Qualität muss natürlich zu 100 % stimmen.
(+) plus: Es gibt wieder einen Trend zum ehrlichen Handwerk. Schätzen die Kunden das?
Felber: Ich finde es ganz wichtig, die Kunden einzubinden. Wir machen jedes Jahr eine Brot- und Weinverkostung am Dachboden des Wiener Stephansdoms. Diesmal baten wir die Gäste dort zu einem Voting, bei dem das Kürbiskernbrot am besten abschnitt. Unsere Kürbiskerne sind aber auch wirklich ein Gedicht! Die kommen aus dem Waldviertel und riechen schon so gut. Im Oktober ist deshalb das Kürbiskernbrot gleich unser »Brot des Monats«.
(+) plus: Einen großen Teil des Sortiments nehmen inzwischen auch Snacks ein. Entfernen Sie sich damit nicht vom Kerngeschäft?
Felber: In den Wohnbezirken verkaufen wir schon noch vorwiegend Brot, Gebäck und Mehlspeisen. Aber in der Stadt, gerade auf Bahnhöfen oder bei U-Bahnstationen, ist der Snack-Bereich sehr stark. Niemand schleppt sich hier mit einem Brot ab. Mittlerweile bieten wir auch frische Suppen an, die wir selbst produzieren. Wir haben lange nach geeigneten Behältern gesucht. Natürlich wollte ich nachhaltige Becher haben, Gläser wären sogar noch schöner. Wenn die Suppe aber sechs Euro kostet und die Kunden müssen das Glas auswaschen und wieder zurückbringen, rechnet sich der Aufwand nicht. Wir haben auch Recycling-Kaffeebecher ausprobiert. Die hupfen aber im Geschirrspüler herum, weil sie viel zu leicht sind.
(+) plus: Muss man stets neue Kreationen liefern, um am Markt bestehen zu können?
Felber: Ich gehe immer davon aus, was ich als Kundin gerne hätte. Manchmal wünscht man sich eben ein bisschen Abwechslung. Deshalb probieren wir immer wieder etwas Neues. Nur der Weintraubenstrudel kam bei den Kunden nicht so gut an.
(+) plus: Würden Sie sagen, Frauen führen ein Unternehmen anders?
Felber: Früher habe ich immer gesagt, es ist egal, ob ein Mann oder eine Frau führt. Aber inzwischen glaube ich, dass Frauen einen Blick für das Wesentliche haben. Ich sehe das bei meinen Söhnen – die schauen zu und überlegen, während ich schon längst anpacke.
(+) plus: Wie schwierig ist es, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden?
Felber: Muss ich die Frage beantworten? Es ist ein Albtraum. Den Leuten wurde die Selbstständigkeit entzogen. Sie können mit Geld nicht umgehen oder auf etwas verzichten. Bevor sie ihr Handy hergeben, gehen sie lieber bloßfüßig.
Gleichzeitig wird es den Unternehmern immer schwerer gemacht. Der Bürgermeister der Gemeinde Bisamberg hat mich gefragt, ob ich einen Flüchtling anstellen könnte – ein Syrer, der gerne Bäcker lernen möchte. Der hat eine Frau und zwei Kinder und müsste mit den 400 Euro Lehrlingsentschädigung seine Familie versorgen. Wenn er in der Nacht arbeitet, braucht er außerdem ein Auto. Das kann sich nicht ausgehen.
Mit der Wirtschaftskammer habe ich deshalb eine Lösung überlegt: Ich zahle ihm den niedrigsten Hilfsarbeiterlohn, das sind 1.500 Euro brutto plus Mehrstunden. Er lernt bei uns den Beruf von der Pike auf und wir stellen extra für ihn einen Mitarbeiter zur Verfügung, der ihn unterstützt. In eineinhalb bis zwei Jahren darf er eine außerordentliche Bäckerprüfung ablegen und wird dann normal in den Betrieb eingegliedert. Ich habe alle möglichen Stellen wegen einer Unterstützung abgeklappert, damit ich den Mehraufwand für diese Zeit ausgleichen kann. Keine Chance: Mittlerweile glaube ich, man will diese Leute gar nicht integrieren.
(+) plus: Wird eines ihrer Kinder in den Betrieb einsteigen?
Felber: Mein jüngster Sohn ist 15 und will einmal die Bäckerei übernehmen. Ich warte also noch zwei, drei Jahre. Wenn er dann wirklich noch Interesse hat, muss er zwei Berufe erlernen. Man weiß ja nie, was einmal kommt.
Meine Tochter sagt immer, sie will die Firma nicht, aber das glaube ich ihr nicht ganz. In meinen Augen wäre sie die Geeignetste. Sie hat ein Gespür und einen Geschmackssinn und bäckt mit viel Liebe – nur Geschirr abwaschen muss ich. Natürlich hängt mein Herz an der Firma. Aber ich finde es ganz wichtig, dass die Kinder auch etwas anderes machen.
(+) plus: Sie wollten als Kind ja gerne Bürgermeisterin werden. Was würden Sie verändern, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?
Felber: Das Politische hat mich immer gestört. In einer Gemeinde sollte man die Politik beiseite lassen: Da geht es um die Menschen und ihre Bedürfnisse. Streitereien und Parteifarben interessieren niemand. Im 21. Jahrhundert sollte man endlich fähig sein, friedlich miteinander zu leben.
Zur Person
Doris Felber, 1962 geboren und in Groß-Enzersdorf aufgewachsen, stammt aus einer Landwirts- und Bäckerfamilie. Sie absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete zwölf Jahre in der Bäckerei Müller & Gartner bei ihrer Tante. In dieser Zeit baute sie das Unternehmen Resch & Frisch in Niederösterreich auf.
Ihr zweiter Mann, Franz Felber, hatte 1977 den elterlichen, 1957 gegründeten Betrieb Felberbrot übernommen. Seit 1998 wird das Unternehmen von Doris Felber geführt. Unter dem Slogan »Der Felber bäckt selber« erweiterte die vierfache Mutter die Firma auf 50 Filialen und beschäftigt rund 450 MitarbeiterInnen. 2016 wurde sie als Unternehmerin des Jahres ausgezeichnet.