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Oldies, but Goldies

\"MercedesOldtimer erzielen bei Auktionen immer wieder Höchstpreise. Neben reiner Liebhaberei kann sich die Sammlerleidenschaft auch als Wertanlage lohnen – allerdings nur, wenn man die nötige Fachkenntnis mitbringt.


Es spießt sich schon an den korrekten Begriffen. Was bei uns landläufig als »Oldtimer« gilt, sorgt im angloamerikanischen Raum für Stirnrunzeln. Das Wort ist ein Scheinanglizismus, »old-timer« wird im Englischen als Bezeichnung für Veteranen, ältere Menschen und als Wortspiel für die Alzheimer-Krankheit verwendet. Als Oberbegriff für Autos mit Sammlerwert eignet sich der Begriff »Oldtimer« ebenso wenig wie »Klassiker«, denn die Briten sind da wie gewohnt viel exakter. Sie verpacken die Altersklassifizierung in eine Vielzahl von Begriffen, die der Fahrzeugbezeichnung vorangestellt werden. Und so gibt es classic, veteran, vintage und antique cars (trucks, motorcycles usw.), solche aus der »Brass Era« (»Messing-Ära«), pre-WWII (vor dem Zweiten Weltkrieg) oder post-war (nach dem Krieg). Zum Trost: Missverständnisse gibt es auch zwischen Engländern und Amerikanern, die diese Begriffe teilweise unterschiedlich verwenden.

Im deutschen Sprachgebrauch sind mit Oldtimer gemeinhin alte Fahrzeuge gemeint, die kaum noch als Gebrauchsfahrzeuge dienen, sondern mehr zu repräsentativen oder spekulativen Zwecken. Ein Blick auf die unzähligen Classic Rallyes, die durch entlegene Alpendörfer oder über schottische Highlands führen, relativiert aber selbst diese Annahme, denn im Rennen schenken die Fahrer ihren Gegnern wie auch ihren sorgsam gehätschelten Autos meist nichts.
Auch das im deutschsprachigen Raum gebräuchliche Pendant »Youngtimer« ist ein Scheinanglizismus – ältere Fahrzeuge, die für einen Oldtimer noch »zu jung« sind (20 bis 30 Jahre alt), werden im Englischen »modern classic« genannt. Daneben gibt es auch Klassifizierungen nach Autoepochen, Zustand, Fahrzeugklassen oder Erhaltung.

>> Begehrte Raritäten <<

Doch wahre Autoliebhaber stoßen sich nicht an Bezeichnungen. Sie können dafür leidenschaftliche Diskussionen über Details in der Ausstattung oder Verarbeitung eines Wagens führen, ganz abgesehen einmal vom persönlichen Ranking bestimmter Marken oder Modelle. Wer wissen will, wie viel das gute Stück in der Garage nun tatsächlich wert ist, oder sogar daran denkt, sein Faible für alte Fahrzeuge in lukrative Bahnen zu lenken, muss aber noch andere Kriterien einbeziehen. So zählen der Nostalgiefaktor oder der Fahrspaß eines Wagens manchmal mehr als technische Raffinessen oder gebaute Stückzahlen. Sogar die Farbe spielt mitunter eine Rolle – ein Jaguar macht sich im klassischen Grün einfach besser und lässt sich auch teurer verkaufen.

Eine generelle Richtschnur für diese »weichen« Faktoren abseits von Zustand oder Ausstattung gibt es nicht. Besonders im oberen Preissegment ist die Geschichte eines Fahrzeuges, etwa berühmte Vorbesitzer oder ein Rennsieg, oft wichtiger. Wenn sich der Wagen noch komplett im Originalzustand befindet, wird über einzelne Macken manchmal gnädig hinweggesehen. »Ein perfekt restaurierter Austin Healey, Baujahr 65, ohne spezielle Historie wird teurer sein als ein unrestauriertes Exemplar gleichen Baujahres. Ein Healey, in dem 1965 ein bekannter Rallyefahrer saß und vielleicht sogar eine Veranstaltung gewann, kann – muss aber nicht – im Original teurer sein als der perfekte restaurierte Nobody«, erklärt Jörn Müller-Neuhaus, Chefredakteur der Fachzeitschrift Auto-Classic (www.autoclassic.de).

Als Faustregel für Sammler kann jedoch gelten: Edles Design und Seltenheitswert heben den Preis. Unter jenen Wagen, die bei Auktionen immer wieder Preise im Millionenbereich erzielen, finden sich in der Regel die üblichen großen Namen: Porsche, Ferrari, aber auch Mercedes, BMW und englische Marken. Sondermodelle, von denen nur wenige tausend Stück gebaut wurden, sind ebenfalls heiß begehrt.

>> Ein bisschen Zockerei <<

Wegen der stabilen Zuwächse sind Investments in Sachwerte spätestens seit der Finanzkrise populär – warum also nicht auch historische Automobile? Im Schnitt stieg der Wert der Klassiker im Vorjahr um 9,3 % an, wie aus dem Deutschen Oldtimer-Index (DOX) des Kraftfahrzeugherstellerverbandes VDA hervorgeht. Vor allem deutsche und amerikanische Modelle legten demnach 2011 zu. Den größten Wertzuwachs erzielte aber der Citroen 2 CV, die beliebte französische »Ente«, gefolgt von Renault R4, Fiat 500 F, Porsche 924 und Mercedes 300 SL mit Flügeltüren. Für die Berechnungen wird die Preisentwicklung von insgesamt 88 Modellen aus der Nachkriegszeit aus sieben Ländern beobachtet. Die Daten liefert die Bewertungsorganisation Classic-Car-Tax (früher Classic Data).

Müller-Neuhaus, selbst stolzer Besitzer eines MGB, hält solche Statistiken für »eine Lotterie«: »Ein Auto zu kaufen, nur weil man glaubt, damit reich zu werden – das funktioniert nicht. In diesen Renditen sind etwa die Instandhaltung und die Garagenkosten nicht berücksichtigt.« Für ein Investment mache es ohnehin nur Sinn einzusteigen, solange die Preise noch erträglich sind. »Wer sich auskennt, setzt auf unterbewertete Marken, die zurzeit nicht populär oder unbekannt sind. Es ist immer ein bisschen Zockerei dabei – Ausreißer, die wirklich Geld bringen, sind ein Glücksfall«, sagt Müller-Neuhaus. Ein BMW 507 Cabrio, das vor fünf Jahren noch 250.000 Euro kostete, ist heute nicht unter 700.000 Euro zu haben. Selbst ein Mercedes 190 SL – »technisch nicht sehr aufregend und auch fahrdynamisch vielen preiswerten Sportwagen weit unterlegen«, so Müller-Neuhaus – wird heute um 120.000 Euro gehandelt, deutlich mehr als noch vor einigen Jahren.

>> Lebensfreude als Gewinn <<

Trotz einer möglichen Wertsteigerung muss sich jeder Besitzer eines Klassikers fragen, ob und in welchem Ausmaß eine Restaurierung Sinn macht. Wenn die Instandsetzungskosten den Marktwert gerade noch abdecken oder gar übersteigen, ist ein Investment uninteressant. Eine Grundregel besagt, dass von drei Euro, die man in einen Oldie steckt, bei einem Verkauf gerade noch einer zurückkommt – ohne Berücksichtigung der eigenen Arbeitskraft. Eine grobe Einschätzung des Marktwerts bieten Spezialisten wie Eurotax-Schwacke oder ClassicData, die die Verkäufe sehr genau beobachten. Ist man unsicher, sollte das Gutachten eines Oldtimer-Sachverständigen eingeholt werden. Auch die Insider der Markenclubs haben meist einen recht guten Überblick über die Szene. Seit sich immer mehr reiche und weitgehend ahnungslose Asiaten und Russen auf dem Markt tummeln, die im Luxussegment das große Geld wittern, haben die Preise merklich angezogen. Die vom Verkäufer angegebene Zustandsnote entspricht selten den Tatsachen. Statt des erhofften Gewinns entpuppt sich so manches Fahrzeug als Geldverbrennungsmaschine.
Liebhaber, die schon immer einen bestimmten Wagen besitzen und fahren wollten, setzen ohnedies andere Prioritäten. »Kaum ein Sammlergebiet bringt so viel Spaß und Faszination«, meint Jörn Müller-Neuhaus. »Und selbst wenn man finanziell nichts gewinnt, hat man immerhin Lebensfreude und Spaß am Hobby.«

 

>> Goodwood Revival:

Unter all den Rallyes ist es für Liebhaber historischer Automobile das Rennereignis des Jahres: Von 14. bis 16. September 2012 brummen beim Goodwood Revival Meeting in West Sussex, Südengland, wieder die Motoren. Auf der 3,8 Kilometer langen Rennstrecke fanden von 1948 bis 1966 Rennen statt – und dieser Ära wird Jahr für Jahr mit viel Liebe zum Detail gehuldigt. Zugelassen sind nur Originalautos und -motorräder dieser Zeit. Fahrer, Teammitglieder und Publikum sind durchwegs im Stil der 40er-, 50er- und 60er-Jahre gekleidet. Mit breitkrempigen Hüten, engen Kostümen, Petticoats und Uniformen zeigen sich die Briten nicht immer geschmackssicher, aber dafür konsequent. »Selbst die Rettungsautos sind ausnahmslos älter als Baujahr 1965 und die Feuerwehrleute tragen Uniformen aus den 50er-Jahren. Die Zuschauer ziehen nicht einmal ihre Handys«, erzählt Jörn Müller-Neuhaus begeistert. Auf dem Flugplatz nahe der Strecke starten und landen historische Maschinen mit teilweise atemberaubenden Flugmanövern. Man fühlt sich wie auf einer Zeitreise um Jahrzehnte zurück versetzt.

Doch wer glaubt, es handle sich bloß um ein Kostümfest, kennt die Engländer schlecht: In den Rennen wird mit den Klassikern – oft in jahrelanger Arbeit restaurierte Fahrzeuge von unbezahlbarem Wert – Stoßstange an Stoßstange um Sekunden und Platzierungen gekämpft. Am Steuer sitzen viele legendäre Rennfahrer vergangener Tage, darunter auch beispielsweise Ex-Formel-1-Star Gerhard Berger, die den Fuß ohne Rücksicht auf Verluste fest am Gaspedal haben. Während Goodwood zu dieser Jahreszeit manchmal in Regen und Schlamm versinkt, liefern sich die Fahrer der Boliden vor den Augen der 150.000 Zuschauer heiße Verfolgungsjagden. Rund 200 Verkaufsstände, an denen Vintage-Mode feilgeboten wird, und swingende Rhythmen von Boogie Woogie bis Rock’n’Roll machen das Goodwood Circuit Revival zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk, das es so crazy wohl nur in England geben kann.
Info und Anmeldung: www.goodwood.co.uk

 

Klassifizierung nach Zustand

Note 1: makellos
Das Fahrzeug wurde soeben von Fachleuten vollständig und mit hohem Aufwand exzellent restauriert. Die Karosserie wurde vom Fahrwerk getrennt, alle Achsen herausgenommen, jede Verschraubung gelöst und die Einzelteile überholt – alle Schritte dieser »Body Off Restoration« müssen mit Fotos dokumentiert sein. Der Wagen ist wie neu oder sogar in besserem Zustand. Die Nummern von Fahrzeug und Getriebe stimmen mit dem Original überein (»Matching Numbers«); auch die Lackfarbe und die Farbe der Innenausstattung entsprechen dem Original. Die Bestnote ist ein äußerst seltener Zustand, wird weitaus häufiger angepriesen, als sie der reellen Bewertung entspricht.

Note 2: guter Zustand
Der originalgetreu restaurierte Wagen war ca. drei Jahre in pfleglichem Gebrauch. Gebrauchsspuren wie ausgebesserte Steinschläge, Putzspuren im Lack und Spuren an der Pedalerie sind zulässig. Verbesserungen wie ein Getriebe oder ein Vergaser aus einem anderen Modell sind möglich, müssen aber rückbaubar sein. Rost, egal in welchem Umfang, ist indiskutabel.

Note 3: gebrauchter Zustand
Der komplett restaurierte Wagen war ca. zehn Jahre in pfleglichem Gebrauch. Das Fahrzeug darf Rost aufweisen, jedoch keinesfalls an tragenden Teilen. Der Motor sollte in Typ und Leistung, nicht im Baujahr, dem des Originalfahrzeugs entsprechen. Der Wagen muss sofort gebrauchstauglich und verkehrssicher sein.

Note 4:  verbrauchter Zustand
Der Wagen ist nicht sofort gebrauchstauglich, aber rollfähig. Der Motor muss drehen und alle Teile für die Restaurierung vorhanden sein. Für die Bewertung ist auch entscheidend, ob sich das Fahrzeug »auf dem Weg der Besserung« (wenn z.B. bereits mit der Restaurierung begonnen wurde) oder »auf dem absteigenden Ast« (wenn der Wagen über viele Jahre stetig abgenutzt wurde) befindet.

Note 5: restaurationsbedürftiger Zustand
Der Wagen ist mit gerade noch vertretbarem Aufwand restaurierbar. Meist werden diese Fahrzeuge als Teileträger »zum Ausschlachten« gehandelt. Der Wert wird deshalb an der Verfügbarkeit von Ersatzteilen und am Umfang der Schäden an der Bodengruppe und der Karosserie gemessen. Bei guter Ersatzteilversorgung seitens der Hersteller bzw. in der Sammlerszene ist der Wert entsprechend höher. Gute Qualität hat jedoch ihren Preis.

Sondernote: unrestauriertes Original
Wagen »mit Geschichte« erreichen mitunter einen höheren Wert, als ihnen aufgrund des Zustands und der Abnutzung zustehen würde. Oft handelt es sich dabei um »berühmte« Fahrzeuge, die z.B. bei Filmaufnahmen, Rennen oder Rekordfahrten zum Einsatz kamen. Die Sonderstellung dieser Wagen mit »Patina« gegenüber mit hohem Aufwand restaurierten Fahrzeugen wird in Liebhaberkreisen leidenschaftlich diskutiert.

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