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Unternehmen in Bewegung

Unternehmen in Bewegung Foto: Thinkstock

Erfolg kann träge machen. Firmen, die sich nicht erst verändern, wenn der Markt es verlangt, sondern von sich aus nach Innovation, Kreativität und Exzellenz streben, haben im Wettbewerb die Nase vorn. Ein Fitnessprogramm für Unternehmen.

Die meisten Menschen mögen keine Veränderungen. Wenn die Welt rundherum in Aufruhr  ist und sich manche Branchen mit marktschreierisch Angeboten übertrumpfen, ist es ganz angenehm, zu wissen, was der nächste Tag bringen wird. Eine erfolgreiche Produktpalette, solide Lieferanten, treue Auftraggeber – so kann es ewig weitergehen. Tut es aber nicht.

Der Verdrängungswettbewerb ist enorm. Während sich die im S&P 500-Index gelisteten Unternehmen im Jahr 1920 noch im Schnitt 65 Jahre dort behaupten konnten, beträgt die durchschnittliche Verweildauer inzwischen nur noch zehn Jahre. 2027 werden 75 % der heutigen S&P 500-Unternehmen nicht mehr in dem Index aufscheinen. »Neue Umstände und Bedingungen können die Stellung eines Unternehmens im Handumdrehen untergraben«, sagt Tim Zimmermann, Senior Partner bei Roland Berger in München.

Glossar

Seit Juni 2013 läuft an der FH Wien ein vierjähriges Forschungsprojekt, das untersucht, wie Unternehmen im Umgang mit Veränderungen agieren. Aus mehr als 30 Interviews mit CEOs und Führungskräften österreichischer Unternehmen und rund 400 Tests, in denen MitarbeiterInnen auf ihre Veränderungsfähigkeit geprüft wurden, entwickelte das interdisziplinäre ForscherInnenteam unter der Leitung von Christina Schweiger und Barbara Kump Methoden zur Diagnose und Förderung strategischer Veränderungskompetenzen. »Anhand von aufgezeigten Handlungsfeldern und -kompetenzen haben sich für uns diverse Möglichkeiten ergeben, Veränderungen optimal für unser Unternehmen zu nutzen. Wir werden an der Umsetzung der Ergebnisse arbeiten, um im dynamischen IT-Markt weiter wettbewerbsfähig zu bleiben und rasch auf Veränderungen reagieren zu können«, beschreibt Jasmin Likar, HR-Business Partner bei Phoron Consulting, ihren Nutzen aus der Teilnahme an der Längsschnittstudie.

Derzeit befindet sich das anwendungsorientierte Projekt in der zweiten Phase. In Kooperationen mit über 15 Unternehmen werden die Methoden in Workshops optimiert und auf Basis fundierter wissenschaftlicher Analyse evaluiert, um den Transfer zwischen Forschung, Lehre und Praxis weiter zu stärken. Neben der Etablierung von passenden Strukturen zum flexiblen Umgang mit Veränderungen stehen das Erkennen von »blinden Flecken« sowie wirksame Hebel zur Gestaltung einer Veränderungskultur im Mittelpunkt. »Damit Unternehmen veränderungsfähig bleiben, ist es notwendig, die einzelnen Komponenten der Veränderungskompetenz mit geeigneten, mitunter kreativen Methoden zu fördern und immer wieder gezielt aufeinander abzustimmen«, betonen die Studienleiterinnen. Der erste Anstoß war jedenfalls erfolgreich, wie Karin Schmitzer, Leiterin Management Services bei Anecon, bestätigt: »Die Teilnahme am Projekt hat uns darin bestärkt, dieses Jahr einen Strategieprozess zu starten und uns im Rahmen dessen mit unserer Positionierung und unserem Angebot stärker auseinanderzusetzen.«

Info: www.kmu-in-veraenderung.at

Wer rastet, der rostet

Solange das Unternehmen floriert, gibt es scheinbar keinen Grund, aus bewährten Mustern auszubrechen. Schotten sich einzelne Gruppen oder Abteilungen ab, fällt es lange Zeit nicht auf oder wird toleriert, weil die Arbeitsabläufe ja im Prinzip funktionieren. Diese Verkapselungen verstopfen aber den Kommunikationsfluss innerhalb des Unternehmens. Wie bei einem Organismus werden Krankheiten oft erst bemerkt, wenn es zu spät ist. Interne Machtspielchen können die Organisation zusätzlich lähmen. In den »Adern, durch die Energie, Information und Ideen fließen« sollten, so Freek Vermeulen, Professor an der London Business School, »sammeln sich Schadstoffe an und es droht ein Infarkt«.

Doch auch ohne »krankhafte« Auswüchse kann zu viel Routine das Potenzial für Innovationen bremsen. Schon die übliche personelle Dynamik sollten Organisationen deshalb zu neuen Konstellationen nützen. Umstrukturierungen brechen gewohnte Strukturen auf und bringen Mitarbeiter dazu, sich neu zu vernetzen.

Bild: Dynamische Bedingungen. Ob Unternehmen langfristig wettbewerbs- und überlebensfähig bleiben, hängt von ihrer Veränderungslogik ab.    

Stabile Phasen wiegen das Unternehmen in selbstgefälliger Sicherheit. Läuft es dann nicht mehr ganz so rund, ist es für die Erarbeitung neuer Strategien bereits zu spät. Sven Heck, Trainer an der Haufe Akademie, empfiehlt einen Perspektivenwechsel unter dem Motto »Next Level Thinking«: »Die Basis für Erfolg liegt in unserer Fähigkeit, Realitäten zu erkennen und intellligent damit umzugehen, indem wir optimale Perspektiven entwickeln und diese kommunizieren.«

Den Chefstrategen obliegt dabei nicht nur die Aufgabe, die einzelnen Maßnahmen zu koordinieren  und den Überblick über die Gesamtstrategie zu wahren. Sie übernehmen zunehmend auch die Rolle eines Kommunikators, um alle Interessen in Einklang zu bringen. Vor allem global tätige Unternehmen brauchen den Input aller Beteiligten, wenn sie schnell und flexibel auf Kundenwünsche und Markttrends reagieren wollen. »Mitarbeiter sind motivierter und eher bereit, die neue Strategie zu akzeptieren und zu implementieren, wenn diese nicht einfach von oben vorgesetzt wird«, erklärt Zimmermann. Führungsqualität und Unternehmenskultur sind die entscheidenden Faktoren, wie Michel Vlasselaer, ebenfalls Senior Partner bei Roland Berger, bestätigt. »Es steht außer Frage, dass der Transformationsprozess echte Führungspersönlichkeiten erfordert, die kreativ und couragiert, visionär, tatkräftig und emotional sind.«

Scheuklappen-Mentalität

Was aber, wenn die Umgebung so instabil ist, dass Entwicklungen kaum abzuschätzen sind? Gerade in sehr dynamischen Märkten ist ein langfristig strategischer Plan nur von geringem Nutzen. Ja, er kann sogar den Unternehmenserfolg gefährden, wenn trotz negativer Signale starr daran festgehalten wird. Am Ziel angekommen, stellt sich heraus, dass der Markt einen anderen Weg eingeschlagen hat.
In der Fachliteratur spricht man von einem »Strategic Drift«, wenn die Anforderungen des Geschäftsumfeldes nicht mehr mit der Unternehmensführung übereinstimmen. Wird die Abweichung zu groß, muss eine grundlegende Veränderung stattfinden – oder das Unternehmen geht unter.

Der Berliner Gesundheitsökonom Bidjan Sobhani beschreibt dies anschaulich mit Scheuklappen, die verhindern sollen, dass sich das Pferd ablenken lässt: »Es soll sich nicht von irrelevanten Gefahren scheu machen, aber auch nicht durch die vielfältigen Verlockungen um sich herum vom Wege abbringen lassen.« Solange das Pferd gemütlich vor sich hin trabt, mag das von Vorteil sein, so Sobhani. Im Galopp jedoch würde das Pferd Hindernisse erst zu spät wahrnehmen und sich möglicherweise verletzen, die Wassertränke übersehen und am Weg verdursten.

Auch in Unternehmen mache die Bündelung der Aktivitäten, ausgerichtet auf ein Ziel, das nicht täglich neu diskutiert werden muss, sehr wohl Sinn. »In welchen Abständen Strategien überdacht und angepasst werden müssen, hängt von der Veränderungsdynamik der Umwelt ab, in der sich das Unternehmen befindet«, erklärt Sobhani in seinem Buch »Strategisches Management«. Wie so oft, kommt es auf das Ziel an: Wandel nur um der Veränderung Willen macht keinen Sinn. »Systematische Unruhe« heißt das im Fachjargon – auch die stetige Veränderung wird allmählich zur Routine. Die Mitarbeiter stumpfen ab und vollziehen die angeordnete Transformation nur halbherzig, wohlwissend dass mit dem nächsten Manager wieder ein neuer Change Prozess Einzug hält. »Leadership bedeutet, einen Rahmen zu schaffen, der es Mitarbeitern ermöglicht, positiv mit diesen Dynamiken umzugehen, Zukunft zu gesatlten und nicht gestaltet zu werden«, erläutert Franz Kühmayer im «Leadership Report 2016«.

Die Implementierung einer Strategie dauert zwischen zwei und fünf Jahre – und der Erfolg kann erst danach gemessen werden. Diese Bestätigung bleibt den verantwortlichen Managern versagt, meint Markus Menz, Professor an der Universität Genf: »Viele CSOs erleben diesen Moment oft nicht mehr, weil sie eine neue Aufgabe haben oder das Unternehmen verlassen haben.«

Glossar

Fünf Stufen der Transformation

Diese fünf Schritte sind in allen Bereichen eines Unternehmens – Führung, Kultur, Strategie, Struktur, Prozesse und Systeme – zu vollziehen. Im Gegensatz zu Restrukturierungsprojekten, die meist unter hohem Zeitdruck durchgeführt werden, ist eine echte Transformation auf Dauer angelegt.

1. Awareness (Einsicht): Warum sind Veränderungen nötig? In der ersten Phase wird die Unternehmensstrategie kritisch durchleuchtet, um Probleme des Geschäftsmodells zu erkennen. Der Prozess beginnt mit einer Analyse des Branchenumfelds, der Identifizierung relevanter Trends und der Überprüfung des Nutzenversprechens (Value Proposition). Ebenso wichtig ist ein Blick auf die internen Voraussetzungen wie Corporate Governance, Managementprozesse und Unternehmenskultur.

2. Ambition (Zielsetzung): Wohin geht die Reise? Im zweiten Schritt werden die strategischen Transformationsziele und der Weg dorthin definiert. Welche Strukturen, Prozesse und Systeme können die Realisierung behindern? Jetzt werden auch sogenannte »Change Agents« bestimmt, die über für die nötigen Führungsqualitäten verfügen und eine Kettenreaktion im Unternehmen in Gang setzen können.

3. Arrangement (Organisation): Wie lässt sich der Wandel systematisch gestalten? Aus den strategischen Zielen wird ein Konzept operativer Maßnahmen abgeleitet, ein Zeitplan für die Umsetzung festgelegt und neue Strukturen, Prozesse und unterstützende Systeme entwickelt. Projektpläne werden ausgearbeitet, der Ressourceneinsatz bei Bedarf nachjustiert. Detaillierte Kommunikationspläne sollen alle internen Stakeholder ins Boot holen, um sie für die Umsetzung zu motivieren.

4.  Action (Umsetzung): Wie kann das Konzept umgesetzt werden? Der Transformationsplan wird in vollem Umfang ausgerollt. Die Change Agents arbeiten daran, den Wandel in der Unternehmenskultur zu verwurzeln. Dafür müssen Management und Mitarbeiter neue Routinen innerhalb der veränderten Strukturen und Prozesse entwickeln. Um das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, ist es wichtig, schnell Erfolge zu realisieren und diese mit Nachdruck zu kommunizieren.

5. Anchoring (Verankerung): Was kommt nach der Ziellinie? Alle Ergebnisse kommen auf den Prüfstand: Wie effizient sind die neuen Strukturen? Wie sind die bisherigen finanziellen Auswirkungen? Wo sind Verbesserungen nötig? An kritischen Punkten in der Organisation muss die Umsetzung weiter forciert werden, »Transformation Champions« können helfen. Am Ende dieser Phase sollten Vision und Strategie für die nächsten Jahre feststehen.Quelle: Roland Berger

 

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