Weg vom Standard
- Written by Karin Legat
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3D-Druck bedeutet Designfreiheit. Komplexe Formen lassen sich rasch, effizient und ressourcenschonend fertigen. Immer stärker kommt diese Innovation im Business zum Einsatz.
Der 3D-Druck boomt. Je nach Industriezweig ist ein jährliches Wachstum von 15 bis 25 % festzustellen. Unternehmen haben die große Flexibilität erkannt, die der 3D-Druck, im industriellen Umfeld auch »Additive Manufacturing«, ermöglicht. »Er bietet unseren Ingenieuren große Designfreiheiten. Komplexe Formen lassen sich heute aus einem Teil viel rascher, effizienter und ressourcenschonender als noch vor Jahren fertigen«, betont Kurt Hofstädter, Leiter der Siemens Division Digital Factory in Österreich und CEE.
Genutzt wird 3D-Druck bei Prototypen wie auch bei der seriellen Fertigung. Bosch arbeitet auch bei Konzepten, wie Serienbauteile im Lebenszyklus künftig schneller und länger agieren, mit Additive Manufacturing. Selten benötigte Ersatzteile können rasch und erschwinglich bereitgestellt werden.
Ein Beispiel aus dem Öffi-Bereich: Siemens muss im Zugbereich 30 Jahre lang für jede Straßenbahn und U-Bahn Ersatzteile liefern können. Das bedeutet hohe Lager- und Logistikkosten. Nun werden die Ersatzteile digital gespeichert, laufend aktualisiert und bei Bedarf mittels 3D-Druck lokal produziert. Zwar sei die Konstruktion mit 3D-Druck gegenüber Guss oder klassischen Verfahren noch teurer, aber in der Gesamtkalkulation samt Lager- und Logistikkosten deutlich billiger. Weitere Vorteile von Additive Manufacturing: Verkürzung der Entwicklungszeiten neuer Bauteile, kurze Transportwege, Vermeidung von Abfall durch bedarfsgerechte Produktion. 3D-Druck läuft zudem unabhängig von Stückzahlen – jedes Stück kann anders aussehen. Komplexe Bauteilgeometrien, die in konventionellen Verfahren nur unter großem Aufwand gefertigt werden können, sind damit wirtschaftlich produzierbar. Prädestiniert ist der 3D-Druck aufgrund Materialverbrauch und Druckzeit vor allem für kleine Bauteile. Dremel bietet dazu den DigiLab 3D45, die dritte Generation im 3D-Drucker-Segment. Laut Thomas Hailing, Geschäftsführer 3D-Druckcenter.com, ist Additive Manufacturing oft die raschere und günstigere Variante als die Fertigung im klassischen Werkzeugbau mit aufwendiger Programmierung.
Das Wissen über alle Vorteile des 3D-Drucks ist in der Industrie noch nicht flächendeckend verbreitet. »Wir erhalten wöchentlich mehrere Anfragen von Unternehmen, die die Technologie sichten und sich die Prozesskette erläutern lassen möchten«, so Valentin Kurtovic, Solidpro. »Konstrukteure zeigen sich häufig überrascht von der Leistungsfähigkeit des 3D-Drucks und seinen Möglichkeiten für die Serienproduktion.«
Alternativ zu 0815
Bild oben: Fertigung von Gasturbinenkomponenten
3D-Druck wird die klassische Produktion nicht ersetzen. »Additive Manufacturing eröffnet neue Geschäftsfelder und neue Möglichkeiten in der Gestaltung und Herstellung von Sonderteilen«, erklärt Eduard Artner, Leiter Geschäftsfeld 3D-Druck bei Baumit und stellt den »BauMinator« vor. Damit können Bauteile, Objekte, Hohlschalungen und Formen zwischen 50 cm und fünf Meter Größe gedruckt werden. Das reicht von Wandelementen bis hin zu Schächten und Dekor. Die dreidimensionalen Betonteile können senkrecht, doppelt gekrümmt sein, aber auch Überhänge haben. Individualisierung wird nun erstmals leistbar.
Im Bauwesen ist 3D-Druck bereits verankert. Umdasch Group Ventures investiert etwa in mobile 3D-Baudrucker, mit denen komplette Häuser innerhalb weniger Tage gebaut werden. Der Druck bietet aber Lösungen für die gesamte Wirtschaftswelt. »Wir haben Kunden von der Motorik bei KTM bis zur Schweizer Garde«, so Ferdinand Leitner, Sales Manager HP. Alle Kunststoffteile, die klassisch in Spritzguss in Serie gefertigt werden, sind für den 3D-Druck bereit. »Momentan konzentrieren wir uns auf Medizin und Dentaltechnik, Maschinen- und Werkzeugbau sowie Automobilbau.« Darunter fallen Operationsschablonen und Dental Aligners, Abdeckungen und Kabelführungen sowie Motorblöcke und Tests von neuen Oberflächen und Beschichtungsarten. Automobilbauer fertigen bereits bis zu 10 % der Fahrzeugteile per 3D-Druck, denn sie stehen vor dem Problem der zunehmenden Individualisierung von KFZ-Teilen durch Logo oder spezielle Farbwahl.
Die 4200er-Serie von HP ist zu 100 % auf den Produktionsbereich fokussiert. Es ist ein All-In-Gerät mit Druck, Abkühlen und Materialrecycling. Damit lassen sich Gebäude visualisieren, Querschnitte, komplexe Geometrien für Bauteile sowie detailgenaue Konstruktionen erstellen.
Siemens verwendet den 3D-Druck für Reparaturen im Bereich Gasturbinen. Kurt Hofstädter: »Heute wird einfach von einem Gasturbinenbrenner ein Stück abgesägt und der neue Kopf direkt auf das alte Teil aufgedruckt.« Mittlerweile könne das Unternehmen für Gasturbinen schon die ganze Brennerfront mit 30 Brennern in einem Prozess drucken. Früher bestanden Brennerspitzen für Gasturbinen aus 13 Teilen, die zusammengeschweißt, -gelötet und -geschraubt werden mussten. Von der Anfrage bis zur Auslieferung dauerte es 26 Wochen, mit 3D-Druck nur drei. Siemens bedient auch die Bahnbranche, unter anderem mit Klemmkästen für Hochgeschwindigkeitszüge. Bei fehlenden Ersatzteilen musste oft wochen- oder monatelang auf die Herstellung teurer Werkzeuge gewartet werden. Künftig wird on demand beim Kunden produziert – eine Erleichterung für Lager und Logistik.
Neue Herangehensweise
Weg vom Standard heißt es auch bei der Fertigung. »Anstatt aus einem großen Klotz so wenig wie möglich wegzunehmen, um unnötige Bearbeitung des Halbzeuges zu vermeiden, wird additiv nur an den Stellen Material vorgesehen, wo es zur Funktion dienlich ist«, zeigt Jan Tremel vom Manufacturing Center of Competence 3D Print bei Bosch auf.
3D-Druck-Verfahren stehen mehrfach zur Verfügung. Für die Industrie ist das Pulverbettverfahren wichtig, das mittels Laser schichtweise die Bauteile aus dem Pulverbett formt. Damit können sehr feine Strukturen erzeugt werden, was innenliegende Strukturen wie Gitternetze oder Kühlkanäle sowie die Entwicklung völlig neuer bionischer Strukturen ermöglicht. Thomas Hailing spricht in diesem Zusammenhang den Umgang mit dem Material an. »Vor allem im Metalldruckbereich sind die Pulver in ihrer Rohform ab 15 Mikrometer gesundheitsschädlich.« Es muss mit Vollatemschutz und geschlossenen Schutzanzügen beziehungsweise Materialkreisläufen gearbeitet werden.
Fit für 3D-Druck?
Laut Solidpro sind der Entwicklung von Materialien kaum Grenzen gesetzt. »Das Spektrum reicht von Kunststoff, Metall und Verbundmaterial bis hin zu Lebensmitteln und anderen organischen oder biokompatiblen Materialien«, zählt Valentin Kurtovic auf. Eine Erweiterung seiner Materialbank kündigt HP an. Für 2018 sind noch Polypropylene für die Verpackungstechnik in der Lebensmittelindustrie oder für PKW-Innenausstattung geplant sowie Polyurethan und Copolyamid für Dichtungen, Manschetten und Schuhsohlen. Und die »HP Open Platform« unterstützt kundeneigene Materialien. Leitner: »Erforderlich ist hier eine Basisprüfung mittels Material Development Kit auf generelle Machbarkeit sowie ein Zertifizierungsprozess.« Derzeit arbeitet HP mit Polyamid 12 sowie mit durch Glasperlen verstärktem Polyamid 12, das hohe Steifheit aufweist, einsetzbar etwa für Gehäuse und Werkzeuge.
Thomas Hailing, 3D-Druckcenter, sieht im Materialbereich noch eine Schwachstelle. Gut verarbeitbare, dauerfeste, UV-beständige, belastbare Materialien zu wirtschaftlichen Preisen seien noch nicht Praxis. Und Andreas Schwirtz, Geschäftsführer von VirtuMake, spricht die Reproduzierbarkeit an. »Beim Druck von 5.000 Teilen muss dieselbe Qualität bei jedem Stück sichergestellt sein. An dieser Prozesssicherheit muss noch gearbeitet werden.«
3D-Druck im Vergleich
♦ … zu Spritzguss:
♦ »Time-to-part«: Herstellung einer Kleinserie »über Nacht«
♦ Personalisierung und Designänderung jedes einzelnen Bauteils möglich
♦ keine Werkzeugkosten (geringe Kapitalbindung), flexibler Einsatz des 3D-Druckers (Investments) ohne Festlegung auf ein spezifisches Produkt
♦ keine Mindestbestellmengen
♦ … zu CNC:
♦ Kunststoff meist besser geeigneter Baustoff als Metall oder Aluminium
♦ weniger Gewicht der Bauteile
♦ geringere Produktionskosten