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Klein, aber in Wien

 Nussdorf ist das Flaggschiff unter den Kleinwasserkraftanlagen in Wien.Dass mitten in Wien Strom aus einigen Kleinwasserkraftwerken erzeugt wird, wissen nur eingefleischte Stadtbewohner. Ein Rundgang.

Norbert Bock ist nicht nur Experte für regenerative Energien sondern auch Sprecher des Vereins Kleinwasserkraft Österreich. Das hat mehrere Gründe – genauer gesagt: fünf. Eigentlich untypisch für eine Großstadt, wird auch auf dem Landesgebiet von Wien das kühle Nass nicht nur zum Trinken und Befahren, sondern auch zur Erzeugung von Strom genutzt. Fünf Kleinwasserkraftwerke lassen Trinkwasser, Abwasser und Donauwasser durch ihre emsigen Turbinen sprudeln und liefern jährlich gut 35 Mio. KWh Strom. Mit dieser Menge können umgerechnet 17.000 Haushalte in der Hauptstadt versorgt werden.

Kleinwasserkraft-Sprecher Norbert Bock, »Kleinwasserkraftanlagen liefern in Wien Energie für 17.000 Haushalte.«Kleinwasserkraft – das ist anderorts oft nur schwer finanzierbar, wenn beispielsweise ein Mühlwasserkraftwerk zwar zur Schneeschmelze in den Frühjahrsmonaten viel leistet, den Rest des Jahres aber schwächelt. Wien ist anders: Man muss sie suchen, die kleinen Stromerzeuger, aber sie laufen das ganze Jahr, ohne zu murren. Das größte unter ihnen, das Flaggschiff Nussdorf, frisst Donauwasser und wird daher übers Jahr durchgehend satt.

1. Kleinwasserkraftwerk Nussdorf
Die schöne Schleuse auf der Höhe des Stadtteils Nussdorf bildet seit Jahrzehnten die beste Hochwasserbarriere für den schutzbedürftigen Donaukanal. Die von einem großen Wiener, dem Jugendstil-Architekten Otto Wagner geplante Schemerlbrücke mit den mächtigen Löwenstatuen wurde von dem Triumvirat Wien Energie, EVN und Verbund-Austrian Hydro Power mit Matrixturbinen bestückt. Sichtbare Eingriffe in das denkmalgeschützte Bauwerk waren verboten, also wurde das Kraftwerk unterhalb in der Schleusenanlage eingebaut. Durch den Bau des Donaukraftwerks Freudenau Ende der 80er-Jahre stieg der Wasserpegel der Donau bis kurz vor Klosterneuburg um gut fünf Meter. Dieser Höhenunterschied wird nun im Kleinwasserkraftwerk Nussdorf mit zwölf Turbinen abgearbeitet. Anstelle der großen herkömmlichen Turbinen kommen bei der geringen Fallhöhe mehrere kleine Einheiten zum Einsatz. Auch der volle Hochwasserschutz bleibt gewährleistet. Die Nussdorfer Anlage ist für das Gros der Kleinwasserkraft Wiens verantwortlich. Sie versorgt bei einem Arbeitsvermögen von 24,6 Mio. Kilowattstunden umgerechnet rund 10.000 Haushalte. Das gesamte Wasser, das den Donaukanal von Nussdorf abwärts fließt, wird von den nebeneinander gelegenen Matrixturbinen durchgemixt. Da bleibt kein Tropfen ungenutzt.

2. Kleinwasserkraftwerk Mauer
An einem anderen Ende Wiens, in Mauer, haben die Wiener Wasserwerke ein Trinkwasserkraftwerk in Betrieb. Anfang 2006 wurde diese besonders saubere Wasserkraftanlage am Ausläufer der II. Wiener Hochquellenleitung eröffnet. Eine Francis-Turbine produziert nicht nur drei Mio. Kilowattstunden Strom pro Jahr, sondern nimmt dem Fließmomentum aus dem hoch gelegenen Ötschergebiet auch die kinetische Energie. Denn: das Trinkwasser der Hochquellenleitung legt auf seinem Weg vom steirischen Hochschwab rund 200 Kilometer zurück. Dank einem Höhenunterschied von 361 Metern ist dies im natürlichen Gefälle ohne den Einsatz von Pumpen möglich. In Wien angelangt, musste die Gravitationsenergie des Wassers früher mechanisch vernichtet werden, um einen passenden, geringeren Druck für das Leitungssystem der Wiener zu erreichen. Diese Arbeit verrichteten hydraulische Regelventile, deren Betrieb stets Wartungs- und Erhaltungskosten verursacht hatte. Mit den Turbinen des Trinkwasserkraftwerks gehört dieses Verbrennen von Energie nun der Vergangenheit an. Die überschüssige Energie des Hochquellenwassers wird jetzt in Strom umgewandelt. Derzeit wird die 400-kW-Anlage über ein Contracting-Modell von Siemens betrieben und soll nach 13 Jahren Betrieb seine Investitionskosten amortisiert haben. Dann können die Eigentumsrechte zum Restwert an die Wiener Wasserwerke übergehen.

3. Abwasseranlage Simmering
Wir springen wieder quer über ein paar Bezirke und landen in Simmering. Das bekannteste Gebäude in dem Donaubezirk ist das Kraftwerk Simmering, das gut die Hälfte des Energiebedarfs der Wiener abdecken kann. Unweit davon kuschelt sich Wiens Hauptkläranlage in die Simmeringer Haide. Mit Fäulnis und Gestank hat der Abwasserbetrieb nur unter der Oberfläche zu tun – was am Ende rauskommt, ist geklärtes Wasser, das eine gleich hohe Wassergüte wie der reguläre Donauinhalt aufweisen soll. Mit Leistungsspitzen von 7,5 m3/Sekunde werden dem Abwasser hier aufwendig die ersten beiden Buchstaben weggeklärt. Die Kläranlage enthält ein Kleinwasserkraftwerk, das Strömungsenergie im Ablauf für den Eigenbedarf nutzt. »So etwas gibt es in Österreich sicher kein zweites Mal«, ist Norbert Bock stolz. Genutzt wird ein Gefälle zum Donaukanal hin – ein Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterwasser von gut fünf Metern. Eine doppelt regulierte Kaplanturbine schafft bis zu 385 kW Leistung. Damit können jährlich 1,5 Mio. kWh Strom gewonnen werden, die rund 2,6 Prozent des Verbrauchs der Kläranlage entsprechen. Immerhin: Die Amortisationszeit dieser kleinen Anlage ist seinen Betreibern zufolge, den Entsorgungsbetrieben Simmering, mit sechseinhalb Jahren sensationell gut.

4. Kraftwerk Simmering
Das Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk Simmering, das die Wiener ebenso gut wie den Stephansdom und das Riesenrad kennen und lieben, bildete vor dem Fall des Eisernen Vorhangs ein weithin sichtbares industrielles Bollwerk gegen die Braunkohlemonster im Osten. Im Inneren wird seit wenigen Jahren das Kühlwasser der Kraft-Wärme-Koppelung nun auch zur Stromerzeugung genutzt. Das Wasser wird über eine Kaplanturbine abgearbeitet, bevor es wieder in den Donaukanal geleitet wird. Um die nötige Fallhöhe in der Turbine zu erreichen, wird das Wasser zuvor geringfügig aufgestaut. Bei einer Leistung von gut 550 kW erfüllt die Auslaufturbine brav ihren Zweck, die Gesamteffizienz dieses so verlässlichen Strom- und Fernwärme-Lieferanten zu erhöhen.

5. Schleusenkraftwerk Freudenau
Wir bleiben in der Gegend, die Donau ist auch mitten in Wien eine nahezu unerschöpfliche Quelle für Energie. Der Verbund betreibt ein Kleinwasserkraftwerk in der Größe einer Telefonzelle in Freudenau. Die Installation gilt als Weltneuheit und war bei ihrer Fertigstellung zu Jahrtausendwende das erste Schleusenkraftwerk überhaupt. In bewährter Matrix-Manier wurden 25 je 200 Kilowatt starke Kleinturbinen zusammenfasst. Diese können in beide Richtungen durchströmt werden und jährlich 3,7 Mio. kWh Strom erzeugen. Wasser gibt es dafür genug: In Freudenau finden pro Jahr mehr als 6.000 Schleusungen statt. Das Pilotprojekt kostete den Verbund damals rund 48 Mio. Schilling. Davon entfielen allein 16 Mio. auf Entwicklungskosten. Die EU fördert das Gesamtprojekt mit elf Mio. Schilling. Das Produkt Matrixturbine soll künftig auch in anderen bestehenden Strukturen, wie Schleusenanlagen, Wehranlagen zur Gewässerregulierung, Bewässerungskanälen und Einlaufbauwerken von Trinkwasserreservoirs, eingesetzt werden.



Umweltstadträtin Ulli SimaEin Statement von Ulli Sima zum Thema Kleinwasserkraftwerke der Stadt Wien: »In Wien hat Klimaschutz oberste Priorität. Mit dem zweiten Wiener Klimaschutzprogramm KliP II sollen die Treibhausgasemissionen bis 2020 pro Kopf um 21 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Neben der Erhöhung des Fernwärme-Anteils, dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der thermischen Gebäudesanierung ist auch die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien eine der wichtigsten Maßnahmen im KliP II. Der Anteil der erneuerbaren Energien soll bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Jahr 1990 verdoppelt werden. Eine entscheidende Rolle für das Erreichen dieses Ziels kommt den Kleinwasserkraftwerken entlang der beiden Wiener Hochquellenleitungen sowie dem Kraftwerk Nussdorf zu. Ohne die KWK der Stadt Wien wäre es undenkbar, die Ziele des Klimaschutzprogramms zu erreichen.«

Last modified onMontag, 17 Oktober 2011 02:37
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