Volles Haus
- Written by Mag. Angela Heissenberger
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Die fehlende Zweckwidmung der Wohnbauförderung, die Wiederauflage des Sanierungsschecks und die drohende Wohnungsknappheit.
So gut gefüllt wie am 3. Februar präsentiert sich der Sitzungssaal des Nationalrates selten. Regierungsmitglieder, Abgeordnete und ExpertInnen aus der Baubranche tummelten sich in den dicht besetzten Rängen. »Heute gehören wir alle derselben Partei an – der Partei für Umwelt, Bauen und Wohnen«, stellte SP-Abgeordneter und Bau-Holz-Gewerkschafter Josef Muchitsch gut gelaunt fest. Der Einladung der Parlamentsklubs der Regierung waren rund 400 Interessierte gefolgt, initiiert hatten die Veranstaltung die Sozialpartner und die Bauwirtschaft.
Triste Prognosen
Zu Beginn war Schönfärberei angesagt. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner wies auf die wenige Tage zuvor verkündete Frohbotschaft hin, wonach der Sanierungsscheck erneut aufgelegt wird. Wie schon 2009 fördert der Bund, diesmal bis 2014, Projekte zur thermischen Sanierung mit jährlich 100 Millionen Euro. Die Maßnahme habe Investitionen von 700 Millionen Euro ausgelöst, so der Minister. Im Vorjahr wäre die Aktion aber aus budgetären Gründen nicht möglich gewesen.
Dass es in der Bauwirtschaft nicht ganz so rosig aussieht, stellten die Statements der nachfolgenden ExpertInnen klar. Den 400 Millionen Euro des Sanierungsschecks stehen Kürzungen der Infrastrukturinvestitionen in Höhe von sechs Milliarden Euro gegenüber, wie Hans-Werner Frömmel, Bundesinnungsmeister des Baugewerbes, vorrechnete. Die Verringerung des Bauvolumens von Ländern und Gemeinden und Einschränkungen der Wohnbauförderung würden diesen Teufelskreis noch beschleunigen. Maßnahmen zur Ankurbelung des Wohnbaus wären deshalb »dringend notwendig«. Frömmel forderte weitere Anreize, beispielsweise auch für Stadterneuerung und seniorengerechtes Bauen.
Margarete Czerny, Bauexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts, lieferte anschließend die entsprechenden Zahlen: Das Bruttoinlandsprodukt werde bis 2015 voraussichtlich um 2,2 Prozent wachsen, die Sparte Bau dagegen nur um 1,2 Prozent. Auch im europäischen Vergleich bleibe Österreichs Bauwirtschaft deutlich zurück. 2010 sank die Bauproduktion um vier Prozent, die Auftragsbestände um sechs Prozent. Von der Baubranche als »Konjunkturlokomotive« könne momentan keine Rede sein. »Der Bauwirtschaft fehlt der Schwung, derzeit ist sie keine Stütze für die Konjunktur«, lautete Czernys ernüchternde Bilanz. »100 Millionen Euro reichen als Impuls nicht aus.«
Wohnbau rückläufig
Als weiteres Kernthema rückte die Wohnbauförderung in den Mittelpunkt der Diskussion. Die Regierungsvertreter, aber auch Andreas Oberhuber von der Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen, lobten das österreichische System als Stabilitätsfaktor für den heimischen Wohnungsmarkt. Eine Milliarde Wohnbauinvestition sichere rund 12.000 Arbeitsplätze, unterstrich etwa Mitterlehner einen der positiven Effekte.
Seitens der Bauvereinigungen waren jedoch eindringliche Appelle zu hören. »Der Einbruch bei den Förderleistungen ist bei den Rückgängen im Wohnungsbau erkennbar und wird sich weiter fortsetzen«, zeichnete Karl Wurm, Präsident der gemeinnützigen Bauvereinigungen, ein düsteres Bild. Um den Bedarf zu decken, müssten pro Jahr mindestens 48.000 Wohnungen errichtet werden, tatsächlich sind es heuer nur 37.700, 2012 voraussichtlich 39.000. Dieses »massive Problem« werde schon in absehbarer Zeit zu Wohnungsknappheit und steigenden Mieten führen. Leistbar könne Wohnen nur durch eine Zweckbindung der Wohnbauförderung und die längst fällige Indexanpassung bleiben – Forderungen, denen sich etliche RednerInnen anschlossen.
Umweltsünder Österreich
Auch in der Frage der Energieeffizienz schieden sich die Geister. Hatte Umweltminister Niki Berlakovich noch von einer »Vision eines energieautarken Österreich« geträumt, holten ihn die VertreterInnen der NGOs rasch auf den Boden der Realität zurück. »50 Prozent der Energie werden für Raumwärme verschwendet«, erinnerte Andrea Dober vom Verband Austria Solar, »gleichzeitig fließen 600 Millionen Euro an Strafzahlungen für CO²-Emissionen ins Ausland.« Geld, das sinnvoller in Österreich investiert werden könnte, so Dober. Acht neue Solaranlagen würden bereits einen Vollzeitarbeitsplatz sichern. Das Know-how sei vorhanden. Allerdings würden die österreichischen Solarunternehmen derzeit 75 Prozent der Anlagen in andere EU-Staaten exportieren, während Österreich 70 Prozent der benötigten Energie aus dem Ausland zukaufe.
Auch Johannes Wahlmüller, Klimasprecher der Umweltschutzorganisation Global 2000, ging mit der Regierung hart ins Gericht: Österreich habe seine Emissionen seit 1990 nicht verringert, sondern erhöht und damit das Kyoto-Ziel klar verfehlt. Die Sanierungsrate liege derzeit bei einem Prozent, das vorgesehene Ziel von drei Prozent bis 2020 sei zu wenig ehrgeizig. »Wir können nicht noch einmal zehn Jahre warten, um ein Ziel zu erreichen, das bereits vor neun Jahren in der Klimastrategie 2002 verankert wurde«, kritisierte Wahlmüller. »Der Sanierungsscheck ist zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber bei weitem nicht ausreichend. Eine Aufstockung auf mindestens 300 Millionen Euro wäre notwendig.«
Trotz mancher inhaltlicher Differenzen verlief die Enquete geradezu harmonisch. VertreterInnen kleinerer Interessenverbände – von den Architekten bis zu den Heizungsbauern – nutzten die Gelegenheit, ihre Forderungen und Anregungen vor den versammelten Entscheidungsträgern darzulegen. Diesen war klar, dass die eigentliche Arbeit erst bevorsteht. Koordinator Josef Muchitsch zeigte sich in einem ersten Resümee dennoch höchst zufrieden: »Die Veranstaltung war ein sehr deutliches und wichtiges Signal. Wichtig ist jetzt, dass die Regierungsparteien in den nächsten Gesprächen mit den Ländern wieder eine Zweckbindung der Wohnbauförderung durchsetzen. Man kann vieles fordern, muss es aber auch umsetzen.« Das neue, amikale Gesprächsklima könnte dabei vielleicht nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, aber zumindest eine solide Grundlage für weitere Verhandlungen sein.
>> Das sagten die Experten nach der Veranstaltung:
> Johannes Wahlmüller, Klimasprecher Global 2000: »Thermische Sanierung ist die Klimaschutzmaßnahme mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis. Hier müssen die Anstrengungen deutlich verstärkt werden, um die Sanierungsrate auf drei Prozent zu heben, denn nach wie vor liegt die Sanierungsrate in Österreich bei ca. einem Prozent pro Jahr.«
> Margarete Czerny, Bauexpertin Wirtschaftsforschungsinstitut: »Die Klubenquete im Parlament am 3. Februar 2011 war ein Meilenstein in der Geschichte für eine gelungene Zusammenarbeit, um Strategien für Zukunftsinvestitionen in Österreich zu erarbeiten. Die Fortsetzung der Wohnbauförderung wurde von allen als besonders wichtig erachtet. Die jährlichen 100 Millionen Euro der Sanierungsoffensive werden als Untergrenze angesehen.«
> Andreas Oberhuber, Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen: »Die parlamentarische Enquete hat vor allem die Einigkeit von Politik, Wirtschaft und Experten aufgezeigt, mittels sinnvoller Zukunftsinvestitionen und Nutzung von Innovationspotenzialen Wachstum zu generieren. Gebot der Stunde ist Mut zu nachhaltiger Politik!«
> Hans-Werner Frömmel, Bundesinnung Bau: »Die Enquete hat zahlreiche Maßnahmen zur Ankurbelung der Baukonjunktur aufgezeigt: u.a. Zweckbindung der Wohnbauförderung, fiskalische Anreizmodelle, seniorengerechte Adaptierungen von Bestandswohnungen und Verbesserung der Kontrollmaßnahmen für einen fairen Wettbewerb.«
> Robert Schmid, Fachverband Steine-Keramik: »Die Fördermaßnahmen thermische Sanierung sind die richtige Konsequenz. Dennoch darf der Wohnungsneubau und die bewährte Wohnbaufinanzierung nicht vergessen werden. Die Leistbarkeit des Wohnens einerseits und die Qualität der Bauwerke und Bausysteme andererseits schaffen jene persönliche und soziale Sicherheit, für die Österreich bekannt ist.“
> Josef Schmidinger, Arbeitsforum Österreichischer Bausparkassen: »Die Umsetzung von Energiesparmaßnahmen und die Investition in eine eigene Wohnung sind langfristig die besten Sparformen. Die Säulen der österreichischen Wohnbaufinanzierung – Wohnbauförderung, gemeinnützige Genossenschaften, Bausparen und Wohnbaubanken – müssen gesichert und innovativ weiterentwickelt werden.«
> Karl Wurm, Österreichischer Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen: »Jetzt geht es ans Nägel-mit-Köpfen-Machen! Abseits von grundsätzlichen Bekenntnissen der Politik zur Wohnbauförderung und gemeinnütziger Wohnungswirtschaft braucht es nun konkrete Umsetzungsschritte zur Stärkung des bewährten Wohnbausystems.«
> Roger Hackstock, Verband Austria Solar: »Aufgabe der Politik ist es, sich mit den Vorschlägen der Enquete ernsthaft auseinanderzusetzen und deren Umsetzung einzuleiten. Beim Ausbau der erneuerbaren Energie für Raumwärme hat Solarwärme das größte Potenzial.«
> Franz Roland Jany, Gemeinschaft der Dämmstoffindustrie: »Einerseits war diese Enquete ein wichtiges Signal an die Politik, in den Schlüsselthemen weitere notwendige Schritte zu setzen. Andererseits war die Enquete aber auch ein Zeichen für die Bereitschaft der Politik, Umwelt, Bauen und Wohnen noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken und gemeinsam die Zukunftsthemen umzusetzen.«