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"Man muss nicht lustig sein"

Weitverbreiteter Irrtum. »Man muss bei öffentlichen Reden nicht witzig sein. Ich kenne großartige Redner, die sind gar nicht lustig. Sie fesseln das Publikum mit ihren Inhalten.« (Foto: Freiaum Kommunikation) Weitverbreiteter Irrtum. »Man muss bei öffentlichen Reden nicht witzig sein. Ich kenne großartige Redner, die sind gar nicht lustig. Sie fesseln das Publikum mit ihren Inhalten.« (Foto: Freiaum Kommunikation)

Elf Jahre lang weckte Ö3-Wecker-Moderatorin Daniela Zeller die Nation. Jetzt bringt sie Menschen als Stimmtrainerin richtiges Atmen und Sprechen bei. Über die falsche Sprechtechnik unserer Politiker, unterschiedliche Redetypen und warum viele Menschen ihre eigene Stimme nicht mögen, erzählt sie im Report(+)PLUS-Interview.

(+) plus: Ich möchte gerne den Wahlkampf Revue passieren lassen. Wer hat sich aus Ihrer Sicht als Kommunikations- und Stimmtrainerin gut präsentiert, wer weniger gut?
Daniela Zeller: Grundsätzlich könnten alle Spitzenkandidaten mehr an ihrer Stimme und der Atemtechnik arbeiten. Denn wenn die Stimme frei ist, müsste man manchmal gar nicht so draufdrücken. Unter Stress wird der Atem gepresster und die Stimme eng. Das merkt man zum Beispiel Michael Spindelegger oder Eva Glawischnig oftmals an. Eine richtig gute Stimm- und Atemtechnik hat keiner der Spitzenkandidaten. Bei Heinz-Christian Strache kommt noch dazu, dass er durch das Schreien sogar oft heiser wird. Das ist für die Stimme natürlich alles andere als gut.

(+) plus: Viele Kommentatoren meinten, Frank Stronach habe seine anfänglich guten Umfragewerte durch die TV-Auftritte verspielt. Woran liegt es, dass jemand im persönlichen Gespräch sympathischer wirkt als am Bildschirm?
Zeller: Manche Menschen sind schon von vornherein telegener als andere. Das ist einfach so. Wenn jemand öffentlich spricht und aufgeregt ist, weil er es besonders gut machen möchte, treten außerdem emotionale und körperliche Fehlspannungen in Kraft. Dann fließt der Atem nicht mehr so natürlich, die Körpersprache ist verkrampft und manche Menschen sagen dann Dinge, die sie in entspannter Situation niemals sagen würden.

(+) plus: Fällt allen das persönliche Gespräch leichter als vor Publikum?
Zeller: Wir unterscheiden vier Redetypen, jeder davon mag ein unterschiedliches Setting. Der erste ist der dominante Redner: Das sind Menschen mit großer Gestik, lauter Stimme und sehr linearer Sprache. Sie lieben das große Publikum, sprechen aber ungern mit einer einzelnen Person, sie haben gerne etwas Distanz und wirken gut hinter einem Rednerpult. Der zweite Redetyp sind die lebendigen Redner: Sie machen sehr viele Bewegungen, sie sprechen mit dem ganzen Körper. So ausgeprägt wie die Mimik und Gestik sind, wird auch die Sprache sehr melodisch. Diese Menschen sprechen sehr spontan, in vielen Bildern und Beispielen, verzetteln sich auch manchmal. Sie lieben ein mittelgroßes Publikum, weil sie da auch die Reaktion der Zuhörer sehen können.

Der dritte Typ sind die empathischen Redner: Sie machen kleine Schritte, verwenden durchaus viele, aber kleine Gesten. Diese Menschen haben eine sehr ausgeprägte Mimik. Sie sprechen mit leiserer Stimme und sind im Vier-Augen-Gespräch und vor kleinen Gruppen besonders gut. Dann gibt es noch den Typ des sachlichen Redners: Diese Menschen bewegen sich sehr wenig, manche gar nicht. Sie brauchen das aber auch nicht. Sie stehen ganz ruhig, die Mimik ist nicht sehr ausgeprägt. Auch die Sprache ist sehr linear. Sachliche Redner sprechen nicht in Bildern, sondern in Zahlen, Daten und Fakten. Sie lieben die Vorbereitung, nicht das Spontane.

Jeder Mensch kommt aus einer dieser vier Richtungen. Wenn man seinem Redetyp nicht treu bleibt, sondern als sachlicher Redetyp plötzlich viel herumgeht und mit den Armen rudert, merken die Zuhörer, dass hier etwas nicht stimmt. Man muss authentisch bleiben.

(+) plus: Gerade bei Politikern hat man oft das Gefühl, sie seien »übertrainiert«. Wann ist es zu viel des Guten?
Zeller: Sie müssen vermeiden, etwas zu spielen. Was ist meine Botschaft, welche Inhalte bringen wir, was könnte das Gegenüber sagen – das muss selbstverständlich trainiert werden. Wovon ich aber extrem abrate, ist eine völlige Wandlung, etwa in der Art:  Du musst mehr wie ein Macher rüberkommen. Ich würde dafür an der Deutlichkeit der Aussprache arbeiten, am Atmen – das wird am häufigsten unterschätzt – und an der Lockerheit des Körpers. Wenn jemand souverän atmet, eine natürliche, körperliche Präsenz hat und inhaltlich sattelfest ist, dann ist er unschlagbar.

(+) plus: Das Sprechen vor Publikum fällt vielen Menschen schwer. Wie kann man die Angst vor solchen Auftritten verringern?
Zeller: Indem man zuerst der Angst auf den Grund geht. Ich betreute einmal einen Kunden, der unter großem Lampenfieber litt. Wie wir herausfanden, hatte das aber gar nichts mit seiner jetzigen Situation zu tun. Er war ein dickes Kind und wurde immer ausgelacht. Irgendwo in ihm drin war ein Teil noch immer zwölf. Wenn ich mir dieser Blockaden bewusst werde, ist das schon ein erster Schritt. Die Menschen bekommen von mir Tools, zum Beispiel: Wie stehe ich richtig da? Was mache ich mit den Händen? Wann mache ich Pausen? Was kann ich tun, damit die Stimme nicht wegkippt oder kratzig klingt? Wo soll ich hinschauen? Und wenn man lernt, diese Werkzeuge einzusetzen, bekommt man Sicherheit. Die Menschen merken, sie sind nicht ausgeliefert, sie können aktiv etwas tun.

Was sehr gut hilft, sind Atemübungen. Der Atem ist ganz eng mit unserem vegetativen Nervensystem verknüpft. Wenn ich tief und ruhig atme, bekommt der gesamte Körper das Signal: Es geht mir gut, ich bin ganz ruhig. Außerdem sollte man jede Gelegenheit ergreifen, etwas zu sagen – in Diskussionen oder bei Präsentationen, auch wenn nur drei Personen am Tisch sitzen. Den Mut haben, über den eigenen Schatten zu springen und die eigenen Grenzen zu öffnen. Dann kommt auch irgendwann die Routine.

(+) plus: Muss man schlagfertig und witzig sein, um vor Publikum punkten zu können?
Zeller: Man muss präsent sein, sich einlassen auf die Situation. Aber man muss überhaupt nicht witzig und schlagfertig sein. Manche Menschen haben Angst vor öffentlichen Reden, weil sie glauben, etwas liefern zu müssen, damit die anderen lachen. Ich kenne großartige Redner, die sind überhaupt nicht lustig. Sie fesseln einfach, weil sie hinter den Inhalten stehen, und weil sie es schaffen, einen guten Kontakt zum Publikum aufzubauen. Und das reicht.

(+) plus: Frauen in Führungspositionen werden besonders kritisch beobachtet – wie sie sich kleiden, wie sie argumentieren, wie sie kommunizieren. Wie können Frauen souveräner wirken?
Zeller: Da bin ich wieder beim Atem. Gerade wenn eine Frau sehr kurzatmig ist, wird auch die Stimme meist höher. Und eine Piepsstimme kommt bei den meisten Menschen nicht gut an. Wenn man die Tiefen in der Stimme nicht hört, die Stimme nicht frei ist, wirkt man nicht souverän. Ich rate jeder Frau, zunächst an einem guten Stand zu arbeiten, den Körper durchlässig zu machen, um nicht so angespannt zu wirken und zu sein. Dann wird man automatisch lockerer. Ich rate besonders Frauen, ruhig zu atmen. So wirkt die gesamte Person ruhiger und kompetenter. Wichtig ist auch, Punkte und Pausen beim Sprechen zu machen. Dieses aufgeregte Sprechen nimmt man Frauen oftmals übel. Die Aufgeregtheit nimmt Kompetenz, Souveränität, Klarheit, Belastbarkeit und den Standpunkt.

(+) plus: Ist die tiefere Stimme der Männer bereits ein Vorteil, egal was sie sagen?
Zeller: Jeder Mensch hat in seiner natürlichen Stimme Höhen und Tiefen. Die höheren Töne drücken Freundlichkeit, Liebenswürdigkeit, Begeisterung, Innovationskraft, Kreativität und auch Sanftmut aus. Die tieferen Bereiche jeder Stimme drücken Ruhe, Kompetenz, Souveränität und Erfahrung aus. Durch Fehlspannungen wird unsere natürliche Stimme eingeschränkt – diese können beispielsweise in der Bauchdecke, im Kiefer, im Schulterbereich, im gesamten Gesicht sein; es gibt aber auch emotionale Fehlspannungen wie Aufregung. Der Handlungsspielraum der Stimme wird dadurch geringer. Es ist nur noch ein ganz kleiner Teil der Stimme zu hören, meistens fehlen die tiefen Bereiche. Deshalb klingen gerade Frauen, deren Stimme ohnehin schon von Natur aus höher ist, dann gleich so, als könnten sie nicht bis drei zählen. Und das ist schade.

(+) plus: Erleben Sie manchmal, dass Menschen ihre Stimme nicht so gerne mögen?
Zeller: Ganz oft. Viele Menschen erschrecken, wenn sie ihre Stimme im Radio oder Fernsehen oder auf einer Aufnahme hören. Wir hören unsere Stimme über zwei Leitungen: über die Luftleitung und über die Knochenleitung. Über die Knochenleitung hören wir, wenn wir selbst aktiv sprechen. Die Schallwellen werden über die Knochen übertragen. Unsere Luftleitungsstimme hören wir, wenn wir uns auf einer Aufnahme hören – und so hören uns auch die anderen. Sehr viele Menschen mögen ihre Stimme nicht. Aber wenn die Stimme freier wird, weil wir die Fehlspannungen beseitigt haben, können diese Menschen ihre Stimme auch besser annehmen.

(+) plus: Menschen, die beruflich sehr viel sprechen müssen, klagen häufig über Stimmprobleme. Ist das eine Frage der Technik?
Zeller: Ja, immer. Wenn ein Sportler immer unaufgewärmt ins Rennen geht, wird er irgendwann über Schmerzen klagen. Genauso ist es bei Rednern. Wenn man viel spricht und die falsche Technik verwendet, bekommt man Schmerzen. So gesehen ist Sprechen ein Hochleistungssport, der uns körperlich einiges abverlangt, aber auch mental.

(+) plus: Sie arbeiten seit einigen Jahren als selbstständige Trainerin. Der breiten Öffentlichkeit sind Sie aber wohl noch als Ö3-Moderatorin ein Begriff. War Ihre Ö3-Karriere eine wichtige Starthilfe?
Zeller: Klar, aber auch eine gute Erfahrung. Das Wissen, das ich jetzt weitergebe, habe ich elf Jahre täglich selbst angewandt, auch in Extremsituationen. Ich habe vor über 20 Jahren begonnen, mich mit Stimme und Atmung zu beschäftigen. Und ich konnte immer alle Techniken gleich direkt an mir erproben, das war sehr praktisch.

(+) plus: Vermissen Sie die Radioarbeit?
Zeller: Das frühe Aufstehen vermisse ich gar nicht und die Radioarbeit eigentlich auch nicht. Ich habe mich sehr bewusst von diesem Teil meines Lebens verabschiedet, obwohl ich nach wie vor viel auf Bühnen moderiere. Ich bin wirklich ein Radiofan. Aber wenn ich jetzt den Ö3-Wecker höre, genieße ich ihn als Hörerin.


Zur Person
Daniela Zeller (37) wuchs in Böheimkirchen/NÖ auf und nahm bereits als Schülerin Sprechunterricht. Sie studierte Schauspiel und Publizistik und ist ausgebildete Stimm- und Sprechtrainerin sowie systemischer Coach. Von 2000 bis 2011 moderierte sie den Ö3-Wecker. 2012 gründete sie das Institut Freiraum (www.freiraum-kommunikation.at) und trainiert mit Menschen aus Wirtschaft, Medien und Politik das Zusammenspiel von Körper, Stimme, Gedanken und Emotionen. Zeller steht als Moderatorin noch regelmäßig auf der Bühne, ist Herausgeberin des Mindstyle-Magazins frei_raum  und veröffentlichte bisher drei Bücher. Zuletzt erschien »Reden. Bewegen. Wirken« (Ecofit Verlag 2012).

Last modified onDonnerstag, 21 November 2013 12:44
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