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Mehr Inhalt, weniger Rummel

Von Daniel AJ Sokolov

Trendwende«, »Aufbruchsstimmung«, »positive Bilanz«, »mehr Fachbesucher«, »Rekord« - mit solchen und ähnlichen Buzzwords wird die CeBIT von der Deutschen Messe AG und dem BITKOM (Bundesverband Informationswirtschaft Telekommunikation und neue Medien) bedacht. Und das seit Jahren. Doch die weltgrößte IT-Messe steckt in der Krise. Sinkt die Gesamtzahl der Besucher, wird der gestiegene Anteil der Fachbesucher hervorgehoben. Sinkt dieser Anteil, so wie in diesem Jahr, freut man sich in Hannover über insgesamt mehr Eintritte. Mit 480.000 sollen 2007 zehn Prozent mehr Besuche gezählt worden sein als im Vorjahr. Diese Nachricht wird zwar nicht allerorts für bare Münze genommen, aber vielleicht trügt der optische Eindruck. Denn die Messehallen sind weniger dicht besetzt gewesen als in den vergangenen Jahren, was weniger Gedränge zur Folge hatte.

Nicht nur die Zahl der Aussteller, sondern auch die vermieteten Ausstellungsflächen sind deutlich gesunken. Insbesondere einige Branchengrößen wie Nokia, Motorola, BenQ, Konica Minolta und Lenovo - die ehemalige IBM-Notebooksparte - blieben fern. Damit es wenigstens bei den Besuchern ein Plus gab, wurden unmittelbar vor der Messe 50.000 Eintrittskarten verschleudert: Kleinere Aussteller konnten 500 Karten zum Preis von 490 Euro erwerben. Das macht pro Karte 98 Cent statt der an der Kassa verrechneten 38 Euro. Größere Aussteller sollen dem Vernehmen nach beliebig viele Tickets zu einem Pauschalpreis bekommen haben. Die Tickets wurden schließlich bei allerlei Gewinnspielen unters Volk gebracht. Messemitarbeiter berichteten auch von einer Aktion in einer Media-Markt-Filiale, wo USB-Speichersticks zum Aktionspreis verkauft und je eine CeBIT-Karte gratis beigelegt wurden.

Trotz des gesunkenen Platzbedarfs brachte es der Veranstalter nicht übers Herz, mehr als die Hallen 16 und 18 zu schließen. Er ließ stattdessen Vorhänge fallen und provisorische Wände aufstellen, um ungenutzte Flächen abzutrennen. Dafür sollte es der Halle 1 an den Kragen gehen. Dieses 27 Jahre alte Gebäude ist die Eizelle der CeBIT, deren Ursprung dort in den 1970er-Jahren als Sonderschau im Rahmen der »Industrieschau Hannover Messe« lag. Die damals »weltgrößte Messehalle« wurde 1984 in ins »Guinness Buch der Rekorde« aufgenommen. In dieser Ur-Halle haben einige große Unternehmen, insbesondere Druckerhersteller wie Brother, Kyocera oder Sharp, fix eingebaute Einrichtungen. Es handelt sich um riesige, mindestens zweigeschoßige »Messestände« mit Büros, Cafés, Brücken, Küchen und teilweise sogar eigenen Aufzügen.

Kurzer Aufruhr. In den Tagen vor Messebeginn waren Mitarbeiter dieser treuesten aller Aussteller vor Ort mit Vorbereitungsarbeiten beschäftigt, als sie darüber informiert wurden, dass dies die letzte Show der Halle 1 werden sollte. Nach Abriss solle sie durch einen Neubau ersetzt werden, der Tagungs- und Konferenzräume bieten werde. Die betroffenen Firmen stiegen auf die Barrikaden und hatten Erfolg: Noch während der CeBIT wurde das Vorhaben offiziell begraben. Nun wird ein Abriss der Halle 18 erwogen, aber noch nicht bestätigt.

Paradigmenwechsel ... ist auch so ein schönes Schlagwort. Diesmal gebraucht von Ernst Raue, Vorstandsmitglied der Deutschen Messe, zur Bezeichnung der Pläne für die CeBIT 2008 (4. bis 9. März). Statt neuer Produkte sollen neue Lösungen und Anwendungen im Mittelpunkt stehen. Die Veranstalter wollen stärker den Interessen der Fachbesucher entgegenkommen. Mehr Business und weniger Rummel, lautet die Devise. Damit entspricht die Messe einer schon lange geäußerten Forderung vieler großer Aussteller. Es gibt zudem eine Verkürzung um einen Tag; zum Verzicht auf das Wochenende konnte man sich in Hannover aber nicht durchringen.

Am Wochenende ist das riesige Geländer stets von den im Messejargon abwertend »Beutelratten« genannten Konsumenten bevölkert, die durch das Einsammeln möglichst vieler Werbegeschenke den Eintrittspreis wettzumachen suchen. Viele Unternehmen hätten daher am liebsten komplett auf Samstag und Sonntag verzichtet. Der Messe wäre damit aber eine Einnahmequelle versiegt.

Trotz des gezeigten Optimismus wird es die größte IT-Messe der Welt nicht leicht haben, gegen die harte Konkurrenz von 3GSM in Barcelona, CES in Las Vegas und IFA in Berlin zu bestehen.

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