Banken machen mobil
- Written by Mag. Angela Heissenberger
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Mit der Mobilität der Kunden steigt auch der Wunsch, Bankgeschäfte unabhängig von Zeit und Ort erledigen zu können.
Vorbei sind die Zeiten, als ein Handy vorwiegend zum Telefonieren gedacht war. Smartphones sind die neuen Schweizer Messer. Vor allem die unzähligen Kleinprogramme, salopp »Apps« genannt, leisten einen wesentlichen Beitrag zum Boom der Alleskönner unter den Mobiltelefonen.
85 Prozent der Smartphone-User ab zwölf Jahren haben bereits Applikationen im Einsatz, wie die »Social Impact«-Studie 2010 der mobilkom ergab. Pro Monat lädt jeder von ihnen etwa drei Apps auf das Handy und nutzt im Schnitt sieben Apps regelmäßig. Fast drei Viertel der User setzten Applikationen primär für private Zwecke ein, 21 Prozent privat und beruflich. Und wer noch keine Apps verwendet, hat es meist noch heuer vor (41 Prozent). Der Vorteil gegenüber der Nutzung mobiler Webseiten liegt in der benutzerfreundlichen Darstellung. Die Bildschirmgröße ist den Smartphones angepasst, lästiges Scrollen entfällt, die Navigation zu den gewünschten Funktionen ist bewusst einfach aufgebaut. Allerdings glauben noch einige Anbieter, mit einer abgespeckten, nicht handy-optimierten Version ihrer Webseite das Auslangen zu finden – sehr zum Ärger der User.
Für Unternehmen bieten Applikationen den idealen Zugang zu Kunden. Knapp jeder dritte Handy-User – 2,1 Millionen Menschen – verwendet bereits ein Smartphone. Doch viele Firmen scheinen erst abzuwarten, ob es sich um eine Modeerscheinung oder tatsächlich um einen neuen Interaktionskanal handelt.
Rasante Verbreitung
Auch die Banken, noch nie wahre IT-Vorreiter, zeigten sich lange Zeit recht zögerlich. Schließlich hatten anno dazumal viele auf WAP-Standards gesetzt und waren mit der langsamen und teuren Technologie baden gegangen. Dank moderner Mobilfunktechnik, größerer Speicherkapazitäten und der rasanten Verbreitung von Endgeräte wie Smartphones und Tablet-PCs stehen heute jedoch ungleich mehr Möglichkeiten zur Nutzung mobiler Dienste offen.
Trotzdem boten noch vor einem Jahr nur 20 der Top-50-Banken der Welt entsprechende Dienste an, wie die Forschungsgruppe ProcessLab der Frankfurt School of Finance & Management gemeinsam mit der Queensland University of Technoloy in Australien erhob. Von den angebotenen Services entfallen 75 Prozent auf das klassische Bankgeschäft und vier Prozent auf banknahe Dienstleistungen (z.B. Leasing, Versicherung, Kreditkarten). 21 Prozent sind dem Bereich Non-Banking (z.B. Haushaltsplanung, Aktienkurse, Finanzwörterbuch, Vergleich von Kreditraten) zuzurechnen – die Anzahl dieser Services stieg während des Erhebungszeitraums (März 2010 bis Jänner 2011) auffallend stark an. Die häufigsten App-Funktionen sind Kontostandsabfrage, Filialfinder, Überweisung/Kontoübertragung, Rechnungsbegleichung und Kontaktmöglichkeit zur Bank. Insbesondere in Asien und Nordamerika stieg das App-Angebot so rasant an, dass dort eine vollständige Erfassung im weiteren Studienverlauf nicht mehr möglich war. Österreichische und Schweizer Banken sprangen erst ab September 2010 auf diesen Zug auf.
Innovationen gefragt
Dabei sind die Österreicher webaffiner als vielfach angenommen: 34 Prozent der Bevölkerung nutzen Online-Banking. Bankgeschäfte künftig auch unterwegs, unabhängig vom PC zu Hause, erledigen zu können, ist die logische Weiterentwicklung dieses Trends. »Bankkunden wollen zunehmend flexibel agieren, das heißt orts- und zeitunabhängig«, bestätigen die Studienautoren Michael Rosemann und Jürgen Moormann.
Neben den üblichen Kontoaktivitäten erwarten Kunden aber zunehmend auch Informationen für unterschiedlichste Lebenssituationen (z.B. Wohnungssuche,
Autokauf, Erbschaft oder Firmengründung) sowie Kontakt- und Interaktionsmöglichkeiten, die weit über den herkömmlichen Kundenservice hinausgehen. »Banken sollte es nicht mehr nur darum gehen, überhaupt eine App anzubieten, sondern diese mit Funktionaliäten ausstatten, die einen Mehrwert für den Kunden generieren«, meint Anne Dohmen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ProcessLab. »Wirklich einzigartige, innovative Applikationen haben wir bislang nicht ausmachen können.« Die GPS-Ortung der Smartphones wird beispielsweise außer für die Lokalisierung von Filialen und Geldautomaten kaum genutzt. Interessant wäre etwa die Möglichkeit, von der Bank angebotene Immobilien, die sich in der Nähe des jeweiligen Standortes befinden, anzuzeigen.
Die bisher angebotenen Applikationen ermöglichen nur die Bearbeitung einzelner Aufgaben; ein Gesamtkonzept, bei dem der Kunde durch einen gesamten Prozess (z.B. Hauskauf) begleitet wird, fehlt aber. Im internationalen Vergleich stachen überraschenderweise die brasilianischen Banken heraus. Die Banco Bradesco bietet gleich fünf Applikationen an, die auf unterschiedliche Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet sind: Zahlungsverkehr, Kontakt zur Bank, Anlegerinformationen, Thema Auto und Thema Leben. Auffallend ist die Trennung der einzelnen Anwendungsfelder, die meisten anderen Institute vereinen diese nämlich in einer einzigen Applikation.
Nach Ansicht der Wissenschaftler wird letztlich der höhere Nutzen einer Anwendung für die Kundenbindung entscheidend sein. Die Kunden erwarten es: Nach einer Umfrage der Commerzbank geht jeder zweite Deutsche davon aus, dass Geldinstitute innerhalb der nächsten zehn Jahre Mobile Banking flächendeckend anbieten werden. Jeder vierte Befragte erwartet diese Entwicklung bereits bis 2015. Immerhin nutzen bereits heute rund neun Millionen Deutsche ein Smartphone – ein gigantischer Markt mit noch weitgehend ungenutzten Möglichkeiten.
Entwicklung verschlafen
In Österreich bieten erst drei Geldinstitute Applikationen an. Die App der Erste Bank findet die nächstgelegenen Filialen und Bankomaten und enthält einen Kreditrechner, Aktienempfehlungen, Wechselkurse und Prognosen für Renditen und den Geldmarkt. Interessierte User können sich auch Videos mit Interviews von Analysten herunterladen. Ein praktischer Zugang zum Online-Banking fehlt jedoch. Raiffeisen bietet ebenfalls einen Filialfinder, Online-Banking sowie die Möglichkeit, bei Diebstahl die Karte zu sperren. Allerdings führen die Links nur zur normalen Webseite und sind nicht auf das Handy zugeschnitten. Jüngster App-Anbieter ist die Bank Austria. Außer einem Newsticker wird nur Mobile Banking geboten, jedoch mit einem speziell für das Handy optimierten Zugang, und zwar nicht nur im iTunes-Store, sondern auch in der Android-Version.
Direktbanken, die von vornherein auf ein teures, personalintensives Filialnetz verzichten, positionieren sich gerne als flexible und kostengünstigere Alternative zu traditionellen Geldinstituten. Per Internet und Handy sind sie rund um die Uhr erreichbar. Mobile Dienste als Ergänzung zum Online-Banking lassen bei den Direktbanken jedoch noch auf sich warten. An der Größe der Institute muss es nicht unbedingt liegen: In Deutschland haben einige große Player die technologische Entwicklung verschlafen, während das traditionsreiche Bankhaus Donner & Reuschel schon seit mehreren Monaten zwei funktionsreiche Apps zur Verfügung stellt.
Die Kunden werden jedenfalls immer anspruchsvoller. Vor allem die Öffnungszeiten empfinden heute viele, da via Internet Tag und Nacht die Tür zur ganzen Welt offen steht, als unzureichend. Denn trotz aller Mobilität will doch kaum jemand völlig auf ein Beratungsgespräch von Angesicht zu Angesicht verzichten.
>> Sicherheitstipps:
Beim Mobile Banking lauern ähnliche Gefahren wie beim Online-Banking. Kunden, die ihre Bankgeschäfte unterwegs erledigen, sollten daher genauso aufmerksam agieren wie daheim auf dem PC. Das Online-Vergleichsportal für Finanzen und Versicherungen empfiehlt folgende Vorsichtsmaßnahmen:
> Phishing-Attacken: Bei Smartphones fehlt im Gegensatz zum PC oft ein Filter, der User vor Angriffen schützt. Erhalten Sie per E-Mail oder SMS die Aufforderung, Bankdaten bekanntzugeben, sollten Sie diese ignorieren.
> Updates von Betriebssystemen: Betriebssysteme von Handys, aber auch Apps und Virenscanner sollten wie der PC regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht werden. Attacken auf das Smartphone laufen nicht immer über das mobile Endgerät ab. Manchmal wird zunächst der Computer befallen, über ihn später das Handy. Dabei wird eine infizierte SMS an das Smartphone gesendet.
> mTAN-Verfahren: Bankkunden sollten nie das mTAN-Verfahren beim Mobile Banking nutzen. Das Verfahren ist über das Handy nicht sicher, da die TAN auf dem Gerät ankommt, das auch für die Bankgeschäfte verwendet wird. Beim Online-Banking mit mTAN sind TAN-Übermittlung und Bankgeschäfte getrennt und deshalb sicher.
> Codes sichern: Speichern Sie TAN und PIN nie als getarnte Telefonnummern. Apps haben teilweise Zugriff auf die Kontaktdaten und können sie weitergeben. Auch Kriminelle kommen so leichter an Ihre Zugangsdaten.
> Sperrfunktion: Die automatische Sperrfunktion sollte unbedingt aktiviert werden. So kommt nicht jeder sofort an die Daten heran, wenn man das Handy einmal einen Moment unbeaufsichtigt lässt. Nutzer sollten außerdem auf eine ausreichende Verschlüsselung bei WLAN-Verbindungen achten und keine Gerätekennung via Bluetooth senden, so wird Kriminellen der Zugriff auf die Daten erschwert.
> Download: Laden Sie Apps nur aus vertrauenswürdigen Quellen herunter, es könnte sich um Malware handeln. Kontrollieren Sie auch Datenschutzeinstellungen und Zugriffsrechte bei Programmen aus App-Stores.
> Passwörter: Bei einem Verlust des Handys sollten Sie alle über das Gerät genutzten Passwörter ändern, z.B. über eine Sicherheitssoftware, die eine Fernlöschung der Daten ermöglicht. Diese Remote-Wipe-Programme müssen allerdings schon vorab auf dem Handy installiert werden. Auch bevor man ein Handy verkauft oder verschenkt, sollten alle Daten gelöscht werden. Das Gerät auf die Originaleinstellungen zurückzusetzen reicht nicht aus.