Trübe Klobrille
- Written by Redaktion_Report
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Projektentwickler sind üblicherweise schick gekleidet, treten smart und sportlich auf, fahren dicke Autos und werden umschwärmt von fesch herausgeputzten Damen. Gemeinsam schlürfen sie Cocktails und frönen dem Verzehr edler Speisen. Dasselbe gilt für tolle Architekten, die ihre freien Mitarbeiter so dressieren, dass am Schluss auch was am Konto bleibt. Diese Spezies begnadeter Körper kann man nur beneiden, denn ihnen fehlt offenbar auch das, was den gemeinen Menschen manchmal bewegt: der Gang auf das Klo. Anders ist es nicht zu erklären, dass die stillen örtchen in der Welt des überflusses immer mehr zur Mangelware werden. Markantes Beispiel sind die Innsbrucker Rathaus-Galerien, eine schicke und nicht zu klein geratene Mischung aus Geschäften und Gastronomie. Arm, wer dort einen Kaffee trinkt und plötzlich bedürftig wird. Die Toiletten sind tief im Keller verborgen. Was im Alltag mit durchschnittlicher Zahl von Bedürftigen gerade noch erträglich ist, erwächst sich bei Großveranstaltungen in der Innsbrucker Innenstadt zur Riesenkloschlange. Zum Verursacher, der BOE Bauobjekt Entwicklung GesmbH, dringt diese vermutlich nicht vor. Dort hält man übrigens viel vom Treppensteigen und ist stolz, dass man alle Stufen der Wertschöpfungskette einer Immobilie abdeckt. Wenn nichts liegen bleibt, braucht auch keiner die Spülung zu betätigen. Um das zu tun, müssen auch die Besucher der Skylobby im Wiener Media-Tower mit imposantem Blick auf den Donaukanal was leisten. Der stille Ort liegt zwei Stockwerke tiefer, supereffizient erreichbar über eine schnöde Nebentreppe. (art)