"Ich war immer ein Hackler"
- Written by Mag. Angela Heissenberger
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Leo Hillinger baute sein Weingut mit Schulden auf – »ein Fehler«, wie er heute meint. Die finanziellen Sorgen ist er inzwischen los, zur Ruhe kommt der leidenschaftliche Unternehmer dennoch selten: Er will »die Welt verändern«. Anfeindungen und Neid spornen ihn nur an.
Report: Sie haben 1990 den Weinhandel Ihres Vaters mit Schulden übernommen. Mit all der gewonnenen Erfahrung – würden Sie das rückblickend betrachtet wieder tun?
Leo Hillinger: Es war ein reiner Handelsbetrieb, alles veraltet. Aus heutiger Sicht, als weiser Betriebswirt, wäre das für mich keine Option mehr. Eine unermessliche Naivität hat mich dazu bewogen.
Report: Um den Betrieb zu modernisieren, mussten Sie weitere Kredite aufnehmen. Würden die Banken da heute überhaupt mitspielen?
Hillinger: Das wäre nicht mehr möglich. Wenn man bei Null anfängt, ist es noch leichter. Ich hatte aber 400.000 Euro Schulden zu 17 Prozent Verzinsung – das ist Aquaplaning. Ich weiß gar nicht, wie ich das geschafft habe.
Report: Für die Flat-Lake-Linie des Diskonters Hofer fungieren Sie als Berater. Viele Menschen glauben aber, das sei Ihr Wein. Warum treten Sie auch in der Werbung als Testimonial auf, wenn es dadurch offenbar leicht zu Verwechslungen kommt?
Hillinger: Es handelt sich um eine Winzergenossenschaft von jungen Weinbauern und Weinhändlern, die qualitätsorientiert arbeiten wollen. Ich begleite das Produkt komplett von Anbau bis zum fertigen Produkt. Ich stehe zu dieser Marke. Es ist aber kein Hillinger-Wein, diese Mengen wären ja gar nicht zu schaffen.
Report: Ein großer Teil Ihrer eigenen Weine geht in den Export. Ist Österreich allein zu klein?
Hillinger: Der österreichische Markt ist mein Heimmarkt und deshalb am interessantesten für mich. Wir machen bereits den achten Laden auf, um eng an den Endverbrauchern dran zu sein. Das ist ein ganz wichtiges Marketinginstrument.
50 Prozent des Weines gehen ins Ausland. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das am gescheitesten. Das ist wie beim Mühlespiel: Man muss drei, vier Mühlen haben, um immer eine andere zu- oder aufmachen zu können. Ich bin Unternehmer aus Leidenschaft und für meine 100 Mitarbeiter verantwortlich. Wenn ein Bereich schwächer wird, muss ich ausweichen können.
Report: Wie haben Sie es in die ausländischen Absatzmärkte geschafft?
Hillinger: Wir arbeiten sehr intensiv mit unseren Händlern zusammen, daraus ergeben sich immer wieder neue Kontakte. Das ist für uns eine bessere Werbung, als auf Messen zu gehen. Wir sind sechs- bis achtmal jährlich in den USA und sicher achtmal in China. Meine Mitarbeiter sind 280 Tage im Jahr unterwegs. Wir sind richtige Gasgeber, das macht uns aus. Diese Anfeindungen und der Neid motivieren uns sehr. Dann wissen wir, dass wir es richtig machen.
Report: Ist Neid eine spezifisch österreichische Eigenschaft?
Hillinger: In Deutschland ist es fast noch intensiver. Die Gerüchte werden von Mitbewerbern gestreut. Bei den Blindverkostungen zeigt sich dann unsere Qualität: Wir haben wir schon alles gewonnen.
Report: Trotz der vielen Auszeichnungen sprechen Ihnen manche Kritiker fachliches Know-how ab. Ärgert Sie das?
Hillinger: Ich habe mich in Südafrika, Neuseeland, Kalifornien, Australien und Deutschland weitergebildet. Dieses Wissen kann mir keiner absprechen. Aber wenn du ein bisschen im Rampenlicht stehst, bist du in Österreich schon ein Trottel. Ich würde nie über andere schlecht reden, das fällt mir gar nicht ein.
"Wir sind richtige Gasgeber, das macht uns aus. Diese Anfeindungen und der Neid motivieren uns sehr. Dann wissen wir, dass wir es richtig machen." |
Report: Für die Puls 4-Sendung »2 Minuten 2 Millionen« agieren Sie als Business Angel. Welchen Rat können Sie Jungunternehmern auf den Weg mitgeben?
Hillinger: Konsequenz, Konsequenz, Konsequenz – sonst geht es nicht. Sie müssen an ihren Ideen festhalten und es durchziehen. Viele glauben, es geht immer alles so leicht.
Report: Sie waren doch selbst naiv, haben Sie vorhin erzählt.
Hillinger: Ich war aber immer ein Hackler. Heute noch fange ich um fünf Uhr früh an und arbeite bis Mitternacht. Man muss im Leben etwas bewegen und deswegen kämpfe ich so. Ich bin da, um die Welt zu verändern. Die meisten wollen nur möglichst früh in Pension gehen und fertig.
Report: Ist das eine Generationen-frage?
Hillinger: Ich glaube, die Eltern sind schuld. Sie verwöhnen ihre Kinder zu sehr.
Report: Versuchen Sie, das bei Ihren Kindern anders zu machen?
Hillinger: Ja, sie müssen schon etwas leisten, sonst kriegen sie nichts. Aber ich werde sie nicht zwingen, ins Unternehmen zu kommen. Das müssen sie schon selbst entscheiden. Nur wenn sie etwas anfangen, müssen sie es durchhalten. Von meiner Brieftasche lebt keiner.
Report: Sie konnten Ihren Betrieb zum Teil mit EU-Fördergeldern aufbauen. Können Sie die EU-Ablehnung, die zuletzt durch den Brexit wieder Schwung bekommen hat, nachvollziehen?
Hillinger: Die EU hat richtig viele Fehler gemacht. Für unseren Betrieb und das Wachstum im Burgenland war der Beitritt sicher sehr positiv. Aber das Geld ist ja nicht geschenkt: 60 Prozent der Förderung muss man trotzdem zurückzahlen, das ist bei sieben Millionen Euro auch nicht so wenig. Für die Weinwirtschaft kam dieser Anreiz genau zum richtigen Zeitpunkt. Die Menschen haben inzwischen das Vertrauen in die EU verloren. Ich bin kein EU-Gegner, würde aber einen EWR, also eine Wirtschaftsgemeinschaft, bevorzugen.
Report: Haben Sie einmal daran gedacht, sich politisch zu betätigen?
Hillinger: Das ist verlorene Liebesmüh und kommt für mich gar nicht in Frage. Ich verbringe lieber jegliche Freizeit mit meiner Frau und meinen Kindern.
Report: Auch nicht in einer Interessensvertretung?
Hillinger: Ich habe schon versucht, Einkaufsgenossenschaften zu gründen, aber da ist man nur der Depp der Nation. Das entzieht nur Energie. Meine Mitarbeiter und ich sind wie eine Familie, wir reißen die Welt nieder, uns taugt die Arbeit. Wir werden sicher keine Energie verschwenden, um anderen das Leben leichter zu machen.
Report: Wein ist ein sehr traditionelles Produkt. Wie entscheidend ist das Marketing für den Erfolg?
Hillinger: Ein gutes Produkt verdient gutes Marketing. Ein schlechtes Produkt mit gutem Marketing bewirkt einen schnellen Tod. Das Produkt muss Weltklasse sein. Nur dann kann man gutes Marketing machen. Jede einzelne Flasche ist ein Marketinginstrument.
Report: Die Qualität eines Weines ist zu einem erheblichen Teil vom Wetter abhängig. Ist das Ihr täglicher Nervenkitzel?
Hillinger: Gott sei Dank können wir nicht wie in Australien Weine nach Rezept machen! Das wollen wir ja nicht. Man kann immer das Beste aus einem Jahrgang herausholen. Wir machen sogar Luftfeuchtigkeitsmessungen mit Drohnen.
Report: Wird 2016 ein gutes Weinjahr?
Hillinger: Bitte, hören Sie auf! Ich habe im August 2014 in einem Interview gesagt: »Das wird ein grandioser Jahrgang.« Bis dahin lief alles so schön. Am Nachmittag hat es zu regnen begonnen und bis Oktober nicht mehr aufgehört. Alles war kaputt. Das mache ich nicht mehr – Prognosen gibt es erst, wenn der Wein im Keller ist.
Zur Person
Leo Hillinger, 1967 in Eisenstadt geboren, absolvierte die Weinbauschule in Krems und zog als 19-Jähriger mit einem Stipendium nach Kalifornien, wo er sich mit der Herstellung von Qualitätsweinen befasste. 1990 übernahm Hillinger den Weinhandel seines Vaters und baute das Unternehmen zu einem der größten privaten Weingüter Österreichs um und aus. In mehreren Praktika in Südafrika, Australien und Neuseeland perfektionierte er seine Kenntnisse. 2004 errichtete Hillinger in Jois im Burgenland eine Produktionsstätte, die zu den modernsten weinbaubetrieblichen Anlagen Europas zählt. 2005 eröffnete er im benachbarten Parndorf einen Flagship-Store, sieben weitere Shops und Lounges, u.a. in Wien, Salzburg und München, folgten. Rund 50 % der Gesamtproduktion werden exportiert, vor allem in die Schweiz, die USA, China und Osteuropa. Die Weine werden auch auf Kreuzfahrtschiffen und Flügen der Austrian Airlines angeboten. Das Weingut Hillinger ist Träger zahlreicher nationaler und internationaler Auszeichnungen. 2006 wurde das Unternehmen in die Leo Hillinger Privatstiftung eingebracht.