Next Generation
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Smart-Energy-Lösungen haben im heimischen Bauwesen längst Fuß gefasst. Sie bilden aber nicht das einzige Kriterium für Gebäude der Zukunft. Notwendig ist das Management von Energieeffizienz, Komfort, Schutz und Sicherheit – das Schlüsselwort: integrierte Gebäudetechnik.
Von Karin Legat
Effizienz ist der Schlüssel für die Energiezukunft. Die energetischen Ressourcen werden in Zukunft beschränkt sein, steigende Energiekosten sind die Folge. Herausforderung im Wohnbau ist es daher, Energieeffizienzmaßnahmen zu setzen, um den Energiebedarf für Heizen und Kühlen zu senken. Gefragt sind dabei interagierende Lösungen. »Bisher liegt der Fokus sehr stark auf der Optimierung innerhalb der Gebäudegrenzen. Das heißt, es geht primär darum, bilanziell über das Jahr gesehen möglichst wenig Energie von außen beziehen zu müssen. Neues Ziel ist die optimale Integration der Gebäude ins Energiesystem«, betont Michael Strebl, Netze-Chef der Salzburg AG. Dazu muss das Gebäude in seiner Gesamtheit betrachtet werden. Dies erfordert ein neues Denken im Gebäudebau und eine innovative Herangehensweise. Die Faktoren Komfort, Schutz und Mediensteuerung dürfen dabei nicht übersehen werden. »Integrierte Gebäudetechnik muss künftig neben sozialen und architektonischen Bedürfnissen eine Kernkomponente im Gebäude bilden«, ist sich Roland Wernik, Geschäftsführer von Salzburg Wohnbau, sicher. Und sie bietet Kommunen, Energieversorgern und Bauträgern neue Geschäftsmodelle. »Die intelligente Vernetzung von Energie hat einen Wert, Synergien werden gehoben. Noch stehen wir am Anfang dieser Entwicklung. Wie sich das konkret auf die Geschäftsmodelle in der Energiewirtschaft auswirkt, zeigt sich in den nächsten Jahren«, so Strebl. »Das wirtschaftliche Potenzial hängt davon ab, was der Markt fordert. Wir sehen, die Nachfrage steigt, aber sie explodiert nicht. Dabei sind gerade Bauträger im mehrgeschoßigen Wohnbau bundesweit an Energieeffizienz und CO2-Reduktion interessiert«, informiert Peter Kremnitzer, Leiter der Abteilung Technologieentwicklung bei Porr und Geschäftsführer der Austrian Construction Technology Platform, ACTP. Schwerpunkte gibt es in Wien und Vorarlberg. »Das hängt mit der Landesförderung zusammen.« Das BMVIT betreibt Programme wie Haus der Zukunft plus, der Klima- und Energiefonds fördert Solarthermie. »Dadurch werden die Mehrkosten gedämpft, die Amortisation wird überblickbar und Bewohner sind eher zu einer Investition bereit«, sieht Kremnitzer. Bis zum verbesserten Niedrigenergiehaus seien die Kosten amortisationsmäßig überblickbar. Das Passivhaus rechne sich erst nach einer Generation. »Das Verhältnis Investment–Amortisation ist heute noch ungünstig. Die eingesetzte Technik verbessert dies aber in kurzen Zeitschritten zugunsten der Investition«, ergänzt Josef Stadlinger, Technischer Divisionsleiter bei Siemens Building Technologies.
Evolution
Intelligente Wohngebäude übernehmen heute eine Vielzahl an Funktionen. »Die klassischen Aufgaben sind Tragstruktur, Wärmedämmung und Haustechnik.« Damit werden für Porr die Grundbedürfnisse der Nutzer befriedigt. »Ich vergleiche die Entwicklung zum intelligenten Haus gerne mit der Automobilbranche. Das Auto der 70er-Jahre war mit Lenkung, Bremse und Motor ausgerüstet sowie mit kleinen Schaltkreisen etwa für die Beleuchtung. Das Auto 2011 wird nach Kundenwunsch technologisch ausgestattet, kann selbst bremsen und den Abstand regeln. Dieselbe Situation beobachten wir in der Gebäudetechnik, es gibt zahlreiche Zwischenstufen. Die meisten Gebäude verwenden noch eine Haustechnik mit klassischen Regelungen wie Thermostaten, moderne Immobilien setzen auf prozessorgestützte Automation bei Beschattung und solarer Energiegewinnung.« Optimierte Planung ist entscheidend für den Verwendungszweck des Gebäudes. »Passive Nutzung von Energie oder die Vermeidung von Überhitzung durch Beschattung halten den Energiebedarf für die Konditionierung des Gebäudes gering. Die Gestaltung einer effizienten Gebäudehülle sorgt für einen geringen Energiebedarf. Die Fassade als Schnittstelle zwischen Außen- und Innenklima steuert Tagesbelichtung, solare Energieeinträge, Wärmeströme und sorgt für visuellen und thermischen Komfort«, analysiert Claudia Dankl, wissenschaftliche Projektmanagerin bei der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT). »Aktuelle Themen sind Klimatisierung und Beschattung«, betont Kremnitzer. »Am Bau gibt es neue Strömungen, die Wärmespeicherwirkung des Gebäudes stärker zu nutzen, also die Bauteilaktivierung.« Mit Rohren in der Betondecke wird der Beton geheizt oder gekühlt, die Umluft langsam temperiert. »Diese Technik ist aber noch nicht Standard. »Viele Lösungen existieren erst im Labor«, schränkt der ACTP-Chef ein. Was heute bereits angeboten wird, sind Systeme für die Raumautomatisierung. Heizung, Lüftung, Klimatisierung und Lichtsteuerung können für Einzelräume automatisiert werden. Die Lösung der Zukunft liegt laut Siemens in der integrierten Raumautomatisierung von Temperatur, Licht, Medien und Jalousien. »Gebäudebetreiber müssen sich die Frage stellen, was sie sich leisten wollen und was für die Gebäudenutzung Sinn macht. Mitentscheidend ist natürlich der Weitblick der Gebäudebetreiber«, ergänzt Kremnitzer. Das beginne schon bei der Wahl des Gebäudestils. »Je mehr Geschoße ein Gebäude aufweist, desto einfacher sind Wärmedämmung und Energieeinsparung«, zeigt der ACTP-Chef auf. »Am ungünstigsten präsentiert sich der Einfamilienbungalow, da er an allen Seiten Energie abgibt. Das günstigste Bauprojekt bildet der Wohnblock, der intelligent zur Sonne ausgerichtet ist.«
Tägliche Herausforderung
»Wenn ich bepackt mit Taschen zu meiner Wohnungstür komme, bin ich froh, nicht den Schlüssel herauskramen und aufsperren zu müssen. Eine Technik, die die Tür mit Sensoren öffnet und das Licht einschaltet, erleichtert das Leben ungemein. Mit integrierter Gebäudetechnik kann dieser Wunsch Realität werden«, stellt Stadlinger fest. Diese Technik managt alle Funktionen im Gebäude und zieht sich bis in die Wohnungen. »Es steht etwas auf der Herdplatte, plötzlich läutet das Telefon oder jemand wartet vor der Wohnungstür und ich plaudere länger. Intelligente Mediensteuerung erkennt das Gefahrenpotenzial und setzt eine Warnung ab«, beschreibt Stadlinger zukünftige Möglichkeiten. »Im Wohnbau treten Safety und Security etwas in den Hintergrund, da es im Gegensatz zum Businessbereich kaum Vorschriften wie den Brandschutz gibt. Regulative finden sich eher im baulichen Bereich, z.B. in der Ausstattung der Stiegenhäuser als raschem Fluchtweg.« Im Wohnbau liegt der Hauptaufgabenbereich von integrierter Gebäudetechnik daher bei Komfort und Energieeffizienz. »In Salzburg entwickelt Siemens erste Projekte mit Partnern. Hier stellt sich eine ungleich höhere Herausforderung. Bewohner verhalten sich nie gleich. Komfortbereiche unterscheiden sich ebenso wie der Lebensstil.« Dennoch ist sich die ÖGUT sicher, dass Plus-Energie-Gebäude im mehrgeschoßigen Wohnbau grundsätzlich machbar sind und als Prototypen demnächst Realität werden. Nötig dafür sind eine Optimierung von Gebäudehülle und Haustechniksystemen sowie der umfassende Einsatz erneuerbarer Energien, beispielsweise von Photovoltaik mit hohem Wirkungsgrad. Außerdem sind moderne Informations- und Kommunikationstechnologien zur Vernetzung und bidirektionalen Kommunikation zwischen Erzeugern, Verbrauchern, Speichern und Netzkomponenten vonnöten. Damit kann laut Salzburg AG die Einbindung von erneuerbaren Energien ins Energiesystem effizient gestaltet und die Energieeffizienz erhöht werden. Im Businessbereich wird Energieeffizienz laut Siemens bereits in hohem Maße umgesetzt. »Durch die richtige Steuerung der Medien rund um Wasser, Luft und Licht haben wir Energieeinsparungen von bis zu 40 % erreicht«, berichtet Stadlinger und nennt das Beispiel Siemens City. »Durch Geothermie kühlen und heizen wir. In weiteren Projekten wird diese Technik ebenfalls eingesetzt.«
Integrierte Zukunft
»Ich bin überzeugt, dass die integrierte Gebäudetechnik in den nächsten Jahren im Wohnbereich verstärkt Einzug halten wird«, betont Siemens-Manager Stadlinger. Bereits heute sorgen Lüftungsanlagen für Wärmerückgewinnung, solarthermische Paneele werden zur Gewinnung von Warmwasser und zur Heizungsunterstützung eingesetzt, Biomassekessel übernehmen Heizung und Warmwasser, Wärmepumpen arbeiten Hand in Hand mit PV-Paneelen. Mit den heutigen Gebäudeautomationssystemen sind für Stadlinger die technischen Grundlagen für intelligente Gebäude der Zukunft schon geschaffen. »Sicherheit, Komfort und Energieeffizienz müssen künftig vom Gebäude gemanagt werden. Das ist man sich selbst und der Umwelt schuldig«, meint er. Peter Kremnitzer von Porr stimmt ihm zu. »Laut EU-Verordnung muss Smart-Metering in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Damit sehe ich, wie viel Energie jeder Bewohner verbraucht, kann steuern und damit das Problem der Diskontinuität, die ich bei alternativen Energien wie PV oder Wind stets habe, ausgleichen. Nutzereinheiten können mit dem Energieangebot abgestimmt werden, die Warmwasserbeheizung erfolgt etwa tagsüber.« Und Stadlinger ergänzt. »Die Zukunft wird so aussehen, dass Smart Buildings sogenannte Minigrids schaffen. Die zentrale Energieerzeugung wird es zwar weiterhin geben, daneben existieren aber kleinere Verbunde, die Erzeugungsplattformen bilden. Der Verbund mehrgeschoßiger Wohnbau arbeitet mit PV, Solarthermie und Geothermie, ist hochgradig energieautark und kann Energie für jene Netzbetreiber zur Verfügung stellen, die gerade dringend Energie für ein höheres Netz benötigen. Dazu brauche ich aber dieselben Standards in allen Gebäuden.«
> Wohnen mit geringen Heizkosten <
Das energieeffiziente Haus der Zukunft, das Demoprojekt in der Utendorfgasse in Wien mit 2.986 m² Wohnnutzfläche, ist die erste zertifizierte Passivhausanlage Österreichs.
39 Wohneinheiten wurden in Massivbauweise im Passivhausstandard errichtet. Die Anlage kann mittels einer Lüftungsanlage mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung beheizt werden, die Kosten liegen unter denen herkömmlicher Wohnbauten und im Vergleich zu einem Altbau bis zu 90 % unter den Betriebskosten.
> Rosa Zukunft <
In der Rosa-Hofmann-Straße im Salzburger Stadtteil Taxham entsteht die erste Wohnanlage, in der das intelligente Netz der Zukunft Realität wird. Energieerzeuger wie PV-Anlage und Blockheizkraftwerk werden mit Speichern und steuerbaren Verbrauchern wie Wärmepumpe, Ladestationen für E-Fahrzeuge und Smart-Grid-fähigen Haushaltsgeräten durch ein intelligentes Energiemanagementsystem gekoppelt. Die regenerative, vor Ort gewonnene Energie wird dadurch optimal genutzt. Ein Mobilitätsmodell mit E-Carsharing, E-Bikes und attraktiven ÖPNV-Angeboten sowie dem Sozialkonzept Generationen-Wohnen runden das Projekt Rosa Zukunft ab. Die Wohnanlage – ein Gemeinschaftsprojekt von Salzburg Wohnbau, Salzburg AG und Siemens – umfasst 130 Wohneinheiten, der Bezug ist für die zweite Jahreshälfte 2013 geplant. (www.smartgridssalzburg.at)
> Lesen Sie im nächsten Bau & Immobilien Report alles über innovative Energielösungen für die gebaute Umwelt und das KLI.EN Förderprogramm »Smart Energy Demo – FIT for SET«.