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Alle für den Mittelstand

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Die Parteien machen sich derzeit stark für KMU – schließlich ist ja Wahlkampf. Wer es wirklich ehrlich meint, wurde am 9. September bei einer hitzigen Podiumsdiskussion, zu der die »Lobby der Mitte« und der Österreichische Gewerbeverein geladen hatten, ein bisschen klarer.

Vertreter von sieben Parteien – SPÖ, ÖVP, FPÖ, BZÖ, Grüne, Team Stronach und Neos – stellten sich dem Thema, das Lobby-Coach Wolfgang Lusak zuvor in der einleitenden Keynote auf den Punkt gebracht hatte: »Der Mittelstand ist allen Politikern heilig. Er wird als Rückgrat der Wirtschaft gepriesen, doch letztlich nur mit neuen Vorschriften und Abgaben bedacht.«

Tatsächlich konnte man zu Beginn der Diskussion den Eindruck gewinnen, auf dem Podium sei die große Harmonie ausgebrochen und alle inhaltlichen Differenzen der Vergangenheit wären nur ein fataler Irrtum. SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter stieß sich bloß an der thematischen Ausgrenzung von Eine-Person-Unternehmen: »EPU sind die Samen auf der Unternehmenswiese, die erst heranwachsen müssen. Ich sehe keinen Unterschied zwischen Betrieben, die nur einen oder sechs Mitarbeiter haben.«

Ansonsten waren sich alle Diskutanten weitgehend einig: Die österreichischen Unternehmen seien besser als ihr Ruf, die Steuern ungerecht und viel zu hoch, die Bürokratie überbordernd und das Bildungssystem heillos veraltet. Nur Alexander Biach, Obmann des Wirtschaftsbundes Wien, erntete auf seine mit Vehemenz vorgebrachten Forderungen – »Dem Mittelstand das Rückgrat stärken und wieder mehr unternehmerische Freiheit geben« – süffisantes Lächeln und die Anmerkung, dazu hätte die ÖVP als Regierungspartei, die seit Jahren die Wirtschafts- und Finanzminister stellen, schon längst Zeit gehabt.

>> Bildungsmisere <<
In der Frage der Fachkräfte- bzw. Lehrlingsausbildung schieden sich dann doch die Geister. Christoph Matznetter mahnte, sich keinen Illusionen hinzugeben: »Es werden riesige Anstrengungen in der Sekundarstufe notwendig sein.« Eine Gesamtschule für Zehn- bis 15-jährige sei unumgänglich, eventuell auch die Verlängerung der Pflichtschule um ein Jahr. »Es macht keinen Sinn, Talente liegen zu lassen, nur weil es im ländlichen Raum keine AHS gibt.« Auch die Akademikerquote sei im internationalen Vergleich beschämend, so Matznetter: »Wir müssen die Unis aufmachen, nicht die Zugänge mit Eingangstests verrammeln.«

Neos-Vertreter Niko Alm ortete ebenfalls einen »Stillstand der Bildungspolitik« und forderte »Fächer, die die Wirtschaft wirklich braucht«, etwa Programmierunterricht ab der ersten Schulstufe. Gerald Weiss vom Team Stronach trat für eine Aufwertung der Lehre ein, immerhin habe auch Partei-gründer Frank Stronach seinen Aufstieg zum Milliardär als Werkzeugmacher begonnen. Heute mangle es bereits an Grundlegendem: »Ein Fünftel kann nach neun Jahren Schule nicht rechnen, schreiben und lesen.« Er wünscht sich betriebswirtschaftliche Bildung als Pflichtfach sowie Schulen, die ihre Lehrer selbst auswählen können, »so wie jedes Unternehmen seine Mitarbeiter selbst aussucht«.

Reinhard Pisec, Präsident der FPÖ-Fraktion Pro Mittelstand, versuchte gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu erwischen: »Wir leiden unter der unverschämt hohen Besteuerung und der Staat ist nicht im Stande, Schüler ordentlich auszubilden.« »Nicht der Staat soll die Erziehung übernehmen, die grundsätzliche Verantwortung tragen die Eltern«, hielt ÖVP-Vertreter Biach dagegen. Wirtschaftliches Wissen will auch er bereits in der Volksschule ans Kind bringen. BZÖ-Unternehmervertreter Christian Ebner würde hart durchgreifen und Schulmanager statt Direktoren installieren. Pro Kind bekämen die Schulen »nach holländischem Vorbild« Fixbeträge – »schlechte Schulen müssen dann eben zusperren«.
Der Grüne Volker Plass stellte schließlich unmissverständlich klar, wer seiner Meinung die Schuld an der Bildungsmisere trägt: »Wer am 29. September ÖVP wählt, errichtet eine Straßensperre für moderne Bildungspolitik. Wir brauchen eine gemeinsame Schule bis 16 Jahre, eine Schule ohne Angst, die Begabungen fördert und nicht Mängel und Fehler in den Mittelpunkt stellt.« Regionale Ausbildungsverbände sollten die Lehre inhaltlich aufwerten, die Kosten dafür weitgehend von der öffentlichen Hand, nicht von den Betrieben getragen werden.

>> Schlagabtausch <<
Der Vorsatz »keine Ideologie, sondern konstruktive Vorschläge« wurde in der dritten Fragerunde zum Thema Vermögen und Steuern endgültig zu Grabe getragen. Die Gastgeberin Margarete Kriz-Zwittkovits, Präsidentin des Österreichischen Gewerbevereins, lieferte sich selbst einen Schlagabtausch mit Matznetter, der mit seinem Know-how als Steuerberater konterte: »Die Großkonzerne zahlen de facto keine Steuern mehr. Und die Vermögenssteuer wird sich wegen der hohen Freibeträge ohnehin in einer Bandbreite bewegen, die nur die Reichsten betrifft. Warum wollen Sie gerade die schützen?«

Das Meinungsspektrum am Podium reichte in Folge von blanker Ablehnung neuer Steuern (»Wir brauchen eine Steuersenkung auf allen Gebieten, damit Öster­reichs Wirtschaft wieder Luft zum Atmen bekommt«, Pisec) über Verteilungsstrategien (»SPÖ und ÖVP werfen das Geld zum Fens­ter hinaus«, Ebner) bis zu Fatalismus (»Wer von Steuersenkungen spricht, muss auch sagen, auf welche Leistungen des Staates wir dafür verzichten müssen. Wie soll sich das sonst ausgehen?«, Plass).

Einig waren sich die Teilnehmer – Wirtschaft ist in österreichischen Parteien sichtlich noch immer reine Männersache – letztlich darin, dass die Lohnnebenkosten zu hoch sind. Ein unterhaltsamer Abend fand sein Ende mit der Gewissheit: Egal, wie die Wahl ausgeht – mit so viel Unterstützung dürfte die mittelständische Wirtschaft künftig keine Probleme mehr haben.

>> Positionen und Sager<<

Christian Ebner, BZÖ. »Die Inflation ist schon eine schlei-chende Vermögenssteuer.«

Christoph Matznetter, SPÖ; Niko Alm, NEOS; Gerald Weiss, TS: Einigkeit nur in der Stärkung der mittelständischen Unternehmen, in der Frage nach dem Wie scheiden sich die Geister.

Alexander Biach, ÖVP. »Wirtschaftswachstum ist nur durch einen Gründerboom erreichbar.«

Margarete Kriz-Zwittkovits, ÖGV. »Wir brauchen mehr Praktiker im Nationalrat.«

Volker Plass, Grüne. »Die Lage der Staatsfinanzen ist mehr als dramatisch. Wie soll sich da eine Steuersenkung ausgehen?«

Reinhard Pisec, FPÖ. »Wir leiden schon unter unverschämt hohen Steuern. Eine Vermögenssteuer ist blanker Unsinn.«

Last modified onDonnerstag, 19 September 2013 14:34
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