»Dilemma, dass Berufsbilder in der Technik nicht attraktiv und cool wirken«
- Written by Martin Szelgrad
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Harald Hrdlicka war selbst Schüler der HTL Mödling und ist seit 2010 Direktor der größten Schule Österreichs. Er spricht über die Ansprache von Kindern für technische Berufe, den Aufbau der »Smart Factory« und die steigende Zusammenarbeit von Bildung und Wirtschaft.
Report: Sie sind vor acht Jahren als Direktor der HTL Mödling angetreten. Vor welchen zentralen Herausforderungen sind Sie damals gestanden?
Harald Hrdlicka: Meine Hauptaufgabe war, unsere Schule in vielerlei Hinsicht auf einen modernen Stand zu bringen. Der Charme des Gebäudes als alte Militärakademie war damals durchaus noch spürbar – bis hin zu den Plastikanstrichen in den Gängen. Den ursprünglichen Verwendungszweck der Gebäude wird man nie völlig vergessen können, umso mehr müssen wir uns bemühen, dass sich unsere Schülerinnen und Schüler bei uns wohlfühlen. Wir hatten damals neue Farben, Wegweiser und ein Leitsystem definiert, viel Arbeit in die Corporate Identity gesteckt und auch bauliche Maßnahmen wie etwa zur Barrierefreiheit gesetzt.
Ich hatte damals auch das Glück, einen Riesensprung in der internen Qualität mitverantworten zu dürfen – den Neubau einer Küche und eines Restaurants. Das Projekt hatte ein Volumen von acht Millionen Euro. Die Koordination der Umbauten und auch Übersiedelungen war vereinnahmend, aber eine schöne und erfreuliche Arbeit. Auch unsere Website wurde in dieser Zeit einem einheitlichen Schulbild entsprechend neu gestaltet.
Report: Wie sind generell die Jobchancen für Ihre Absolventinnen und Absolventen – auch hinsichtlich des herrschenden Fachkräftemangels?
Hrdlicka: Sie sind natürlich sehr gut. Jene, die bei uns fertig werden, finden einen Arbeitsplatz. Damit meine ich auch unsere vierjährigen, praxisorientieren Fachschulen, die mit einer Abschlussprüfung mit Werkstück auch zur einer Tätigkeit im mittleren Managementbereich in der Wirtschaft befähigen. Alternativ kann man nach Abschluss einer Fachschule in unseren dritten Schultyp einen Aufbaulehrgang besuchen und dort nach weiteren zwei Jahren die Reife- und Diplomprüfung ablegen. Hier wird dann vor allem die Allgemeinbildung in Fächern wie Deutsch, Englisch und Mathematik vertieft.
Und zum Hauptteil unseres Angebots, die höhere technische Lehranstalt, in die rund 70 % unserer 3400 Schülerinnen und Schüler gehen: Ich habe noch nie von HTL-Absolventen gehört, die lange Arbeit suchen würden. Das trifft mit kleinen Abweichungen auf tatsächlich alle Abteilungen zu. Wir wissen, dass insbesondere Fachrichtungen wie Tiefbau oder Elektrotechnik weit mehr Absolventen für die Wirtschaft bereitstellen könnten, als wir bislang Interessierte finden – ebenso bei Kunststofftechnik, in der auf einen Absolventen derzeit gut 20 offene Stellen kommen. Es ist in Österreich ein Dilemma, dass Berufsbilder in der Technik nicht genügend attraktiv und cool auf Jugendliche wirken.
Ich war selbst fünf Jahre Leiter der Bautechnikabteilung und weiß, dass die Firmen Schlange stehen, um Absolventen zu bekommen. In einem Alter von 14 Jahren können sich viele aber das Berufsleben Tiefbau nicht vorstellen.
Report: Wie bringt man Kinder und Jugendliche zur Technik? Welche Maßnahmen kann auch eine HTL setzen?
Hrdlicka: Wir beginnen von klein an und nehmen an der Initiative »Kids go HTL« des Landes Niederösterreich teil. Hier zeigen wir Volksschulen unsere Werkstätten, Sportstätten und erklären unseren breiten Bildungsansatz. Denn ein Techniker, der nur über Schrauben reden kann, wird nicht erfolgreich sein. Er muss vielleicht auch in Geschichte gebildet sein. Dann laden wir auch speziell Volksschullehrerinnen ein, die über die Dauer von drei Tagen unsere Arbeit kennenlernen. Wir wissen, dass durch das nahezu 100 % ausgeprägte Rollenmodell der weiblichen Lehrerin in den Volksschulen natürlich eine gewisse Beeinflussung stattfindet, die es hinsichtlich technischer Interessen und Berufswahl zu durchbrechen gilt.
Wir veranstalten seit einigen Jahren erfolgreich jeweils Ende August eine Kinder-HTL, in der mehr als 160 Kinder betreut werden. Die kommen dann auch mit Eltern, Oma und Opa. Im Landesschulrat gibt es eine weitere Initiative, die aus den neuen Mittelschulen in die HTLs vermittelt. Ganz schwierig ist es für uns, Kinder und Eltern gezielt in den Gymnasien anzusprechen – an die kommen wir nicht mehr heran, da es dort kaum berufsbildende Informationsangebote gibt. Jene Schülerinnen und Schüler, die aus dem Gymnasium in die HTL wechseln, machen das aus eigener Entscheidung, aus eigenem Interesse.
Report: Wie ist die Mädchenquote bei den Studierenden?
Hrdlicka: Mit 20,4 % liegen wir sogar etwas über dem HTL-Durchschnitt. Das hat aber einen Grund: Bei unserer Abteilung Innenarchitektur – früher wurde sie Möbelbau und Inneneinrichtung genannt – haben wir einen von Mädchen praktisch akzeptierten Technikberuf und dort eine Rate von über 60 %. Bei Tiefbau oder Fahrzeugtechnik dagegen kann ich die Schülerinnen an einer Hand abzählen. Dann haben wir Bereiche wie etwa Wirtschaftsingenieure, wo der Name selbst nicht ganz so viel Technik vermittelt. Dies ist letztlich ein wirtschafts- und managementorientierter Zweig im Maschinenbau, wirkt aber bei Mädchen sehr gut. Wenn sie einmal bei uns sind, fühlen sich Mädchen unabhängig von der Fachrichtung sehr wohl – auch in vorrangig technischen Bereichen.
Report: Sie wollen mit einem Robotik-Schwerpunkt Mödling als Hochtechnologiezentrum positionieren. Wie sind die Pläne dazu?
Hrdlicka: Wir wollen einen schnellen, starken Ausbau. Robotik als Freigegenstand bieten wir bereits seit fünf Jahren an, in der Abteilung Elektrotechnik haben wir mit Dr. DI Herbert Swaton einen Robotik-Fachmann. Die HTL Mödling hat auch in den letzten Jahren einige Robocup-Wettbewerbe gewonnen. Das Thema hat eine große Dynamik bekommen: Industrie 4.0 oder Smart Factory sind Schlagworte, die auch im Bildungsbereich unterschiedlich angesprochen werden müssen. Sie werden sämtliche Produktionsabläufe in der Wirtschaft verändern und deshalb müssen hier auch alle unsere Abteilungen einbezogen werden. So sind wir derzeit dabei, unsere Werkstätten vom Modell des Einzelarbeitsplatzes hin zum vernetzten Arbeitsplatz umzubauen. Dazu vernetzen wir nun Schritt für Schritt CNC-Maschinen und Roboter – das ist die Herausforderung der Zeit. Meine Aufgabe als Direktor ist, die räumlichen und finanziellen Ressourcen dafür bereitzustellen.
Dann bauen wir mit der FH Wiener Neustadt ein Kooperationsnetzwerk auf, und bieten gemeinsam ab September ein Robotik-Bachelorstudium für 30 Plätze an. Teile des theoretischen Unterrichts werden in Wiener Neustadt angeboten, während Arbeiten im Labor und in der Werkstatt in Mödling stattfinden.
Report: Wie ist die Zusammenarbeit mit Herstellern aus der Automatisierung? Stellen diese Geräte zu Verfügung?
Hrdlicka: Ich würde schon gerne sagen, dass es so wäre – aber die Kooperationsbereitschaft wird immer größer. Aber das Portfolio der Hersteller, von denen wir Technik mitunter kostengünstig erwerben, soll ja möglichst groß sein.
Als HTL-Direktor finde ich seit jeher offene Türen bei den Unternehmen. Doch seitdem die Industrie-4.0-Maschine läuft, haben wir einen fast freundlich-euphorischen Zustand. Vor kurzem hat mich ein Manager eines großen Automobilzulieferers angerufen, um seine Zusammenarbeit anzutragen – so etwas wäre früher dann doch nicht vorgekommen. Ich bin aber noch lange nicht an dem Punkt, mich in unserer Digital Factory mit all den schnurrenden Robotern zurücklehnen zu können. Wir sind aber dabei, dies jetzt aufzubauen.
Bei Partnerschaften mit der Wirtschaft geht es letztlich auch stark um den Wissenstransfer und Feedback zu unseren Leistungen. Wir sind verpflichtet, ständig über Veränderungen in unseren Lehrplänen nachzudenken. So etwas, was man früher gehabt hat – einen Lehrplan, der von 1962 bis 1982 gilt – kann es heute nicht mehr geben. Die Wirtschaft wird heute sehr dynamisch beratend eingebunden.
HTL Mödling in Zahlen:
Fläche: 25 ha
Fachrichtungen: 11
Schultypen: Höhere Abteilungen, Fachschulen, Kollegs/Aufbaulehrgänge
SchülerInnenstand: 3.400
LehrerInnen: 400
Angestellte: 86
Restaurant: 500 Sitzplätze
Cafeteria: 200 Sitzplätze inkl. Terrasse
Ausstattung: 33 Gebäude, Werkstätten und Laboratorien. Eigenes Sägewerk, Schmiede, Schüler- und Studentenheim CampusM