»Was bleibt, sind eine Wurstsemmel und ein Bier«
- Written by A.A.Flatscher
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Der niederösterreichische Landesinnungsmeister Bau, Robert Jägersberger, spricht im Interview über die Gründe eines sinkenden Bauproduktionswertes, seine Hoffnung auf eine Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung und die Verantwortung der öffentlichen Hand für eine lokale Wertschöpfung.
Von Bernd Affenzeller
Report: Wie geht es der niederösterreichischen Bauwirtschaft?
Robert Jägersberger: Die Bauwirtschaft spürt Krisen immer mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Projekte, die bereits in der Pipeline waren, werden fortgesetzt. Außerdem hat die öffentliche Hand auch ganz bewusst investiert. Aktionen wie die Kindergarteninitiative haben dem Baugewerbe sehr geholfen. Damit waren die Betriebe 2009 sehr gut ausgelastet und sind es auch heuer noch.
Report: Es bleibt aber festzuhalten, dass die wirklich schwierige Zeit für die Bauwirtschaft noch bevorsteht?
Jägersberger: Das ist sicher richtig. Die Auftragseingänge sind um mehr als sechs Prozent zurückgegangen.
Report: Laut aktuellen Zahlen von Statistik Austria ist der Bauproduktionswert von Jänner bis August um 3,2 Prozent zurückgegangen, in NÖ um 4,2 Prozent. Was sind die Gründe dafür?
Jägersberger: Niederösterreich hat in den letzten Jahren den Bauproduktionswert überdurchschnittlich gesteigert und deshalb in der Krise auch ein bisschen mehr verloren. Wir haben in den letzten Jahren einen sehr starken Fokus auf die Sanierung gelegt und mit Aktionen wie Einmalzuschüssen viel bewirkt.
Report: Kritiker bemängeln, dass die Sanierungsförderung hauptsächlich Mitnahmeeffekte generiert hätte?
Jägersberger: Das sehe ich anders. In Niederösterreich wurde der Landeszuschuss aufgrund der wirtschaftlichen Situation bis auf 20.000 Euro ausgeweitet. Das hat gemeinsam mit den Investitionsanreizen des Bundes eine Förderhöhe ergeben, die mehr generiert als lediglich Mitnahmeeffekte. Natürlich braucht man eine gewisse Grundbereitschaft zur Sanierung. Untersuchungen zeigen, dass weniger als zehn Prozent von sich aus sanieren, 20 Prozent überhaupt nicht für Sanierungen zu gewinnen sind und der große Rest nur über Anreize.
Report: Die Förderung hat also diejenigen animiert, die bereits mit dem Gedanken der Sanierung gespielt haben, aber nicht unbedingt zu diesem Zeitpunkt Nägel mit Köpfen gemacht hätten.
Jägersberger: Genau, nicht jetzt und auch nicht in vollem Umfang. Statt einer scheibchenweisen Sanierung wurde ein Gesamtkonzept verfolgt. Damit konnten auch bauphysikalische Problemstellungen vermieden werden.
Report: Welche Auswirkungen hatte die Aussetzung der Bundesförderung zur thermischen Sanierung im Jahr 2010?
Jägersberger: Das ist auch ein Punkt, warum der Bauproduktionswert in Niederösterreich stärker gefallen ist als in Restösterreich. Denn der Bereich Adaptierung war auf einem sehr hohen Niveau, jetzt hat der Sanierwille doch etwas nachgelassen. Zum einen durch die vorübergehende Einstellung der Bundesförderung, zum anderen sind auch die Einmalzuschüsse geringer ausgefallen. Wir waren 2009 in Niederösterreich schon auf einer Sanierquote von drei Prozent, jetzt sind wir wieder dort, wo auch alle anderen sind. Und auch der Rückgang bei den Ausschreibungen für öffentliche Bauten hat zu einem deutlichen Rückgang der Bauproduktion geführt.
Report: Die Gemeinden spielen für das Baugewerbe traditionell eine wichtige Rolle als Auftraggeber. Wie sehr spürt man die aktuelle Geldnot der Kommunen?
Jägersberger: Die kommunalen Auftraggeber sind für das Gewerbe tatsächlich sehr wichtig. Natürlich spielen auch der Straßenbau und Bahnhofsprojekte eine Rolle, aber nicht in dem Ausmaß. Das ist eher etwas für die Bauindustrie.
Report: Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die Verlängerung der Schwellenwerteverordnung, auch im Hinblick auf die Dienstnehmerfreizügigkeit ab Mai 2011?
Jägersberger: Wir haben das sehr kritisch hinterfragt und uns auch die andere Seite der Medaille angesehen. Denn die Verordnung hat natürlich zur Folge, dass Unternehmen eben nicht zu Ausschreibungen eingeladen werden. Wir haben unsere Mitglieder auch dazu befragt und die Zustimmung zur Verlängerung ist eindeutig ausgefallen. Das liegt daran, dass die Unternehmen im lokalen Umfeld größere Chancen sehen, Aufträge zu erhalten. Das darf aber nicht mit einer freundlichen Vergabe verwechselt werden. Der Wettbewerb ist genauso hart wie bei einer Ausschreibung, aber eben auf lokale Unternehmen beschränkt. Das ist auch für die lokale Wertschöpfung wichtig. Das Geld bleibt in der Region. Wenn die Gemeinde Aufträge billig ins Ausland vergibt, was bleibt davon als Wertschöpfung in der Region? Eine Wurstsemmel und ein Bier, überspitzt formuliert.
Report: Wie würden Sie die Stimmung in den grenznahen Regionen und den dort ansässigen Unternehmen beschreiben?
Jägersberger: Unsere Mitgliedsbetriebe verfügen über eine sehr gute technische Ausrüstung, hervorragend ausgebildete Mitglieder und sie zahlen in Österreich Sozialabgaben. Das ergibt in Summe gewisse Baupreise, die man in Österreich kaum unterschreiten kann. Da kann der grenzüberschreitende Dienstnehmerverkehr die heimischen Betriebe natürlich stark unter Druck setzen. Es wird sich zeigen, wie schlimm es dann tatsächlich wird. Man muss aber auch fairerweise dazusagen, dass es auch genügend heimische Betriebe gibt, die aus Kostengründen einen Standort im nahen Ausland planen und von dort aus in Österreich tätig werden. Jetzt liegt es an der Politik, Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb zu schaffen.
Report: Wie könnten diese Rahmenbedingungen aussehen?
Jägersberger: Ein Blick nach Deutschland zeigt, wie es gehen könnte. Da gibt es keine Bauaufnahme ohne eine komplette Einreichung aller Bewilligungen und Bestätigungen auf Punkt und Beistrich zwei Wochen im Voraus. Dazu kommt eine ganz genaue Kontrolle sämtlicher Baustellen.
Report: Im Gegensatz dazu wird die KIAB, die Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung, in Österreich personell zwar aufgestockt, dafür sind die Beamten jetzt aber auch für die Kontrolle des kleinen Glücksspiels zuständig.
Jägersberger: Das ist aus unserer Sicht eine völlig falsche Entwicklung. Wir haben schon immer dafür gekämpft, die Bruttomittellohnwerte zu senken, um für den Wettbewerb gerüstet zu sein. Als Gegenargument wurde immer wieder vorgebracht, dass die ausländischen Dienstnehmer ohnehin auch zu unseren Kollektivverträgen arbeiten müssen. Die Frage ist aber, wer das kontrollieren soll, wenn die Zuständigkeiten der KIAB ständig ausgeweitet werden. Die KIAB müsste wieder stärker auf den Bau fokussieren und mit zusätzlichen Vollmachten ausgestattet werden. In Deutschland läuft die Kontrolle über die Zollbehörde, die seit jeher gut aufgestellt sein dürfte. Und dort funktioniert die Überprüfung der Baustellen sehr gut und es gibt beim kleinsten Vergehen oder formalen Fehler Strafzahlungen.
Report: Sehen Sie politisch Chancen für eine Adaptierung der Rahmenbedingungen?
Jägersberger: Das Problem wird auf politischer Ebene heute schon viel besser verstanden oder zumindest wahrgenommen als früher. Es geht um Chancengleichheit und darum, dem Staat die sozialen Einnahmen zu sichern. Ob tatsächlich auch an greifenden regulativen Maßnahmen gearbeitet wird, kann ich nicht sagen. Wichtig wären sowohl eine Überprüfung der Unterlagen im Ausland als auch der Vollzug von eventuell verhängten Strafen.
Report: Bei der Konferenz der Wohnbaulandesräte in Klagenfurt Ende Oktober gab es deutliche Signale in Richtung Wiedereinführung der Zweckbindung. Sind sie überrascht von dieser Entwicklung?
Jägersberger: Überrascht dahingehend, dass natürlich alle Länder Budgetnöte haben und froh sind über zusätzliche Geldquellen. Die Politik hat aber verstanden, dass der Bedarf an neuen Wohnungen steigt. Wenn das Geld aus der Wohnbauförderung anderweitig verwendet wird, steuern wir langfristig auf massive Probleme zu. In Niederösterreich ist die Wohnbauförderung schwer in Diskussion geraten, es bleibt aber festzuhalten, dass Niederösterreich immer noch mehr für die Wohnbauförderung ausgibt, als über den Finanzausgleich für die Wohnbauförderung hereinkommt. Es hat zwar heuer leider eine Reduktion der Wohnbauförderung von 500 Millionen Euro auf 415 Millionen Euro gegeben, aber es gibt das klare Bekenntnis von Landesrat Sobotka, weiter auf dieses Instrument zu setzen.
Report: Glauben Sie an die Wiedereinführung der Zweckbindung?
Jägersberger: Ich hoffe es. Aber natürlich gibt es starke Lobbys, die die Wohnbauförderung immer schon kritisch gesehen haben. Von dieser Seite heißt es dann, dass die Wohnbauförderung nicht mehr zeitgemäß ist. Ich bin aber überzeugt, dass sie heute zeitgemäßer denn je ist. Die Wohnbauförderung ist sowohl für den Neubau als auch die Althaussanierung das Um und Auf. Und auch die Subjektförderung ist wichtig, denn wenn sich niemand die Mieten leisten kann, dann brauche ich auch nicht neu bauen. Der soziale Wohnbau wird anders nicht möglich sein, deshalb glaube ich auch fest an eine Rückkehr der Zweckbindung.