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"Chance Hochbau 2009"

2009 war für die Bauwirtschaft ein intensives Jahr. Konjunkturpakete entpuppten sich als Mogelpackung, die Wohnbauförderung wurde aufgeweicht und ein Erfolgsmodell wie der Sanierungsscheck ohne Not eingestellt. Auch deshalb war bei der heurigen Auflage der Enquete »Chance Hochbau« jede Menge Emotion im Spiel. Stellvertretend für die Regierung musste Staatsekretär Andreas Schieder viel Kritik einstecken. Der konterte mit überraschenden Aussagen und lehnte sich dabei ziemlich weit aus dem Fenster.

 

 

Vor einem Jahr war sich die versammelte Bauwirtschaft einig: Die Krise kann auch eine Chance sein. Der damalige Obmann des Fachverbandes der Stein- und keramischen Industrie, Erhard Schaschl, war überzeugt, dass der Hochbau die entscheidende Rolle in der Krisenbekämpfung spielen wird, und Manfred Katzenschlager, Geschäftsführer der Bundesinnung Bau, erinnerte daran, dass Investitionen in der Krise auch Investitionen in die Arbeitsplätze der Zukunft sind. Die von der Politik geschnürten Konjunkturpakete wurden aber schon damals kritisch betrachtet. Da war etwa von einem Placebo statt einem richtigen Medikament die Rede.
Ein Jahr danach lud der Bau- und Immobilienreport wieder zur Enquete »Chance Hochbau«. Und das Hauptthema der Veranstaltung war immer noch die Krise. Allerdings ist der sanfte Optimismus des Vorjahres einer brutalen Ernüchterung gewichen. Sowohl am Podium als auch im Publikum war man sich einig: Die Politik hat eine große Chance ausgelassen. Die Chance, den schönen Ankündigungen auch entsprechende Taten folgen zu lassen. Die deutlichsten Worte fand Strabag-Vorstand Franz Urban: Er bezeichnete das Baukonjunkturpaket als politischen Werbegag. Ebenfalls heftig kritisiert wurde die Aufhebung der Zweckbindung der Wohnbauförderung. Und dass ein Erfolgsmodell wie der Sanierungsscheck nicht fortgeführt werden soll, sorgte lediglich noch für Kopfschütteln. Da traf es sich gut, dass mit Finanz-Staatssekretär Andreas Schieder auch ein Regierungsmitglied am Podium anwesend war. Er wurde dann vom Publikum auch ordentlich in die Mangel genommen, ließ aber auch mit überraschenden Aussagen aufhorchen und lehnte sich dabei ziemlich weit aus dem Fenster. Nicht nur, dass er weitere Aktivitäten für die Schaffung von Arbeitsplätzen am Bau und leistbaren Wohnraum ankündigte, er forderte auch, dass über den Finanzausgleich auch in Zukunft Geld für den Wohnbau garantiert sein muss. Dabei sprach er sich dezidiert für die Zweckbindung der Wohnbauförderung aus. Und auch die Berichtspflicht der Länder soll laut Schieder wieder eingeführt werden. Etwas vage, aber doch, stellte Schieder auch die Fortsetzung des Sanierungsschecks in Aussicht. Eine Forderung, der sich jetzt auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer anschloss. Aus dem Wirtschaftsministerium kam allerdings postwendend eine Abfuhr, zumindest für die nähere Zukunft. »Im Winter ist weder bei Außenfassaden noch bei Heizanlagen eine praktische Umsetzung der Sanierung möglich«, erklärte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Abseits der Publikumsdiskussion mit Staatssekretär Schieder brachte die Enquete »Chance Hochbau« aber auch noch weitere, spannende Beiträge. Die Themenschwerpunkte reichten vom »Bauen gegen die Arbeitslosigkeit« über »Die neue Effizienz des Bauens« bis zu den »Herausforderungen im kommunalen Wohnbau«. 
 

»Bauen gegen die Arbeitslosigkeit«
Am Podium: Josef Muchitsch, stv. Bundesvorsitzender GBH; Herbert Buchinger, Vorstand AMS; Michael Steibl, Geschäftsführer VIBÖ; Franz Urban, Vorstand Strabag

Josef Muchitsch, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz, berichtete, dass die Arbeitslosigkeit am Bau direkt in die Armut führe. Traditionelle Problemkinder sind wie immer die Wintermonate. Deshalb forderte Muchitsch, das Modell der steirischen Winterbauoffensive auf Österreich auszuweiten. Außerdem sprach sich Muchitsch ganz klar für eine Fortführung der Sanierungsoffensive aus. Dem Argument der Politik, dass kein Geld vorhanden sei, konterte er mit eindrucksvollem Zahlenmaterial. »Die 100 Millionen Euro an staatlicher Förderung lösen ein Sanierungsvolumen von mindestens 650 Millionen im Inland aus, dazu werden 95 Millionen an Arbeitslosengeld gespart. Das bringt dem Finanzminister 70 Millionen an Lohnsteuer und 65 Millionen an Umsatzsteuer. Die Sozialversicherung bekommt 104 Millionen an Beitragszahlungen.« Jeder schlaue Kaufmann würde ein solches Geschäft sofort verlängern, zweifelt Muchitsch die kaufmännischen Fähigkeiten des Finanzministers an.
AMS-Vorstand Herbert Buchinger erzählte, dass sich die Arbeitslosigkeit am Bau bis 2008 zyklisch entwickelt habe, danach sei sie explosionsartig gestiegen. Im Jahresdurchschnitt werden 2009 rund 34.000 Bauarbeiter arbeitslos sein, gegenüber 27.000 im Vorjahr. Schon 2008 entstanden dem AMS aus der Bauwirtschaft Kosten in der Höhe von 470 Millionen Euro, bei Einnahmen von 370 Millionen Euro. Und dieses Minus wird laut Buchinger heuer sogar auf 170 Millionen ansteigen. Erst ab 2010 würden die Arbeitslosenzahlen am Bau wieder sinken, aber noch nicht auf das Niveau von 2008.
VIBÖ-Geschäftsführer Michael Steibl sprach über kurzfristige und langfristige Auswirkungen von Bauinvestitionen. Kurzfristig hätten sie höhere Effekte als konsumaffine Haushaltstransfers oder Ausrüstungsinvestitionen. Langfristig könnten Bauinvestitionen im Sinne einer standortstärkenden Wachstumspolitik eingesetzt werden. Die Politik erinnert Steibl daran, dass Investitionen die Arbeitslosigkeit bekämpfen anstatt sie zu verwalten.
Besonders hart ins Gericht ging Strabag-Vorstand Franz Urban mit den politischern Entscheidungsträgern des Landes. Das Konjunkturpaket bezeichnet er wie bereits erwähnt als Werbegag. Von den 875 Millionen Euro, die die Bundesimmobiliengesellschaft BIG an Projekten vorziehen sollte, sei nicht viel übrig geblieben. Die BIG nahm Urban explizit von seiner Kritik aus. Schuld sei vielmehr die Politik, die keine verbindlichen Kriterien definierte. Ebenfalls scharf kritisierte Urban die sukzessive Aushöhlung der Wohnbauförderung. »Ohne Zweckbindung werden die Länder die Gelder für andere Bereiche ausgeben«, ist Urban überzeugt. Und der rückläufige Neubau hätte verheerende Auswirkungen auf die Bauwirtschaft. Außerdem stellte Urban fest, dass die »Krise nach wie vor ernst und hässlich ist«. Den Optimismus, den viele schon wieder verbreiten, könne er nicht nachvollziehen. Er rechnet mit einer depressiven Grundstimmung bis mindestens Ende 2010. In der Bauwirtschaft wird die Krise laut Urban sogar bis 2012 fortdauern. 


Aufgeschnappt: Hier geht es zu den "Besten Sagern" der "Chance Hochbau 2009"

 


 

 

 

 

 


 

 »Die neue Effizienz des Bauens«
Am Podium: Stefan Schleicher, Wegener Zentrum für Klima und globalen Wandel; Klaus Kastenhofer, Geschäftsführer Global 2000; Mathias Haas, Architekturbüro Kaufmann und Partner; Robert Schmid, stv. Obmann Fachverband Steine-Keramik; Franz Böhs, Geschäftsführer Rockwool

Den Beginn des Themenschwerpunkts »Die neue Effizienz des Bauens« machte Professor Stefan Schleicher vom Wegener Zentrum für Klima und globalen Wandel. Und er forderte nichts weniger als einen Paradigmenwechsel in der Energiediskussion. Denn laut Schleicher geht es gar nicht so sehr darum, woher die Ener­gie kommt, sondern vielmehr darum, wofür wir sie verwenden. Die größten Einsparungspotenziale sieht er neben der Mobilität im Bereich der Niedertemperaturwärme. Für Temperaturen unter 100 Grad soll laut Schleicher in Zukunft keine Flamme mehr entzündet werden. Durch die Erhöhung der thermischen Gebäudequalität sei dies auch heute schon machbar. Das zeigen Plus-Energie-Bauten wie das Schiestlhaus am Hochschwab, die erste autarke Passivhaus-Schutzhütte des Landes. Außerdem fordert Schleicher im Bereich der Energie ähnliche Strukturen wie im Internet, weg von großen zentralen Kraftwerken, hin zu kleinen, dezentralen Energieorganisationen.
Klaus Kastenhofer, Geschäftsführer von Global 2000, erinnerte daran, dass »nichts teurer ist, als nichts gegen den Klimawandel zu unternehmen«. Großes Potenzial biete vor allem der Gebäudebereich, der für 30 bis 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen verantwortlich sei. Der Vorteil ist laut Kastenhofer, dass es bereits schlüsselfertige Lösungen mit einem ROI von unter zehn Jahren gebe. Von der Politik fordert Kastenhofer mehr Transparenz in der Förderlandschaft und ein Ende der Fragmentierung. Außerdem müsse der Sanierungsscheck wieder eingeführt werden und die Förderungen für Erneuerbare Energien am Gebäude erhöht werden. 
Architekt Mathias Haas demonstrierte die »Neue Effizienz des Bauens« anhand des Power Towers in Linz. Die Konzernzentrale der Ener­gie AG ist das erste Bürogebäude mit Passivhauscharakter. Der gesamte Energiebedarf wird durch Erneuerbare abgedeckt. Die Energieaufbringung erfolgt über Tiefensonden, Wärmepumpen und ein Solarkraftwerk.
Der stellvertretende Obmann des Fachverbandes Steine–Keramik, Robert Schmid, sprach sich für eine ganzheitliche Betrachtung des Energiebedarfs von Gebäuden aus, orientiert am Primärenergiebedarf und am CO2-Ausstoß. Außerdem lobte Schmid die Initiative »Baupakt«, die sehr gut funktioniert habe. Den daraus resultierenden Sanierscheck bezeichnete Schmid als ein sich selbst finanzierendes System, das für den Staatshaushalt eine Rendite von mehr als 100 Prozent liefere.
Einen deutlich radikaleren Ansatz wählte Rockwool-Geschäftsführer Franz Böhs. Die bisherige Form der Klimapolitik, die auf Freiwilligkeit und Belohnung aufbaut, sei nicht zielführend, sondern kostet nur jede Menge Geld. So drohen etwa durch das Verpassen des Kyoto-Ziels 1,5 Milliarden Euro an Strafzahlungen. Deshalb fordert Böhs ordnungspolitische Maßnahmen, um die Klimaziele zukünftig zu erreichen. Als Beispiel nennt er den Katalysator beim Auto, der ohne Zwang ebenfalls kein Erfolg gewesen wäre.

 
»Herausforderungen im kommunalen Wohnbau«
Am Podium: Andreas Schieder, Staatssekretär Finanzministerium; Heinz Vettermann, Gemeinderat Wien; Franz Meingast, Vorstand Wüstenrot; Rudolf Leitner, Baumeister Leitner, Planung & Bauaufsicht

Bevor sich Staatssekretär Andreas Schieder den Fragen des Publikums stellen musste, gab Schieder in seinem Vortrag einen kurzen Überblick über die »Wohnraumfinanzierung der öffentlichen Hand«. Er bezeichnete den Wohnbau als Konjunkturmotor, Krisenstabilisator und als Garant für soziale Sicherheit. Die im internationalen Vergleich sehr hohen Aufwendungen der öffentlichen Hand garantieren qualitativ hochwertiges, dabei aber leistbares Wohnen und verhindern Wohnraumspekulation. Für die Politik wird der soziale Wohnraum laut Schieder auch in Zukunft oberste Priorität haben, Barrierefreiheit und ökologisches Bauen werden noch mehr in den Vordergrund rücken. Weitere Innovationen müssten aber noch folgen.
Als positives Beispiel für eine geglückte Wohnbaupolitik wurde von vielen Referenten die Stadt Wien ins Spiel gebracht. Gemeinderat Heinz Vettermann, der den kurzfristig verhinderten Wohnbaustadtrat Michael Ludwig vertrat, nahm diesen Ball dankbar auf. Anhand einer aktuellen SORA-Studie zeigte er die Wohnwünsche der Wiener Bevölkerung auf und wie die Stadt für deren Umsetzung sorgt. Dabei stellte er einige zukunftsweisende Projekte der Stadt vor: etwa das höchste Passivwohnhaus Österreichs in der Leopoldstadt oder sozialpolitische Meilensteine wie das inter-ethnische Wohnmodell in Floridsdorf oder Generationen-Wohnen in Ottakring.
Einen kurzen Streifzug durch die Geschichte des Bausparens veranstaltete Wüstenrot-Vorstand Franz Meingast. 1925 brachte Wüstenrot das Bausparen nach Österreich, nur ein Jahr später wurde in Hallein das erste Wüstenrot- Eigenheim errichtet. Seit damals wurde laut Meingast Wohnraum für über 1,5 Millionen Österreicher geschaffen. 60 Prozent der Österreicher sind Bausparer. Im Jahr 2009 wurden zum ersten Mal mehr als eine Million Verträge verzeichnet, die Finanzierungsleistung liegt bei 3,5 Milliarden Euro im Jahr.
Als letzter Redner präsentierte Baumeister Rudolf Leitner eine noch nicht veröffentlichte Studie über altersgerechtes und betreubares Wohnen. Er verwies auf die demografische Entwicklung, für die im wahrsten Sinne des Wortes vorgebaut werden müsse. Die Standards hinsichtlich altersgerechtem Bauen seien im Neubau vorbildlich, jetzt müsse das Augenmerk auf die Sanierung gelegt werden. Das Argument hoher Kosten lässt Leitner dabei nicht gelten: Denn laut Studie ist die altersgerechte Gebäudeadaptierung um den Faktor acht wirtschaftlicher als die Wohnversorgung im Pflegeheim. Damit würden sich die Investitionen in Kürze durch Einsparungen am Pflegeheimsektor amortisieren.

Info: Alle Vorträge zum Download und viele weitere Fotos der Veranstaltung finden Sie hier

 

Last modified onMittwoch, 05 Dezember 2012 15:05
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