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Princeton, das Schulparadies

\"AndereSpätestens seit Pisa wissen wir, im österreichischen Schulsystem läuft etwas fundamental falsch. An meinen zwei Kindern erfahre ich, was es ist. Ich sehe, wie anders sie in einem neuen System reagieren.

Von Alfons Flatscher, New York

 

Seit September besucht meine Tochter die John Witherspoon Middle School und mein Sohn die Princeton High School in New Jersey, und ich bin erstaunt, wie sich meine Kinder in diesem Umfeld entwickeln. David, der 15-Jährige, erzählt mir, das er in Mathematik im Moment 94 Prozent aller möglichen Punkte erreicht habe. »Aber wenn ich diese Hausübung noch mache, dann hab ich 100 Prozent.« Zunächst habe ich meinen Ohren nicht getraut, zu deutlich hatte ich seine Reaktion in Erinnerung, wenn ich ihn auf ein »Genügend« in einer Schularbeit im Wiener Wasa-Gymnasium angesprochen habe. »Papa, was willst du, es ist eh ein Vierer.« Wenn er dann mit lauter Vierern durch das Schuljahr gerutscht ist, schleuderte er mir den Satz abgewandelt entgegen. »Papa, was willst du, ich bin eh durch.«

Ein Jahr später kommt der selbe junge Mann zu mir, berichtet von einem Ergebnis, das er in einer fremden Sprache, in einem fremden Land, in einem völlig neuen System erreicht, und zeigt den Ehrgeiz, nicht nur die Bestnote, sondern die Bestnote mit der Maximalzahl an Punkten zu erreichen.

Was ist passiert? Den Unterschied machen Lehrer wie Mark Shelley, er unterrichtet meinen Sohn in Geschichte und er hat mir – und allen anderen Eltern – seit Schulbeginn 28 Mails geschickt. In jedem beschreibt er die Aufgaben und die Projekte, die in den nächsten Tagen und Wochen zu erledigen sind, er erinnert an Hausaufgaben, die noch nicht  abgegeben wurden, und immer wieder betont er, wie viel Freude es ihm macht, meinen Sohn in seiner Klasse zu haben. »Mit diesen Kindern zu arbeiten macht Freude«, schreibt er. Mark investiert Zeit, um die Eltern im Detail zu informieren, was die Kinder gerade lernen, er motiviert, und er zeigt, Lernen macht Spaß!

Die Ansage wirkt.

Als ich jetzt Anfang Jänner in Princeton aufgebrochen bin, um nach Wien zu fliegen, fragt mich meine 13-Jährige, die noch vor wenigen Monaten gezittert hat, ob sie den Umstieg wohl schaffen würde: »Gell Papa, wir müssen nicht nach Österreich zurück.« Als ich nachfrage, warum sie denn in den USA bleiben wolle, antwortet sie: »Weil mir die Schule so gut gefällt.« Was anders sei als im Wiener Musikgymnasium, will ich wissen: »Hier werde ich viel mehr gelobt.«

Und ich versuche mich zu erinnern, ob ich je von einem österreichischen Lehrer ein E-Mail bekommen habe und ob einmal ein Lob für die Leistungen meiner Kinder gekommen ist.

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