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Smarte, saubere Welt

\"FürSmart Metering im Haushalt, Smart Grid in Europa – die neuen Stromnetze werden intelligent, die Stromversorgung flexibel und die Energie zunehmend grün. Wohin die Energiewirtschaft steuert.

Der anhaltend steigende Energiehunger unserer Gesellschaft, ein von den Maya für 2012 angesagter Weltuntergang – selten war es so spannend wie heuer. Doch auch wenn das Armageddon vermutlich ausbleiben wird, die finale Schlacht um unsere Zukunft hat begonnen. Gerade im Umgang mit Ressourcen und Energie wähnen viele unsere Gesellschaft an einem Scheidepunkt. Von der nachhaltigen Computertastatur mit Solarzellen an Bord bis zum umweltbewussten Konsumgüterkonzern, der nicht nur aufgrund von Kostenbewusstsein, sondern aus Imagegründen agiert – es gilt, es ein wenig besser zu machen als in den vergangenen Jahrzehnten. Auch die Politik wünscht sich plakativ Windräder auf die Felder und Solarzellen auf die Dächer. Allein die Finanzierung der angesagten Energiewende steht noch in den Sternen. Die Ökostromförderung steht seit jeher unter Beschuss der Konsumentenschützer. Und den Energieversorgern wird jeder verdiente Cent geneidet. Dabei müssen in den kommenden Jahren Milliarden Euro in die europäischen Netze gesteckt werden, um die Abkehr von Kohle, Gas und Atomkraft zu finanzieren.

Auch der Branchenverband Oesterreichs Energie sieht die Steigerung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien sowie Effizienzmaßnahmen als »einzigen richtigen Weg, um bis 2015 wieder zu einer ausgeglichenen Strom-Außenhandelsbilanz zurückkehren«. Umweltminister Niki Berlakovich wünscht sich sogar die Energieautarkie Österreichs. Die von vielen als romantische Vorstellung abgetane Vision hat freilich handfeste wirtschaftliche Gründe. Um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen vor allem im Verkehr langfristig zu ermöglich, braucht es radikale Ansagen. So ließ sich Berlakovich schon wissenschaftlich bestätigen: Eine Energieautarkie bis 2050 ist möglich. Nach Jahren einer verhaltenen Strategie für alternative Stromerzeugungsformen wie Windkraft und Solarenergie setzt die Bundesregierung nun auf »Green Jobs« und »Triple-E«: erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energiesparen.

>> Kontinentales Supernetz <<

Für ein europäisches Super Grid, das Windenergie und Wasserkraft aus dem Norden mit Solarenergie im Süden und den Verbraucherzentren verbindet, sind immense Investitionen nötig. Allein für ein Grid in der Nordseeregion mit britischen Mega-Windparks bis zu Standorten in Deutschland müssen Schätzungen zufolge bis zu 30 Milliarden Euro locker gemacht werden. Das gigantische Stromverbund-Projekt Desertec, das die Verbraucher mit umweltfreundlicher Stromerzeugung in Europa und Nordafrika verbinden soll, ist sogar mit 47 Milliarden Euro bis 2020 und summierten 295 Milliarden bis 2050 projektiert. Bis zu einem Viertel des europäischen Strombedarfs könnte bis zur Mitte des Jahrhunderts mit diesem transkontinentalen Erzeugungsnetz abgedeckt werden. In der Sahara und den Wüsten des Nahen Ostens scheint dazu jedenfalls genug Sonne. Für Österreich bedeutet dies, mit alpinen Pumpspeichern als grüne Batterie bereitzustehen, wenn anderswo Windflaute herrscht oder der Himmel verdunkelt ist.

Auf Ebene von Unternehmen und der Haushalte bedeutet die Energiewende vor allem Transparenz für den tatsächlichen Stromverbrauch. »Verbraucher sind es gewohnt, jederzeit so viel Strom zur Verfügung zu haben, wie sie gerade benötigen – besonders in Spitzenlastzeiten. Durch die Ökologisierung und den damit verbundenen zunehmenden Einsatz von erneuerbaren Energiequellen wie Windkraft- oder Solaranlagen nimmt jedoch die Volatilität mehr und mehr zu«, erklärt Harald Himmer, Generaldirektor des Technologielieferanten Alcatel-Lucent. Himmer sieht in den Smart Grids, die bis auf Haushaltsebene über intelligente Stromzähler den Verbrauch regulieren, ein Riesenpotenzial für eine Revolution der Energieversorgung. »Sie fördern durch den Ausgleich von Schwankungen bei der Einspeisung erneuerbarer Energiequellen und durch die Möglichkeit zur Dezentralisierung eine nachhaltige Energieversorgung«, so Himmer weiter.

Auch für den Verbraucher ergeben sich durch die Einführung von intelligenten Energienetzen Vorteile. Volle Transparenz der Verbrauchsdaten und die Möglichkeit, tarifgesteuerte Modelle zu beziehen, sind nur zwei Beispiele. Darüber hinaus ermöglicht das Smart Grid die intelligente Steuerung des Verbrauchs durch beispielsweise Haushaltsgeräte, Industrieanlagen oder Elektromobile. Dadurch kann der Endkunde jederzeit direkt Einfluss auf seinen Energiehaushalt nehmen. Bereits 2009 haben die EU Staaten gemeinsam beschlossen, dass die dafür notwendigen intelligenten Stromzähler bis 2020 in Europa flächendeckend eingeführt werden müssen. Schritt für Schritt geht die Implementierung nun auch in Österreich voran. Mit einer Verordnung zu den technischen Mindestanforderungen an die Messgeräte wurde von der zuständigen Regulierungsbehörde E-Control nun im Herbst 2011 ein lang erwarteter Schritt gesetzt. Derzeit gibt es in Österreich 5,5 Millionen herkömmliche Ferrariszähler bei den Kunden. 95 % davon sollen einem aktuellen Verordnungsentwurf des Wirtschaftsministeriums nun sogar bis 2018 auf moderne Smart Meter umgestellt werden. Entsprechend heiß umkämpft wird der Markt in den nächsten Jahren in Österreich sein.

>> Kampagne wirkt <<

In einer Vorstufe zu den automatisierten Meter-Netzen wurde in einem Projekt der Vorarlberger Kraftwerke AG eine durchschnittliche Stromeinsparung für Haushalte von einigen Prozent erzielt, indem das Bewusstsein der Bürger über Verbrauch und Energieeffizienz über eine Kampagne geschult wurde. Die Haushalte wurden dabei auch angehalten, ihren Stromverbrauch regelmäßig abzulesen und im Onlineportal des Energieversorgers einzugeben. Der eigentliche Erfolg der Vorarlberger: Durch die Kampagne namens Velix wurde ein komplexes und abstraktes Thema einfach und lebendig für die Konsumenten gemacht.

>> Schauplatz Salzburg <<

Auch die Flachgauer Gemeinde Köstendorf ist auf dem besten Weg, Energiegeschichte zu schreiben. Der Energieversorger Salzburg AG erprobt nun in einem Ortsteil von Köstendorf, wie viele dezentrale Photovoltaikanlagen und E-Autos in einem Niederspannungsnetz integriert werden können. Im »Smart Low Voltage Grid« im Feldversuch wollen die Salzburger demonstrieren, dass ein intelligent vernetztes Energiesystem auch dann stabil betrieben werden kann, wenn auf jedem zweiten Dach eine Photovoltaikanlage Strom erzeugt und in jeder zweiten Garage ein E-Auto für zusätzlichen Energiebedarf sorgt. »Wir glauben, dass die kleinteilige Erzeugung mit verteilten Anlagen und der Bedarf in den Haushalten und auch der Elektroautos bei gleichbleibender Servicequalität ausgeglichen werden kann«, erläutert Salzburg AG Netz-Chef Michael Strebl.

Als alles andere als trivial erweist sich dabei die nötige Umrüstung des Netzes. Das Leitungsnetz wird auf einen Zwei-Wege-Stromverkehr umgestellt, Trafostationen ausgebaut, parallel zum Stromnetz wird ein Kommunikationsnetz aufgebaut und eng mit allen Punkten in der Erzeugung und dem Verbrauch verwoben. Smart Grid, das ist die Verschmelzung von Energiewirtschaft und Informations- und Kommunikationstechnologie.

Auch bei der Elektromobilität sind die Herausforderungen beachtlich: Für die Energieversorgung von einer Million Elektrofahrzeugen sind in Österreich lediglich 3 % zusätzlicher Strom erforderlich. Im schlimmsten Fall könnte sich jedoch die Lastspitze um bis zu 70 % erhöhen. Damit das nicht passiert, braucht es intelligente Steuerungen. Das heißt: Fahrzeuge werden idealerweise dann geladen, wenn günstiger Strom zur Verfügung steht. Die Kunden sollen künftig zwischen unterschiedlichen Optionen je nach Dringlichkeit und Geldbörsel die Ladezyklen steuern können. Alles andere erledigt das System automatisch.

»In den nächsten zehn bis 15 Jahren kommt es zu einem massiven Schwenk zu erneuerbaren Energien und zu einem Totalumbau des Energiesystems«, ist Strebl überzeugt. Doch beinhalte der Systemwechsel weit mehr als nur die Abschaltung alter und den Betrieb neuer Kraftwerke, so der Salzburger. Bisher floss der Strom von den Großkraftwerken über hierarchisch aufgebaute Leitungsnetze zu den Verbrauchern – wie in einer Einbahnstraße. Künftig wird Strom auch in der Gegenrichtung von Kunden mit etwa einem Kleinwindrad am Dach oder einem Blockheizkraftwerk im Keller zum Netzbetreiber fließen. Eine Photovoltaikanlage könnte, wenn gerade niemand zu Hause ist, dann automatisch den Bedarf beim Nachbarn decken. Für die Landesenergieversorger geht es damit künftig um die intelligente Vernetzung von Energie, und nicht um ihre bloße Lieferung. Vom Lieferanten zum Energiemanager: Die Rolle von Unternehmen wie Salzburg AG, VKW und Wien Energie wird in den nächsten Dekaden völlig verändert. Am Beispiel Deutschland sieht man, dass die heutigen Stromnetze auf unvorhergesehene Lastspitzen durch die Erneuerbaren kaum vorbereitet sind. Bläst der Wind im Norden besonders kräftig, kann schon einmal das Verteilnetz vor dem Zusammenbruch stehen, wenn der Strom nicht abgeführt werden kann. »Es wird in Zukunft schwieriger, eine verteilte und schwankende Erzeugung zu verwalten und trotzdem Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht zu halten«, heißt es überall.

»Doch alle diese Dinge werden schneller kommen, als viele glauben«, ist Energiemanager Strebl überzeugt. In Köstendorf hatte die Salzburg AG die Sorge, die angepeilten 50 % der Haushalte für die Teilnahme an dem Pilotprojekt zu verfehlen. Es gibt zwar Fördergelder, doch müssen die Teilnehmer einen Teil der notwendigen Umbauten mitfinanzieren. Das bedeutet Selbstbehalte von einigen tausend Euro. Doch überraschte das Interesse: »Am ersten Tag des Angebots waren wir ausverkauft und mussten sogar Anwärter abweisen.«

Freilich ersetzen regionale Energiekonzepte wie in Köstendorf nicht überregionale Stromnetzinfrastruktur, appelliert Strebl. Erneuerbare Energie würde eben starke Netze erfordern. Für die Energiewirtschaft ist es zentral, den 380-KV-Ring in Österreich zu schließen und eine Anbindung ans europäische Hochspannungsnetz zu haben.

 

>>Verbindung zweier Welten:

Schauplatz: zwischen dem Schwarzen und Kaspischen Meer, am Übergang Europas zu Asien. Am Rande der georgischen Stadt Akhaltsikhe findet sich eine der derzeit wichtigsten Baustellen des Kontinents. Eine Riesenherausforderung der Elektrizitätswirtschaft besteht darin, Strom aus den Gebieten, wo erneuerbare Energiequellen verfügbar sind, dorthin zu transportieren, wo er verbraucht wird. Eine Gleichstromkurzkupplung ermöglicht künftig den Stromtransport von Georgien in die Türkei, ohne dass die beiden unterschiedlichen Netze starr miteinander verbunden sind. Siemens errichtet für die ansässigen Energieversorger die extrem leistungsfähige Schnittstelle, um über Akhaltsikhe überschüssigen Strom aus georgischer Wasserkraft in den energiehungrigen, boomenden Wirtschaftraum Türkei liefern zu können.

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