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Magere Zeiten

\"ErstmalsBis 2016  will die Regierung knapp 28 Milliarden Euro einsparen, rund 9,2 Milliarden Euro sollen neue Steuern einbringen. Budgetexperten sind skeptisch, ob die erwarteten Effekte nicht zu optimistisch berechnet wurden.

Der große Wurf ist es nicht geworden, auch wenn die beiden Hauptprotagonisten auf ihr gemeinsam geschnürtes Sparpaket sichtlich stolz sind. Die 98 Beschlüsse würden garantieren, so Bundeskanzler Werner Faymann, dass Österreich »in der sicheren Zone« bleibe. Vizekanzler Michael Spindelegger gab sich weitaus pathetischer: »Wir haben uns für fünf Jahre sehr weit nach vorne gewagt.« Alles nur eine Frage der Perspektive. Denn abseits der Regierungsvertreter sind sich alle Wirtschaftsexperten einig: Eine tief greifende Strukturreform sieht anders aus.

>> Softreform <<

Dabei hatten SPÖ und ÖVP durchaus Bereitschaft zu unpopulären Maßnahmen gezeigt und dabei auch ihre eigene Klientel nicht immer geschont. Letztlich betreffen diese, bezeichnenderweise besonders heftig diskutierten Entscheidungen aber vergleichsweise kleine Summen, die sich im Budget nur geringfügig niederschlagen. Die wirklich heißen Eisen wurden nicht angefasst.

Das Sparpaket präsentiert sich als ein Bündel vieler kleinerer Maßnahmen. Hier wurde »eine Chance vertan«, meint Politikberater Thomas Hofer, denn angesichts des Schreckgespenstes Griechenland wäre in der Bevölkerung ein grundsätzliches Verständnis für notwendige Reformen gegeben. Mit dem beschlossenen Paket dürfte die Regierung die Erwartungen der Österreicherinnen und Österreicher aber nicht ganz getroffen haben. Laut einer Umfrage des Linzer market-Instituts halten 69 % der Befragten die Maßnahmen für unausgewogen und ungerecht. 86 % sind außerdem der Meinung, dass das Sparpaket nicht ausreichen werde, um die Schulden in den Griff zu bekommen. Am größten ist die Akzeptanz noch bei den Jüngeren: 33 % der 16- bis 29-Jährigen können sich dafür erwärmen, in der Gesamtbevölkerung sind es nur 16 %. Besonders negativ äußerten sich die Über-50-Jährigen, in dieser Gruppe lehnen 78 % das Sparpaket ab.

Kein Wunder: Erstmals hatten sich die Regierungspartner an die »heilige Kuh« Pensionen herangewagt. Auf halbem Weg dürfte sie der Mut jedoch verlassen haben, denn zur Abschaffung der teuren und wenig treffsicheren »Hacklerpension« (40 bzw. 45 Beitragsjahre ohne Abschläge) konnte man sich nicht durchringen. Stattdessen sind 17 Einzelmaßnahmen geplant, die 7,26 Mrd. Euro an Einsparungen bringen sollen. Der Rotstift wird vor allem bei den Frühpensionen angesetzt: Wer künftig die Korridorpension in Anspruch nehmen will, muss 40 Versicherungsjahre (bisher 37,5) nachweisen. Die geblockte Altersteilzeit wird gestrichen, Invaliditätspension gibt es erst für Über-50-Jährige.
Da die SPÖ bei den Pensionisten einlenkte, war die ÖVP offenbar zu Zugeständnissen bei den Beamten bereit. Beiden Gruppen stehen magere Jahre bevor. Eine Nulllohnrunde für Beamte 2013 und eine »moderate Gehaltsanpassung« im Jahr darauf sollen 1,1 Mrd. Euro fürs Budget bringen. Die Pensionisten erwartet für diese beiden Jahre eine niedrigere Pensionsanpassung von einem bzw. 0,8 Prozentpunkten unter der maßgeblichen Inflationsrate. Das Finanzministerium rechnet allein aus der geringeren Anpassung mit Einsparungen von 2,6 Mrd. Euro bis 2016. Bernhard Felderer, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), hält die Maßnahmen im Pensionsbereich für eine »Softreform«, die wesentliche Änderungen vermissen lasse. 

>> Neue Steuern <<

Neue Weichenstellungen fehlen auch in den anderen großen Kostenfallen Gesundheit und Verwaltung. Zum Gesundheitssystem gibt es bisher lediglich vage Angaben – die einzelnen Punkte werden erst zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verhandelt. Im Budgetplan enthalten sind derzeit nur Einsparungen in der Sozialversicherung. Dort sollen in den kommenden vier Jahren um 1,37 Mrd. Euro weniger ausgegeben werden.

In der Verwaltung werden pensionsbedingte Abgänge nicht mehr nachbesetzt, kleine Bezirksgerichte und Heeresspitäler geschlossen – Sparfaktor rund 2,5 Mrd. Euro. Die großzügigen Geldflüsse vom Bund an die Länder wurden jedoch nicht angetastet, man wollte es sich mit den mächtigen Landeshauptleuten nicht verscherzen. So blieb die Einigung auf eine »Förderpyramide«, die Doppel- und Dreifachförderungen unterbinden soll. 500 Millionen Euro lautet das Sparziel, allerdings erst ab 2015. Bis dahin sollen Länder und Gemeinden auch selbst ihren Beitrag zum Sparpaket leisten. Von den veranschlagten 5,2 Mrd. Euro entfallen aber bereits 2,3 Mrd. Euro auf den Anteil der Länder an den neuen Steuereinnahmen. Nur den Rest müssen sie durch eigenen Sparwillen erbringen.
Klarer definiert sind dagegen die Maßnahmen auf der Einnahmenseite. Bereits ab 1. April tritt eine Reihe neuer Steuern in Kraft. Allen voran die Vermögenszuwachssteuer auf Immobilien, von der sich die Regierung für 2013 Mehreinnahmen von 350 Mio. Euro, 2016 bis zu 750 Mio. Euro erhofft. Schon heuer soll die Einschränkung des Vorsteuerabzugs für Bauprojekte mit plus 100 Mio. Euro wirksam werden, danach bis zu 250 Mio. Euro jährlich einbringen. Spitzenverdienern (Arbeitnehmer ab 186.000 Euro Jahresgehalt brutto, Unternehmer ab 175.000 Euro Gewinn) müssen – befristet von 2013 bis 2016 – einen Solidarbeitrag leisten, was das Budget mit zusätzlich 110 Mio. Euro pro Jahr aufbessert. Um die Rettung der Volksbanken AG zu finanzieren, kommt eine erhöhte Bankenabgabe. Die Besteuerung der Betriebspensionskassen wurde vorgezogen. Insgesamt belaufen sich die Steuereinnahmen bis 2016 auf 9,2 Mrd. Euro. 

>> Wenig Konkretes <<

Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek bezeichnet das Sparpaket als »ein Bündel versäumter Chancen«. Es sei zwar ausgewogen, »aber auch ausgewogen seicht, weil es nicht in die Tiefe geht«. Die Ökonomen der Forschungsinstitute kritisierten die vielen Unsicherheitsfaktoren, die das erwünschte Konsolidierungsvolumen noch verringern könnten. Große Brocken wie die Finanztransaktionssteuer sind noch fraglich, die Abgeltungssteuer mit der Schweiz muss erst verhandelt werden. Über die Förderungsreform ist noch nichts Konkretes bekannt – außer, dass sie eine Milliarde Euro bringen soll. Ob und wie in den Ländern, aus der Gesundheitsreform und den Pensionskassen die jeweils veranschlagten Summen erreicht werden können, steht in den Sternen. Rund ein Drittel des Sparpaketes sei unsicher und könnte möglicherweise nicht den gewünschten Effekt bringen, erklärt Margit Schratzenstaller, Budgetexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO): »Zum einen sind die einnahmenseitigen Maßnahmen unsicher, zum Teil sind sie noch zu konkretisieren und tatsächlich umzusetzen.« Die Zeit für Details und Korrekturen wird allerdings knapp. Der endgültige Beschluss im Nationalrat und Bundesrat ist für den 28. und 29. März vorgesehen.

 

>> Harte Brocken:

Das Sparpaket trifft kleine Sparer ebenso wie Spitzenverdiener, Pensionisten und Beamte. Die wichtigsten Änderungen im Überblick – und wie man das Beste daraus macht.

> Immobiliensteuer: Der Verkauf von Grundstücken oder Immobilien mit Gewinn wird ab 1. April 2012 mit einer Steuer von 25 % belastet. Hauptwohnsitze und Häuslbauer bleiben von der neuen Regelung unberührt. Bisher galt für Privatpersonen eine Spekulationsfrist von zehn Jahren, danach war der erzielte Gewinn steuerfrei. Die Steuer gilt für Privatpersonen und Unternehmen gleichermaßen. Treffen wird es nach Ansicht des Verbandes der Immobilientreuhänder (ÖVI) jedoch vor allem private Anleger – etwa Besitzer einer Vorsorgewohnung, die nach einigen Jahren der Vermietung die Wohnung doch verkaufen wollen. Unklar ist jedoch, wie der Wert von Wohnungen festgelegt wird, wenn der Besitzer mehrfach gewechselt hat oder Anschaffung bzw. Renovierung schon länger zurückliegen. Als Vorsorgemöglichkeit haben Immobilien jedenfalls an Attraktivität eingebüßt.

Die Besteuerung von Grundstücksgewinnen wird von den Wohnbauträgern vermutlich auf die Mieter übergewälzt. Für die Umwidmung von Liegenschaften gilt künftig ein Wertzuwachs von 60 %, für früher erworbene Grundstücke gelten geringere Steuersätze. Bei »Altimmobilien« müssen pauschal 3,5 % des gesamten Verkaufserlöses (nicht nur des Gewinns) abgeführt werden – darunter fallen auch zu einem früheren Zeitpunkt vererbte oder geschenkte Immobilien. Wer an einen Verkauf denkt, sollte ihn bei älteren Objekten also noch bis April abwickeln. Wer die Immobilie weniger als zehn Jahre besitzt, braucht nichts zu überstürzen. Mietverträge sollten aber noch im März abgeschlossen werden.

> Bausparen: Der Österreicher liebste Sparform ist tot. Auf Bausparverträge gibt es künftig nur noch die halbe Prämie, maximal 18 statt 36 Euro pro Jahr. Für die Monate Jänner bis März 2012 beträgt der staatliche Zuschuss noch drei Prozent, ab April gilt die neue Bandbreite von 1,5 bis 4 % – für den Rest des Jahres also 1,5 %. Der Verlust von 18 Euro pro Jahr klingt nicht nach viel, die Optik ist jedoch verheerend. Immerhin wurden noch 2011 978.565 neue Bausparverträge abgeschlossen. Seit dem Verbot von Fremdwährungskrediten lief auch das Kreditgeschäft wieder wie geschmiert: Rund ein Viertel aller Wohnbaudarlehen stammen aus Bausparkassen. Diese fürchten nun um ihre Sparer. Es ist aber zu erwarten, dass die Bausparkassen ein neues attraktives Sparprodukt entwickeln, um die nötigen Einlagen für Darlehen nicht zu verlieren. Von einem vorzeitigen Ausstieg aus bestehenden Verträgen wird abgeraten: Die Prämie samt Verwaltungskosten müsste rückerstattet werden.

> Zukunftsvorsorge: Die 2007 eingeführte prämiengestützte Pensionsvorsorge ist der größte Flop der Ära Grasser. Das als Stütze des Pensionssystems propagierte Vorsorgeprodukt blieb seit Beginn unter den Erwartungen. Die Garantien fressen die Rendite, der  vorgeschriebene Aktienanteil von 40 % erwies sich krisenbedingt als Bumerang – unter dem Strich ein Minusgeschäft. Nun wird auch noch die spärliche Prämie halbiert (2012 von 8,5 auf 4,25 %), voraussichtlich bereits rückwirkend ab Jahresbeginn. Eine Kündigung des Vertrages ist aber frühestens nach Ablauf der Mindesbindefrist (je nach Anbieter zehn oder 15 Jahre) möglich. Und auch dann ist ein Ausstieg teuer: Bei Auszahlung statt monatlicher Rente muss die Hälfte der staatlichen Prämie zurückgezahlt werden, die Kapitalgarantie wird gestrichen und der Gewinnzuwachs ist nachträglich zu versteuern. Eine Möglichkeit wäre aber, den Vertrag zumindest stillzulegen. Konsumentenschützer und Versicherungen prüfen rechtliche Schritte. Die Regierung will über neue Förderungen der privaten Vorsorge nachdenken.

> Solidarabgabe: Mit 13.280 Euro brutto pro Monat, 14-mal jährlich, ist man dabei. Bei hohen Einkommen wird das 13. und 14. Gehalt nicht mehr pauschal mit 6 % besteuert, sondern gestaffelt zwischen 27 und 50 %. Die Solidarabgabe gilt (vorerst) befristet bis 2016 und zwar für Selbstständige und Angestellte gleichermaßen. Als Ausweg bieten sich für angestellte Topmanager Boni an, die erst nach 2016 ausbezahlt werden – in der Hoffnung, dass die Regelung dann auch wirklich ausläuft. Selbstständige mit Kapitalgesellschaft können sich über Geschäftsführerbezug und Gewinnausschüttung ein paar Steuerprozente ersparen. Freiberufler könnten über die Gründung einer GmbH einen ähnlichen Weg wählen. Ärzte und Notare dürfen aufgrund des Berufsrechts nicht, sie trifft die Steuerlast voll. Andererseits wiegen bei einem Jahreseinkommen von mehr als 350.000 Euro ein paar Tausend Euro Solidarabgabe nicht allzu schwer.

> Pensionskonto: Alle werden künftig länger arbeiten, Pensionisten müssen künftig den Gürtel enger schnallen. 2014 werden außerdem alle Jahrgänge ab 1955 (Beamte ab 1976) auf ein einheitliches Pensionskonto umgestellt. Für die Berechnung gelten dann die 28 besten Jahre und ein jährlicher Steigerungsbetrag von 1,78 %. Einbußen sind vor allem für ältere Jahrgänge zu erwarten. Besonders schmerzhaft: Bereits nachgekaufte Schul- und Studienjahre werden bei der »Hacklerpension« (Frauen ab 57, Männer ab 62) nicht mehr angerechnet und auch nicht rückerstattet. Das Pensionsalter wird um jeweils zwei Jahre (Frauen ab 57, Männer ab 65) angehoben. Für die »Korridorpension« (ab 62) gelten künftig höhere Abschläge. Hier können weiterhin Studienzeiten nachgekauft werden, das kommt aber sehr teuer. Dieses Geld sollte lieber anders angelegt werden – allerdings nicht beim Bausparen oder in der Zukunftsvorsorge.

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