Stück für Stück
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Die Industrialisierung von Bauvorgängen und damit die Vorfertigung von Bauelementen lässt Produktivität und Wirtschaftlichkeit steigen und führt zu einer Verbesserung von Leistung und Qualität. Der Bau & Immobilien Report hat mit Architekten, Baumeistern und Produzenten über ihre Erfahrung mit modularem Bauen gesprochen.
Von Karin Legat
Das Baukastensystem begleitet uns das ganze Leben. Als Kind formen wir mit unterschiedlich gefärbten Modulen Häuser, Türme und Rennwägen. Bis ins hohe Alter vertrauen wir auf die Modulbauweise bei Büro- und Wohngebäuden, Schulen sowie Krankenhäusern. »Ich habe als Kind gerne mit Baukästen gespielt«, erinnert sich Johannes Kislinger von AH3 Architekten. Arbeiten mit Modulen ist übersichtlich, einfach, man versteht es. Deshalb hat sich die Modulbauweise wohl auch als Bausystem durchgesetzt. »Lange Zeit gab es für die größte Branche der Welt, die Baubranche, keine eigene Industrie«, zeigt Renate Jauk, Geschäftsführerin von Lukas Lang Building Technologies, auf. Mit dem Modulbau hat sich das geändert. »Wir nehmen die Autoindustrie als Vorbild und legen das System aufs Bauen um.« Im Fahrzeugbau werden nach dem Baukastenprinzip verschiedene Fahrzeugteile immer wieder neu kombiniert. Dadurch wächst die Vielfalt der Modellpalette. Produktion, Motoren und Materialmix werden effizienter. »Ich kann auch im Bauwesen die einzelnen Module unterschiedlich zusammensetzen und erreiche damit individuelle Erscheinungsbilder«, beschreibt Stefan Vötter, Geschäftsführer von BAU.GENIAL das Potenzial. Die Maba Fertigteilindustrie versieht, ähnlich wie bei den bekannten Legobausteinen, die einzelnen Elemente an der Oberseite mit einer pyramidenstumpfförmigen Erhebung und der dazu passenden Vertiefung an der Unterseite. Etwa 40 Prozent der Bauunternehmen arbeiten laut Vötter bereits mit der Methode der industriellen Vorfertigung.
Bau-Plus
»Ich habe immer modular gebaut, weil ich davon überzeugt bin, dass ich dadurch die Qualität heben kann«, so Kislinger. Die bessere Qualität wird u.a. durch die stabilen witterungsunabhängigen Produktionsbedingungen in der Fertigungshalle erreicht. Die Arbeit erfolgt bei konstanten Produktionsbedingungen. Das ist auf der Baustelle nicht der Fall. Laut Vötter gibt es mit dem Modulbau einfach weniger Überraschungen vor Ort. Für Bernhard Rabenreither, Geschäftsführer von Maba, liegen die größten Vorteile in Zeit- und Kosteneffizienz: »Die Einhaltung von Zeitvorgaben und das Budget spielen für Bauherren die größte Rolle, egal ob auf der privaten Kleinbaustelle oder im mehrgeschoßigen Wohnbau.« Der Vorteil für die späteren NutzerInnen liegt im Festpreis, im fixen Fertigstellungstermin und laut BAU.GENIAL v.a. in der hohen Nutzungssicherheit. Die Strukturen sind erprobt. Die hohe Genauigkeit im modularen Bauen wird durch die intensive Arbeitsvorbereitung erreicht. Die Planung muss bis ins kleinste Detail stimmig sein. »Nichtsdestoweniger ist eine gewisse Flexibilität in der Planung ein MUSS, um Änderungen vom Bauherrn auch noch in letzter Minute verwirklichen zu können«, informiert Helmut Oberndorfer, Geschäftsführer des gleichnamigen Bauunternehmens. Ein Bau-Plus ist auch die um bis zu 70 Prozent kürzere Bauzeit im Vergleich zum Massivbau. »Bei einer Vorlaufzeit von drei Monaten kann ein Bürogebäude mit 1500 m² in vier Monaten errichtet werden«, so Renate Jauk. »Ich bin wesentlich schneller, weil ich den gesamten Bauvorgang bereits vorab im Kopf abkläre«, ergänzt AH3 Architekt Kislinger.
Modulare Genauigkeit
»Start-ups wollen teilweise mit ihrem Gebäude mitwachsen. Große Konzerne benötigen Standorte hingegen oft nicht mehr und wollen diese verlegen. Mit der modularen Bauweise kann ich Gebäude demontieren und diese an anderer Stelle, mit denselben Teilen, ohne wesentlichen Wertverlust und in einer anderen Formgebung wieder aufbauen«, betont die Lukas-Lang-Geschäftsführerin. »Wir arbeiten sehr kleinteilig, mit über 400 Baugruppen. Dazu haben wir ein flaches Packmaß.« Aufgebaute Bauteile lassen sich dadurch jederzeit ergänzen oder verändern. Die ÖNORM spricht von einer Passgenauigkeit von zwei Zentimetern. Das ist für den Zimmermann ein Fiasko. Modulbau arbeitet mit einer Toleranz von einem Millimeter.
Modulare Grenzen
Prinzipiell sehen alle Planer und Baumeister keine Grenzen für modulares Bauen. Der Brandschutz bildet eine gewisse Barriere, liege aber eher extern. Dieser Faktor sei aber unbedingt zu berücksichtigen, verlautet es aus der Branche. Für Modulbau ist ein höherer Brandschutz gefordert, dadurch wird die Vorfertigung teilweise ad absurdum geführt, da das Holz gekapselt werden muss. Zu beachten sind laut Johannes Kislinger weiters die Transportmöglichkeiten für die Module. »Das ist eine Vorfrage für modulares Bauen. Wir realisieren gerade mit Weissenseer ein Projekt im innerstädtischen Bereich. Da ist die Zugänglichkeit begrenzt, d.h. die modulare Bauweise wird an die Transportmöglichkeiten angepasst. Mit langen Konvois ist z.B. die Durchfahrt durch Engstellen problematisch.« Leichter wäre die Luftzustellung, aber über bewohntes Gebiet darf mit einem Hubschrauber kein Baumaterial transportiert werden. Wirtschaftlich keinen Sinn macht modulares Bauen auch bei zu kleinen Objekten. »Bei einem Zubau für ein Gästehaus von 20 Betten ist der Aufwand einfach zu groß«, sagt Kislinger. Christof Müller, Geschäftsführer von Weissenseer Holz-System-Bau, sieht auch das Gewicht als entscheidenden Faktor. »Produzieren kann ich alles. Bei Beton muss man aber bedenken, dass mit drei bis vier Modulen die Gewichtsobergrenze beim Tieflader erreicht ist. Bei Holz kann ich den LKW dagegen maximal ausnutzen.« Holz wiegt nur ein Viertel von Beton und bildet auch das Hauptarbeitsmaterial im Modulbau.
Modulare Zukunft
»Ich sehe den Trend zu Mischbausystemen«, formuliert Müller seine Erwartung. Betonfertigteile werden z.B. als Tragstruktur vorproduziert. Fenster und Fassade werden erst vor Ort realisiert. Entscheidend ist natürlich, dass der Bauträger dem gegenüber aufgeschlossen ist. Das ist oft noch ein Problem, denn Bauträger haben einen eingespielten Arbeitsprozess, den sie ungern modifizieren. Auch die interaktive Zusammenarbeit lässt laut AH3 Architekten noch zu wünschen übrig. »Bisher hat der Architekt seine Zeichnungen erstellt, dann ging er damit zwecks Abstimmung zu Statiker, Haustechniker, Bauphysiker und Lichtplaner. Nun müssen alle auf Augenhöhe an einem Tisch sitzen«, erklärt Kislinger. Dazu sind nicht alle bereit. Dieses soziologische Phänomen sei zwar nachvollziehbar, aber es ist höchste Zeit zur Umorientierung. »Architekt, Statiker und Fertigteilbauer müssen an einem Strang ziehen«, betont auch Helmut Oberndorfer. Planungsinstrumente wie die Cloud können helfen. Der nächste logische Schritt ist für Kislinger das Building Information Modeling, das BIM, wo alle am runden Tisch zusammensitzen und gemeinsam modular-dreidimensional konstruieren.r