Das Standortentwicklungsgesetz, zweiter Versuch
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Am 12. Dezember wurde im Nationalrat ein stark verändertes Standortentwicklungsgesetz beschlossen. Verfassungsrechtliche Bedenken konnten weitgehend ausgeräumt werden. Einige Baustellen sind aber geblieben.
Von Georg Eisenberger
Der Erstentwurf des Standortentwicklungsgesetzes (»StEntG«) wurde von vielen Seiten heftig kritisiert. Unter den Umweltrechtexperten bestand Einigkeit, dass dies alles andere als ein großer Wurf war. Neben massivem Widerstand von Umweltschutzorganisationen haben nahezu alle namhaften Rechtsexperten den ursprünglichen Kern des StEntG vehement kritisiert. Die Kritik betraf vor allem die automatische Genehmigungsfiktion nach einer bestimmten Verfahrensdauer in erster Instanz, die eingeschränkte Rechtsmittelmöglichkeit bei Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht, die dreimonatige Entscheidungsfrist für das Bundesverwaltungsgericht und den Entfall der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Umweltschutzorganisationen tendieren generell dazu, Gesetzesentwürfe, mit denen versucht wird, die überbordenden Genehmigungsverfahren für Großprojekte zu beschleunigen, als Angriff auf die Umwelt darzustellen. Hier kann der Gesetzgeber kaum etwas richtig machen. Die in Richtung Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit gehende Kritik der Umweltrechtsexperten wurde von der Regierung aber erfreulicherweise ernst genommen. Das Gesetz wurde grundlegend überarbeitet. Alle verfassungs- und europarechtlich problematischen Bestimmungen wurden entscheidend entschärft.
Die Neuerungen gegenüber dem Erstentwurf
Unverändertes Ziel des Standortentwicklungsgesetzes bleibt die Verfahrensbeschleunigung für Vorhaben, die der Entwicklung bzw. der Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich in besonderem Maße dienen, die also in besonderem öffentlichen Interesse stehen. Von einem besonderen öffentlichen Interesse ist insbesondere dann auszugehen, wenn das standortrelevante Vorhaben und seine Umsetzung außerordentlich positive Folgen für den Wirtschaftsstandort erwarten lassen. Wann das der Fall ist, entscheidet über Anregung des Projektwerbers und über Empfehlung eines eigens eingerichteten Standortentwicklungsbeirates die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort mittels Verordnung.
Die Verfahrensbeschleunigung für solcherart verordnete standortrelevante Großvorhaben soll nunmehr mit Maßnahmen erreicht werden, die anders als der ursprüngliche Entwurf keine verfassungsrechtlichen Probleme aufwerfen dürften. Ob diese Maßnahmen allerdings ausreichen, die vom Gesetzgeber gewünschte und aus Sicht der Wirtschaft dringend gebotene Verfahrensbeschleunigung zu erreichen, bleibt abzuwarten. Im Einzelnen sieht der Gesetzgeber folgende Punkte vor, die bei Verfahren für standortrelevante Großprojekte für eine Beschleunigung der Verfahren sorgen sollen:
- Der Verfahrensleiter hat die Möglichkeit, Redezeitbeschränkungen in der mündlichen Verhandlung zu bestimmen.
- Den Parteien wird eine Verfahrensförderungspflicht auferlegt, damit im Zusammenhang bekommt der Verfahrensleiter die Möglichkeit, eine Kostenstrafe für schuldhaft verspätetes Vorbringen zu verhängen.
- Die erste Instanz hat binnen zwölf Monaten zu entscheiden, dies mit der gesetzlichen Vorgabe, dass seitens des Bundesverwaltungsgerichtes aufgrund einer Säumnisbeschwerde nach zwölf Monaten sofort in der Sache selbst zu entscheiden ist.
- Stellungnahmen sind nur innerhalb einer behördlich angeordneten Stellungnahmefrist zulässig.
- Ergänzungen von Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht sind nicht zulässig.
Ausblick
Dass eine Beschleunigung der großen Umweltverfahren notwendig ist, kann angesichts der Verfahrensdauern von UVP-Verfahren niemand ernstlich bezweifeln:
Laut UVP-Bericht des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus betrug die durchschnittliche Verfahrensdauer in erster Instanz zwischen 2009 und 2017 für »große« UVP-Verfahren 16,4 Monate. Diese Durchschnittsbetrachtung täuscht aber und zwar deshalb, weil die Verfahrensdauer seit 2009 kontinuierlich gestiegen ist. Zieht man nur die Jahre 2015 bis 2017 heran, so liegt der Durchschnitt für das Verfahren erster Instanz bereits bei 25 Monaten. Dazu kommt noch die Durchschnittsdauer der Verfahren zweiter Instanz von zuletzt (also 2015 – 2017) acht Monaten. Die durchschnittliche Verfahrensdauer von der Einreichung bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist also auf über 30 Monate angewachsen.
Angesichts des Trends ist zu befürchten, dass sich die durchschnittliche Verfahrensdauer weiter erhöhen würde, hätte der Gesetzgeber nicht wenigstens versucht, durch das StEntG gegenzusteuern. Der Vorstoß des Gesetzgebers, mit Redezeitbeschränkungen, Stellungnahmefristen und Kostenstrafen eine Verfahrensbeschleunigung zu erreichen, ist uneingeschränkt zu begrüßen. Zu bemängeln ist allerdings, dass zahlreiche von Umweltrechtsexperten geforderte Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung nicht umgesetzt wurden. Zu diesen Forderungen gehören beispielsweise die Zurverfügungstellung eines eigenen Sachverständigenapparates für die Verwaltungsgerichte, eine umfassende Modernisierung des Verfahrensrechtes oder die Einführung einer Kostentragungspflicht für die unterliegende Partei im Rechtsmittelverfahren. Zu bemängeln ist auch, dass die Verfahrensbeschleunigungsschritte ausschließlich für einige wenige Großverfahren vorgesehen wurden. Tatsächlich ist Verfahrensbeschleunigung in allen Verwaltungsverfahren mit Umweltrelevanz notwendig. Auch in »kleineren« Umweltverfahren ist die Dauer der Verfahren, insbesondere der Verfahren mit Beteiligung von NGOs, im internationalen Vergleich zu lange.
Für normale und kleinere Umweltverfahren wird sich der Gesetzgeber also noch intensiv Gedanken zur Verfahrensbeschleunigung machen müssen. Ob die nunmehr für Großverfahren vorgesehenen Maßnahmen ausreichen oder ob weitere Schritte des Gesetzgebers erforderlich sein werden, um die Dauer auf ein international vergleichbares Maß zu drücken, bleibt abzuwarten.
Über den Autor:
Georg Eisenberger ist Univ.-Prof. am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Karl Franzens Universität Graz und Partner der Rechtsanwaltskanzlei Eisenberger & Herzog. In der Kanzlei leitet er die Praxisgruppe Öffentliches Recht. Prof Eisenberger ist auf die Vertretung von Bewilligungswerbern bei Großprojekten spezialisiert und Autor zahlreicher Fachbücher und -artikel. Er hat mit seinem Team bei Eisenberger & Herzog kürzlich ein Fachbuch zur Aarhus-Konvention über die Beteiligung von Umweltorganisationen an umweltrelevanten Großverfahren veröffentlicht.