»Irgendwo hat die Zukunft schon begonnen«
- Written by Hans Kronberger
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Hans Kronberger, Photovoltaic Austria, sieht im kollektiven Verdrängungsmechanismus von Wirtschaft und Gesellschaft doch deutliche Signale für unsere Energiezukunft. Sein Fazit: Die alten Systeme können in diesem Jahrhundert nicht mehr funktionieren.
Ein Gastkommentar von Hans Kronberger
Langsam, sehr langsam muss es dem letzten Sorglosen dämmern: Das System, mit dem die Industrienationen im 20. Jahrhundert groß, stark und reich geworden sind, kann im 21. Jahrhundert so nicht mehr funktionieren. Wie man es dreht und wendet, man kommt immer auf die gleiche Antwort. Die Nutzung billiger Energieressourcen war die Basis für jede Form von Entwicklung. Entsprechend intensiv ist die Verbindung von Energie und sozialem Wohlstand im weitesten Sinne.
Die Signale am Firmament sind unübersehbar: Der Ölpreis hat wieder die magische 100-Dollar-Grenze pro Barrel überschritten, und die Russen haben angekündigt, im Soge dieser Entwicklung den Gaspreis um 15 Prozent anzuheben. Selbst der größte Energiebeschwichtigungsverein, die Internationale Energieagentur, warnt intensiv vor einer Ölverknappung. Die Strategieabteilung der deutschen Bundeswehr geht davon aus, dass das Maximum der Ölförderung um 2010 überschritten worden ist. Tatsächlich lautet die zentrale Frage des 21. Jahrhunderts:Woher kommt die Primärenergie, die das gesamte Wirtschafts- und Sozialsystem am Leben hält? Und es ist bemerkenswert, mit welch kollektivem Verdrängungsmechanismus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik dieser Frage ausweichen. Die Ökologen erklären in erster Linie, was nicht geschehen darf (CO2-Ausstoß), die Politiker setzen darauf, dass das Problem erst nach ihrer Legislaturperiode virulent wird, in der aktiven Zeit stört die Frage nur. Die Wirtschaft scheint gespalten, ein Teil geht davon aus, dass der Wettbewerb durch Energieknappheit nicht ernsthaft verzerrt werden wird, da sie alle gleich trifft, der andere Teil meint, die Verknappung wurde schon so oft angekündigt, dass ihr Eintreffen höchst unwahrscheinlich ist. Es ist schon erstaunlich, dass im Rahmen des Ökostromgesetzes sich die energieintensive Industrie ausschließlich mit der Frage beschäftigt, wie sie zu ihrer Ausnahmeregelung kommt, und nicht, welchen Anteil sie an der Versorgungssicherheit von morgen leisten kann.
Die Diskussion um die energetische Versorgungssicherheit und deren soziale Verträglichkeit läuft einigermaßen schief. Im Vordergrund steht der unmittelbare Kostenvergleich zwischen dem derzeitigen fossil und atomar dominierten Energiesystem und dem erneuerbaren. Dies ist eine Momentaufnahme, die zur Zukunftsbewältigung absolut untauglich ist. Sie unterliegt dem Denkmuster der Eintagsfliege, die die Vorsorge für den nächsten Tag nicht zu tragen hat. Das alte System ist rein physikalisch nicht überlebensfähig, daher lautet die Frage nicht, was kostet uns die Energiewende, sondern, was kostet es uns, wenn wir sie nicht bewältigen? Und nicht minder spannend ist die Frage, welche Ausgangsbasis werden jene Volkswirtschaften haben, die schon heute ihr Energiesystem auf Eigenverantwortung umbauen (zum Beispiel Deutschland, die USA kündigen es an), und jene, die sich sorglos treiben lassen.
Es gilt nicht einer Energiekrise entgegenzuwirken, die kann es nicht geben, da die Menschheit über ausreichend Energie verfügt, sondern einer Energienutzungskrise. Auch wenn es fast schon ein Stehsatz ist, aber solange er nicht umgesetzt ist, muss er wiederholt werden: Die Sonne schickt uns mehr Energie in Form von Licht, Wärme, Wasser- und Windzirkulation sowie Biomasse, als wir nutzen können. Nur diese nicht kapitalisierbaren Primärenergieträger können Versorgungssicherheit und Preisstabilität auf Dauer garantieren. Jeder Euro, der in dieser Richtung fließt, ist daher weder eine Förderung noch eine Subvention, sondern eine überlebenswichtige Zukunftsinvestition. Die Politik ist gefordert (wir arbeiten an einem tragfähigen Ökostromgesetz), die Weichen zu stellen. Die Sache ist nicht hoffnungslos. Im Gegenteil: Ein Blick in die aktuelle Studie von EPIA (European Photovoltaic Industrie Association) und Greenpeace International zeigt, dass sich der weltweite Anteil an Sonnenstrom im letzten Jahr wieder verdoppelt hat und PV-Anlagen inzwischen mehr Strom liefern als sechs Atomreaktoren. Irgendwo hat die Zukunft schon begonnen.