Warme Hülle
- Written by Mag. Angela Heissenberger
- font size decrease font size increase font size
Ökologie ist in der Baubranche kein Randthema für »grüne Spinner«. Forscher und Unternehmen arbeiten laufend an innovativen Produkten und Technologien zur Wärmedämmung. Styropor, der Wärmedämmstoff Nr. 1, ist besser als sein Ruf – Zeit für eine Imagekorrektur.
Rechnet sich nicht, ist unnütz, schimmelt, brennt und verschandelt das Haus: Vorbehalte gegen Wärmedämmverbundsysteme gibt es viele, sie alle sind durch zahlreiche Studien mehrfach widerlegt. Nach einhelliger Meinung renommierter Experten überwiegen die Vorteile bei weitem. Eine Hülle, die das Gebäude vor Abkühlung und Erhitzung schützt, wirkt sich positiv auf das Raumklima und damit die Lebensqualität der Menschen, die sich darin aufhalten, aus. Ein Wärmedämmverbundsystem bewirkt eine gleichmäßigere Wärme im gesamten Haus. Auch Zimmer, die nicht geheizt werden, haben automatisch eine höhere Raumtemperatur, da sich die Wärme im Inneren verteilt und nicht nach außen entweicht. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit und die Umsetzung damit verbundener gesetzlicher Vorgaben sind für Michael Wiessner, Regionengeschäftsführer Westeuropa bei Röfix, »eine Selbstverständlichkeit und keine Frage des Willens«: »In unserer Forschung und Entwicklung arbeitet man an Produkten und Systemen, die ihrer Zeit voraus sind. Alle Produkte unterliegen einer strengen Eigen- und Fremdüberwachung. Viele Produkte sind bauökologisch zertifiziert.«
Bild oben: Beim »Hamerling«, einem Prachtbau aus der Kaiserzeit, wurde die historische Optik nach der Sanierung wieder hergestellt.
Georg Bursik, Geschäftsführer der Baumit GmbH, sieht einen Trend »ganz klar in Richtung ökologisches und gesundes Bauen«: »Durch den Einsatz natürlicher, mineralischer Baustoffe liegt der Fokus auf der Schutzfunktion, Temperatur- und Feuchteregulierung – wie beim größten Organ des Menschen, der Haut.« Entgegen oft strapazierten Vorurteilen sind Gebäude mit WDVS sogar viel weniger empfindlich, etwa bezüglich Feuchtigkeit. Probleme mit Schimmelpilzbildung lassen sich meist auf neue Fenster zurückführen, die in der Regel wesentlich dichter sind und jeglichen Luftaustausch unterbinden.
»Es gibt oft eine Verwirrung in der Öffentlichkeit zwischen Wärmedämmung und Luftdichtheit. Und das sind zwei verschiedene Paar Stiefel«, stellt Hartwig Künzel, Professor für klimagerechtes Bauen und Raumklima an der Universität Stuttgart, klar: »Luftdichtheit ist natürlich erforderlich, um keine Lüftungswärmeverluste zu haben, aber sie hat nichts mit der Wärmedämmung zu tun. Und die Luftdichtheit wird auch nicht durch die Wärmedämmung hergestellt, sondern durch die Anschlüsse an den Fenstern.« Susanne Kröpl, Energieberatung der Linz AG, will in diesem Zusammenhang endlich mit dem »Mythos atmende Wände« aufräumen: »Würden sie atmen, dann hätten wir es mit massiven Bauschäden zu tun.«
Fassadenoptik erhalten
Grundsätzlich werden als Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) mehrschichtige Konstruktionen zur Außendämmung bezeichnet. Sie sind seit etwa 1965 auf dem Markt und bestehen aus einer Befestigung auf der Gebäudewand (Kleber, Dübel, Metallschienen), dem Dämmstoff (Mineralwolle, Polystyrol-Hartschaum, Kork, Hanf, Holzfaser etc.), der Armierungsschicht (Glasfasergewebe) und dem Außenputz (Mineralputze, Silikatputze, Kunstharzputze, Silikonputze). Bei allen Komponenten gibt es inzwischen unzählige Varianten und Materialien. Allein die Außenputze können in den unterschiedlichsten Oberflächen, Korngrößen und Farben ausgeführt werden.
Bild oben: Im Viva-Forschungspark von Baumit evaluieren WissenschafterInnen unterschiedliche Bauweisen.
Aufgrund der großen Vielfalt an Fassadensystemen läuft der Einwand, thermische Sanierung würde das Stadtbild vereinheitlichen oder verfälschen, ins Leere. Sogar historische Gebäude mit aufwendigen, dekorativen Elementen bleiben durch eigens angefertigte Profile originalgetreu erhalten.
Beim »Hamerling«, einem Wiener Prachtbau aus der Kaiserzeit, der einst das Kartographische Institut beherbergte, gelang die Kernsanierung unter den strengen Auflagen des Denkmalschutzes. Im Anschluss wurde die historische Optik wiederhergestellt. Der Dämmstoffhersteller Austrotherm fertigte passgenaue Schalengesimse an, die über die bestehenden Gesimse gestülpt und über die Armierungsebene in das WDVS eingebunden wurden.
Die Kosten für eine thermische Sanierung amortisieren sich rasch, wobei das beste Preis-Leistungs-Verhältnis nach wie vor WDVS mit Polystyrol bieten. In puncto Ökobilanz haben die lange Zeit umstrittenen EPS- und XPS-Platten längst aufgeholt. Baumit-Chef Georg Bursik hält Styropor auch in Zukunft für »ökonomisch und ökologisch unverzichtbar«: »Styropor ist zwar ein Erdölprodukt, es benötigt aber außerordentlich wenig von dieser wertvollen Ressource. Es besteht in der Regel zu 98 % aus Luft. Im Verhältnis zum Endprodukt ist die verwendete Rohstoffmenge mit nur 2 % des Volumens also äußerst gering. Mit jedem Liter Erdöl, der zur Herstellung von Styropor verwendet wird, werden rund 100 Liter Heizöl eingespart.«
Überraschende Ergebnisse
Seit 2015 werden im Viva-Forschungspark, beim Stammsitz des Baustoffkonzerns Baumit im niederösterreichischen Wopfing gelegen, in einem Langzeitprojekt unterschiedliche Bauweisen verglichen. In zwölf Häusern mit gleichem Rauminhalt und gleichem Boden- und Deckenaufbau, aber unterschiedlicher Beschaffenheit der Wände simuliert ein Forscherteam reale Wohnsituationen und analysiert Zusammenhänge zwischen Baustoffen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit.
Bild oben: Georg Bursik, Baumit: »Der Trend geht ganz klar in Richtung ökologisches und gesundes Bauen.«
Die Messungen und Evaluierungen werden von WissenschafterInnen der FH Burgenland, des Instituts für Baubiologie und Bauökologie und der MedUni Wien vorgenommen. Bei der Zwischenbilanz nach zwei Jahren schnitt das ungedämmte Musterhaus mit einem um 250 % erhöhten Energieverbrauch am schlechtesten ab, ebenso bei allen bauphysikalischen Auswertungen und der Behaglichkeit. Häuser mit guter Außendämmung und Innenmasse speichern Energie am besten und gleichen kurzfristige Temperaturschwankungen optimal aus. Dickeren Ziegeln mit integrierter Dämmung fehlt es dagegen an Speichermasse, sie müssen von außen nach innen extreme Temperaturunterschiede aushalten.
Einige Ergebnisse überraschten die Forscher. So stellte sich heraus, dass spezielle Wärmedämmungen, beispielsweise Phenolharz-Hartschaumplatten, auch ein guter Schallschutz sind. Durch die besondere Elastizität der Dämmplatten federt der Schall, ähnlich wie bei einem Trampolin, ab. Bezüglich des Geruchs zeigten sich ebenfalls interessante Unterschiede: Trotz eines regelmäßigen Luftaustausches beurteilten Besucher die Gipskartonhäuser und das Holzmassivhaus nach 17 Monaten noch immer als olfaktorisch auffällig, während sich der baustellentypische Geruch in Beton- und Ziegelhäusern schon nach kurzer Zeit verflüchtigt hatte. Zunächst für drei Jahre angelegt, erweiterte Baumit im Vorjahr den Forschungspark mit zwei »Gründerzeithäusern« aus Backsteinziegeln – eines lediglich verputzt, eines mit Dämmung samt Außenputz. Hier werden die Sinnhaftigkeit nachträglicher Wärmedämmung und deren Auswirkungen auf die Bausubstanz überprüft. Auch in den bestehenden Häusern laufen die Tests weiter, etwa mit Luftionenmessungen, die Erkenntnisse über die Filterung von Feinstaub liefern sollen.
Bild oben: Hartwig Künzel, Universität Stuttgart: »Luftdichtheit hat nichts mit der Wärmedämmung zu tun.«
Weltraumtechnik für Gebäude
Der Vorarlberger Baustoffspezialist Röfix nahm bei der Entwicklung eines Höchstleistungsdämmsystems bei der Weltraumtechnologie Anleihen. Aerogel, Basis für einen innovativen Dämmputz, wurde bereits in den 1960er-Jahren zur Isolation von Raumanzügen eingesetzt.
Bild oben: Michael Wiessner, Röfix: »Die Ansprüche und Anforderungen im Bereich Renovierung und Sanierung steigen.«
Aerogel, hergestellt aus Silikat, besteht zu 98 % aus Luft und ist damit der leichteste Feststoff der Welt. Durch die extrem poröse Gefügestruktur werden die Luftmoleküle in die Poren eingeschlossen und die Wärmeübertragung auf ein Minimum reduziert. Aufgrund seiner mineralischen, kalkhaltigen Zusammensetzung wirkt der Aerogel-Dämmputz zudem besonders feuchteregulierend.
»Unsere Vision ist es, bewährte, nachhaltige Baustoffe mit modernen Baustoffen zu völlig neuartigen Systemen zusammenzuführen«, sagt Röfix-Regionengeschäftsführer Michael Wiessner. Er sieht in technologischen Innovationen wie dieser die
Voraussetzung für »Qualität, Nachhaltigkeit und Langlebigkeit in allen Baubereichen«: »Die Ansprüche und Anforderungen gerade im Bereich der Renovierung und Sanierung steigen. Neue Wege sind gefragt, um Energieeffizienz und beispielsweise Denkmalschutz perfekt unter einen Hut zu bringen.«
Aufgrund baulicher Voraussetzungen sind bei manchen Fassaden Sonderlösungen gefragt. Aerogel-Dämmplatten in form von Vliesen und WDVS-Dämmplatten ermöglichen einen noch schlankeren Aufbau als herkömmliche WDVS. Ihr Einsatz bietet sich in beengten Verhältnissen an, wenn in einer Baukonstruktion nicht ausreichend Platz zur Verfügung steht. Diese und andere Superisolationsmaterialien sind noch vergleichsweise teuer, sie könnten aber die Gebäudedämmung revolutionieren. Unabhängig davon, für welche Dämmstoffe und Methode man sich entscheidet, hochwertiges Material, geprüfte Produkte und saubere Verarbeitung bleiben aber die entscheidenden Faktoren. Die Zukunft der Dämmung ist vielfältig – wie die dafür verwendeten Materialien und Systeme.