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Qualität aus dem Osten

Qualität aus dem Osten

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs blieb in Osteuropa und der ehemaligen DDR kaum ein Stein auf dem anderen. Dennoch gibt es Unternehmen und Marken, die die Wende überlebt haben – und bis heute auch im Westen populär sind.

Von Angela Heissenberger

Ende 1991 war die Stimmung der »Zeissianer« am Tiefpunkt. Auf einen Schlag verloren 16.000 Mitarbeiter der Carl Zeiss GmbH am Standort Jena ihren Arbeitsplatz. Viele langjährige Angestellte sahen mit Tränen in den Augen zu, wie Werksgebäude abgerissen und zu einem Einkaufszentrum umgebaut wurden. Zu DDR-Zeiten galt Zeiss als volkseigener Vorzeigebetrieb mit 30.000 Beschäftigten. Hochpräzise Optiken für Kameras, Mikroskope und Teleskope sowie Planetariumsprojektoren wurden hier entwickelt und gefertigt. Als die Sowjetunion ab den 1970er-Jahren zunehmend Aufträge für die Produktion optischer Militärgeräte übertrug, gewann das Kombinat auch Bedeutung als Rüstungsbetrieb. Nach der Wende sicherte sich der Standort in Oberkochen, der sich nach dem Krieg als westdeutsches Unternehmen ebenfalls unter dem Namen Zeiss etabliert hatte, Werk und Rechte an den Produkten des Ostbetriebs – auch um mögliche Konkurrenz zweier Unternehmen gleichen Namens auszuschalten. In Jena machte sich die Angst breit, nur noch eine »verlängerte Werkbank« von Oberkochen zu sein. Nicht alle Befürchtungen haben sich bestätigt. Von den 10.800 Zeiss-Beschäftigten in Deutschland ist noch fast jeder Fünfte am Gründungsstandort in Jena tätig. Der Konzern umfasst heute vier Tochtergesellschaften und hat sich inzwischen in der Medizintechnik und in der Halbleiterfertigung einen Namen gemacht. Auch in den angestammten Bereichen zählt Carl Zeiss Jena weiterhin zur Weltspitze: Erst im Vorjahr gingen Aufträge für sechs Großplanetarien
ein.

Ost-West-Lücke

Zeiss ist eines der seltenen Beispiele, wo die Wende in die Marktwirtschaft geglückt ist. In der Regel waren die großteils veralteten und ineffizienten VEB-Fabriken nicht überlebensfähig – unzählige, dem Verfall preisgegebene Industriebauten im Osten Deutschlands zeugen noch jetzt davon. Mit der Schließung dieser Betriebe wurden auch tausende Beschäftigte nicht mehr benötigt. Die modernisierten oder neu errichteten Unternehmen benötigten viel weniger Arbeitskräfte, zudem verfügten diese kaum über die entsprechende Ausbildung. Viele sahen auch deshalb im Westen bessere Perspektiven: 1990 bis 2013 verließen per saldo 1,9 Millionen Menschen Ostdeutschland, wo die Arbeitslosigkeit Mitte der 2000er-Jahre die 20 %-Marke erreichte. Auch der Aufholprozess bei Wirtschaftskraft und Produktivität flachte zu diesem Zeitpunkt deutlich ab. »In den 2000er-Jahren hat sich die Ost-West-Lücke bei diesen beiden Größen kaum mehr verändert«, analysierte das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle anlässlich des Mauerfall-Jubiläums. Trotz aller Fortschritte setzen ostdeutsche Industriebetriebe ihre Erzeugnisse noch immer überwiegend auf regionalen Märkten ab. Auch Betriebe, deren Produkte schon in DDR-Zeiten und davor über die Grenzen hinaus bekannt waren, hatten es nicht unbedingt leichter. Sie kämpften meist gegen die Übermacht westlicher Unternehmen und mussten sich gegen ungewollte Umklammerung wehren. Die »Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen« steht zwar im Eigentum des Freistaates Sachsen. Ein Rechtsstreit zwischen dem Unternehmen und der Stadt um die Marke »Meissen«, die auch Konkurrenzbetriebe in unterschiedlicher Schreibweise für Werbemaßnahmen nutzen möchten, beschäftigt seit Monaten die Gerichte. Trotz Weltrufs der kunstvollen Keramik mit dem typisch blau weißen Zwiebelmuster, die einst stärkster Devisenbringer der DDR war, schreibt das Unternehmen seit der Wende rote Zahlen. Nur noch ein Drittel der ursprünglich 1.800 Mitarbeiter konnte den Arbeitsplatz behalten.

Ski mit Weltruf

Ebenfalls in Schwierigkeiten steckt der slowenische Ski-Hersteller Elan. Seit der Trennung aus dem Staatsverband Jugoslawiens mehrheitlich in Staatsbesitz stehend, sucht die Elan-Gruppe seit drei Jahren einen Käufer. Angebote diverser Investmentfonds scheiterten letztlich. Im März 2013 meldete die österreichische Elan-Tochter, eine Snowboardfabrik in Kärnten, Konkurs an. Dabei hatte Elan in der Ski-Entwicklung stets neue Maßstäbe gesetzt. 1945 vom Tischler und Skispringer Rudi Finzgar gegründet, vertrauten zunächst vorwiegend Sportler aus den sozialistischen Staaten aus Loyalität auf das innovative Material. Erst in den 1970er-Jahren kam mit Ingemar Stenmark der große internationale Durchbruch: Der schwedische Slalom-Star vertraute mehr als 20 Jahre auf Elan und errang damit 86 Weltcupsiege. Heute sind der italienische Skirennläufer Massimiliano Blardone und der slowenische Skispringer Peter Prevc, Drittplatzierter der heurigen Vierschanzentournee, die bekanntesten Testimonials.

Liebstes Kind

Im Automobilsektor sind zwei aus Oststaaten stammende Marken – ganz ohne Retro-Charme – heute populärer denn je. Mit dem Dacia verbindet die meisten Rumänen eine große Leidenschaft, bis zum Fall des Eisernen Vorhangs sah man auf rumänischen Straßen kaum eine andere Automarke. Der Weg zum ersehnten eigenen Wagen gestaltete sich äußerst schwierig: Der Preis war in etwa so hoch wie für eine Zwei-Zimmer-Wohnung, man musste das Geld schon vorab bei der staatlichen Sparkasse CEC deponieren und dennoch mehrere Jahre warten. 1966 wurde das Automobilwerk in Mioveni errichtet, schon zwei Jahre später schloss die rumänische Regierung einen Lizenzvertrag mit Renault ab. Das war der Startschuss für den Dacia 1100 – genau genommen ein Renault 8, der lediglich in Rumänien zusammengebaut wurde. 1969 kam der Dacia 1300, ein Lizenzmodell des Renault 12, der über drei Jahrzehnte zum erklärten Liebling der Rumänen avancierte. Urlaubsfotos aus dieser Zeit sind ohne das begehrte Fahrzeug undenkbar. Andere Modelle konnten diesen Erfolg nicht annähernd erreichen. 1998 übernahm Renault 51 % von Dacia und erhöhte 2003 die Beteiligung auf fast 100 %. Der französische Hersteller läutete eine neue Ära ein. 2005 war der Dacia das meistverkaufte Auto in Mittel- und Osteuropa, inzwischen etablierte sich die Marke auch auf den wichtigen westeuropäischen Märkten wie Deutschland und Frankreich. Der tschechische Autohersteller Skoda kann auf eine noch längere Geschichte zurückblicken. Bereits 1895 wurde das Unternehmen gegründet, 1945 verstaatlicht. Seit 1991 ist das Unternehmen Teil der Volkswagen AG. Skoda ist heute in über 100 Ländern vertreten, stärkster Absatzmarkt ist China. Durchaus schnittige Modelle wie der Cabrio Felicia oder die Sport-Coupés Garde und Rapid waren jedoch schon während des Kommunismus wichtige Exportartikel. Eine großzügige Limousine mit Automatik und ABS erschien der sozialistischen Führung jedoch als zu »westlich«. Die Adaptierung der Produktionsanlagen erwies sich als unwirtschaftlich, es blieb bei einigen Prototypen. Der Bevölkerung wurde indessen vermittelt, die Sowjetunion habe die Serienfertigung verhindert.

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