Überlebenskünstler
- Written by Mag. Angela Heissenberger
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Allen Unkenrufen zum Trotz ist das Buch nicht tot, sondern erfindet sich immer wieder neu. Rosig geht es dem Buchhandel trotzdem nicht – aber in kaum einer Branche tummeln sich so viele Idealisten.
Zu Weihnachten ist im Buchhandel die Welt in Ordnung. Fast jede bzw. jeder zweite ÖsterreicherIn wird heuer Bücher verschenken, noch beliebter sind nur Gutscheine. 22 % freuen sich auch selbst über Bücher unter dem Baum. Ein Land der Leseratten ist Österreich dennoch nicht: Das restliche Jahr über bleibt es in den Buchhandlungen ruhig. Laut einer Marktanalyse von RegioPlan überstieg der Umsatz im Dezember 2015 den Umsatz eines durchschnittlichen Monats um 92 %.
Viele Informationen, für die man früher in einem Buch nachschlug, stehen heute in Sekundenschnelle via Internet zur Verfügung. Lexika und Wörterbücher verwendet kaum noch jemand, selbst Reiseführer und Straßenkarten haben ausgedient – dafür gibt es schließlich das Navi. Zu schaffen macht der Branche aber vor allem die massive Konkurrenz. Allen voran der Online-Händler Amazon; jedoch auch von branchenfremden Seiten: Supermärkte verkaufen Liebesromane, Einrichtungshäuser haben Design- und Kochbücher im Sortiment und im Gartencenter gibt es Fachliteratur zu Pflanzen und Haustieren. Auf den klassischen Buchhandel entfallen in Deutschland nur noch 48 % des Branchenumsatzes. Für Österreich liegen keine vergleichbaren Zahlen vor, das Verhältnis dürfte aber ähnlich sein: 2015 setzte die Branche rund 730 Millionen Euro um, Tendenz fallend. Von 2011 bis 2014 gingen die Umsätze um 6,9 % zurück, die Verkaufsflächen schrumpfen.
Stilles Sterben
Echte Buchgeschäfte verschwinden still von der Bildfläche. So sperrten im Vorjahr mehr als 20 österreichische Buchhändler zu. Frick schloss heuer drei seiner Standorte, darunter die Filiale in der Wollzeile. Ende des Jahres gibt mit der Buchhandlung am Schottentor ein weiterer Händler in der Wiener Innenstadt auf. Im Gegensatz zu Onlinehändlern und großen stationären Handelsketten können Einzelhändler kaum günstiger einkaufen, da sie oft nur wenige Exemplare eines Buches bestellen. Die Buchpreisbindung legt zwar einen Mindestverkaufspreis fest; zu welchen Konditionen die Händler von den Verlagen kaufen, ist aber nicht geregelt. Großhändler können bei Bestsellern, die den Großteil der Umsätze liefern, Rabatte bis zu 50 % herausholen. Die Margen der kleinen Geschäfte fallen entsprechend bescheiden aus. Nach einer Studie der Kepler Universität Linz, erstellt im Auftrag des Hauptverbandes des österreichischen Buchhandels, stiegen zwischen 2005 und 2015 die Mieten und Betriebskosten um 40 %, die Personalkosten um 44 %; die Buchpreise legten dagegen nur um 7,2 % zu.
Ein weiteres Problem ist die Breite des Sortiments. Allein im deutschsprachigen Raum kommen jährlich rund 90.000 neue Titel auf den Markt, die österreichischen Verlage publizierten im Vorjahr 8.804 Neuerscheinungen. Diese Fülle in einem Geschäft anzubieten, ist unmöglich. Manche Buchhändler suchen sich deshalb bewusst eine Nische wie Gesundheit oder Film und entwickeln sich zur ersten Adresse für ein spezifisches Fachpublikum. Nicht jeder Standort verträgt eine derartige Einengung, zumal Kunden ein gut gewähltes Sortiment sehr wohl zu schätzen wissen und besonders Neuerscheinungen, die in den Medien sehr präsent sind, verstärkt nachfragen. »Im Internet ist man trotz Kaufvorschlägen meist verloren. Genau dafür sind wir da, um den Menschen zum individuell passenden Lesevergnügen zu verhelfen«, sagt Klaus Seufer-Wasserthal von der Rupertus Buchhandlung in Salzburg. Kompetente Buchhändler sind so belesen wie Literaturprofessoren, erzählen den Inhalt wichtiger Standardwerke und Neuerscheinungen aus dem Stegreif und können Kunden passende Bücher empfehlen – ganz ohne Algorithmus.
Eine andere Überlebensstrategie ist, mehrgleisig zu fahren. Der Buchladen ist dann auch ein Café mit Wohnzimmeratmosphäre, ein Plattengeschäft, eine Galerie oder ein Kochstudio. Veranstaltungen wie Lesungen oder Literaturzirkel helfen ebenfalls, neues Publikum in das Geschäft zu locken und zum Lesen zu animieren. Den persönlichen Kontakt und Austausch suchen immer mehr Menschen. Die Buchhandlung wird zum Rückzugsort, der Buchhändler zum vertrauten Gesprächspartner –über Bücher und über das Leben.
Wie wichtig es ist, schon bei Kindern die Leselust zu wecken, weiß Franziska Schweizer nur zu gut. Sie erfüllte sich 2013 ihren Traum und eröffnete in der Neulerchenfelder Straße in Wien den Kinderbuchladen pippilotta, wo sie auch Lesestunden für Schulen und Kindergärten sowie Comic-Workshops veranstaltet. Im Multi-Kulti-Bezirk Ottakring angesiedelt, dürfen fremdsprachige Bücher im Sortiment nicht fehlen; bestellt werden auf Wunsch auch Bücher für Erwachsene.
E-Book als Gefahr
Um sich gegen die Onlinekonkurrenz zu wehren, bieten viele Buchhandlungen inzwischen einen 24-Stunden-Bestellservice an. Schneller schafft es auch der deutsche Versandriese nicht und billiger aufgrund der Buchpreisbindung schon gar nicht: Bücher kosten überall gleich. Herumgesprochen hat sich das bei der breiten Masse aber nicht wirklich. Buchhändler sind deshalb auch engagierte Mitstreiter für Regionalität und Nahversorgung.
Im Jahr 2014, als Amazon wegen schlechter Arbeitsbedingungen in Misskredit geriet, kauften viele Menschen wieder bewusst in stationären Buchgeschäften. »Wir haben viele Kunden dauerhaft gewonnen, vor allem unser Webshop hat großen Zulauf. Es ist dort das gleiche Procedere wie bei Amazon, geht schnell und kostet nicht mehr«, bestätigt Petra Hartlieb, die in Wien zwei Buchhandlungen betreibt. Sorgen bereitet ihr jedoch die zunehmende Verbreitung des E-Books: »Sollte das solche Ausmaße annehmen wie in den USA, wo bereits ein Viertel aller Bücher als E-Book gelesen wird, wird es für Buchhandlungen sehr schwierig. Es gibt dann keinen Grund mehr, in ein Geschäft zu gehen, weil man alles herunterladen kann.« Streaming-Dienste knabbern gleichzeitig an der Sparte Hörbuch, die dem Handel noch vor wenigen Jahren ein Umsatzplus bescherte.
Zu kämpfen haben damit auch große Ketten wie Thalia, die nach Jahren übereilter Expansion, die viele kleine Händler den Kopf kostete, auf die Bremse stieg und einige Filialen schloss oder verkleinerte. Im Sommer 2016 übernahm der Verleger Manuel Herder den Konzern mit 280 Standorten – pikanterweise hatte vor 20 Jahren auch Herders Vater seine Geschäfte an Thalia verloren. In Österreich führt die Kette 35 Standorte mit rund 850 Mitarbeitern. 40 % des Umsatzes werden allerdings nicht mit Büchern, sondern mit branchenfremden Artikeln erzielt: Geschenkartikel, Spielzeug, Backmischungen. Mit dem Ausbau des Onlinehandels und einem deutlichen Plus bei E-Books sei heuer der Konzernumsatz um 3 % gestiegen, so Herder. Mit dem Tolino bietet man Amazon und dessen E-Reader Kindle überraschend deutlich Paroli. Thalia sei »anfällig dafür, Amazon zu imitieren«, befindet jedoch Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autoren, der die zunehmende Abschottung des Konzerns kritisiert. So unterbindet Thalia künftig die Besuche der Handelsvertreter, die üblicherweise zweimal jährlich die Neuerscheinungen präsentieren – insbesondere für kleine Verlage die einzige Chance, ins Sortiment zu gelangen. Für Unverständnis sorgte auch eine andere Entscheidung der Handelskette: Seit dem Herbst rundet Thalia Österreich die Preise für Bücher auf den jeweils nächsten 90-Cent-Betrag auf. Die »für den Handel ungewohnten und unrunden Preise« wie etwa 20,60 Euro wurden somit leicht erhöht – und bleiben weiter »unrund«.