Karriere-Grenzgänger
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Lineare Lebensläufe sind passé. Entscheidungsträger pendeln immer öfter zwischen Firmen, Branchen, Politik und Wirtschaft. Aber geht das immer gut? Eine Spurensuche zwischen Grenzgängern, Überraschungen und Erfolgsgeschichten. Headhunter und Personalchefs denken freilich oft noch in Kategorien von gestern.
Von Heinz van Saanen
Die Arbeitsmärkte sind in Bewegung. Weltweit – und schneller als Politiker, Gewerkschaften und Arbeitgeber das bisweilen realisieren. Oder auch zugeben möchten. Dazu kommen erstaunliche Beharrungskräfte. Idealvorstellungen von dauerhaften oder gar lebenslangen Arbeitsverhältnissen sitzen immer noch fest in den Köpfen, obwohl die amerikanische »Hire and fire«-Kultur die Welt überrollt wie Hollywood-Blockbuster. Selbst die beim Thema Arbeit erzkonservativen Japaner müssen umdenken. Mindestens bis zur Asienkrise gehörte es zum Ehrenkodex der Firmen, ihre Mitarbeiter lebenslang zu beschäftigen – Beförderungsgarantie inklusive. Die dankten es mit Arbeit bis zum Umfallen. Aber die alten Loyalitätsverhältnisse werden brüchig. Seit selbst Sony & Co. zehntausende Mitarbeiter entlassen, greift »arubaito« um sich. Das klingt ein bisschen wie »Arbeit« und ist tatsächlich dem Deutschen entlehnt, gilt in Japan aber als Synonym für – schlecht bezahlte – Gelegenheitsjobs. In Österreich sind Jobs auf Lebenszeit, sieht man von Beamten und dem staatsnahen Bereich ab, ohnehin schon rar. Wer heute als Akademiker ins Berufsleben einsteigt, wechselt nach einer aktuellen Studie schon nach etwas über drei Jahren den Arbeitsplatz– freiwillig oder gezwungen.
Nichtakademiker bringen es in ihrem ersten Job gerade einmal auf eine Verweildauer von rund zwei Jahren. Die Lebensläufe werden also bunter. Oft bedingt durch »Umstrukturierungen« oder »Freisetzungen«, wie schnöde Entlassungen gerne wolkig umschrieben werden. Leichter wird es für den Managernachwuchs dadurch nicht. Für Personalchefs und Headhunter, selbst vielleicht noch mit den Normen der 80er-Jahre sozialisiert, gilt übermäßiges Jobhopping nach wie vor als unschön (siehe weiter unten). Für Personalchefs zählt immer noch Kontinuität. Manager, die sich zu häufig oder gar branchenübergreifend verändern wollen, seien also gewarnt. »Brüche im Lebenslauf werden immer noch kritisch beäugt. Aber warum soll das nicht möglich sein?«, fragt sich Hill International CEO Othmar Hill. Als Finanzer sei man vielleicht »eine Flasche«, als Marketingmensch oder Vertriebler aber vielleicht genial und mit seinem Job glücklich. Aber nicht jeder Branchenwechsel wird von Hill goutiert. Als gerne gesehener Gastredner bei Transparency International, der Verein widmet sich dem Kampf gegen Korruption, steht er dem allzu geschmierten Personalaustausch zwischen Politik und Wirtschaft eher skeptisch gegenüber.
Lobbyisten-Schwemme
Politik und Business verhalten sich gefühlterweise ohnehin bereits ähnlich wie kommunizierende Röhren. In den USA ist das normal, aber jetzt wechseln auch Europas Toppolitiker zunehmend in Lobbyingjobs oder in Aufsichtsräte (siehe weiter unten). Nicht selten hat der hurtige Frontenwechsel ein Geschmäckle. Gerhard »Gasgerd« Schröder adelte seinen Machokumpel Wladimir Putin zum »lupenreinen Demokraten« und stellte noch in seiner Amtszeit Weichen für Gazprom. Dass er dann ausgerechnet bei der Gazprom-Tochter Nordstream einen Job fand, macht keinen schlanken Fuß. Dass »Bushs Pudel« Tony Blair Millionengagen von US-Institutionen wie dem Verlag Random House oder der Bank J.P. Morgan kassiert, statt vielleicht in Den Haag die Anklagebank zu drücken, wirft wiederum kein gutes Licht auf Kleptokratien westlichen Zuschnitts. Der Wechsel in das Big Business klappt aber nicht immer so, wie sich das Politiker vorstellen. Für Hubert Gorbach war »Vorarlberg too small«. Heute sitzt er mit seiner »Gorbach Consulting« ausgerechnet in Frastranz und ist an der Frastranzer »Supergau Versicherungsbüro GmbH« beteiligt. Richtig weltläufig klingt das nicht. Immerhin erinnert der Firmenname Supergau an das segensreiche Wirken der blau/orangen Infrastrukturminister. Bisweilen klappt der Wechsel in die Wirtschaft aber auch bravourös.
Dass die Wiener Ex-Finanzstadträtin Brigitte Ederer als Frau ausgerechnet den Sprung in den Münchener Männerklub Siemens geschafft hat, muss immer noch extra betont werden. Kompetenz spricht ihr ohnehin niemand ab. Aber was genau ist dann der »Ederer-Faktor«, der sie in derart lichte Managementhöhen führte? Die Frau ist auch dann gnadenlos sympathisch, wenn keine Kameras oder Mikros in der Nähe sind und es keine medialen Lorbeeren zu gewinnen gibt. Beobachtet etwa bei einer Computerschulung für Senioren in einem tristen Gemeindebauzimmer am Wiener Praterstern. Ederer war damals schon Finanzchefin, also eine zwanghafte Kombination von Macht und Zeitnot. Trotzdem tauchte sie dort auf und war für alle nur die »Gitti«, die den Teilnehmern geduldig zeigte, wie man Maus und Computer bedient und was man mit dem Web so anstellen kann. Am »Buffet« danach gab es statt Hummer und Sekt Wurstbrot und Fruchtsaft – und ein paar glückliche Pensionisten, die nun wussten, wie sie ihren Enkeln eine Mail schicken. Ein erfolgreicher Jobhopper der Sonderklasse ist etwa Hansjörg Tengg. Schon als Konsum-Liquidator wurde er zur Managerlegende, dann baute er max.mobil auf. Danach wurde es ruhiger – aber nur medial.
Bunte Hunde und Möbelhändler
Über Tengg und Partner und eine Privatstiftung ist er in einem halben Dutzend Unternehmen engagiert und sitzt auf einem guten Dutzend Geschäftsführer- und Aufsichtratsposten. Als »Elder Statesman« ist er manchmal ruppig. Er fragt sich zum Beispiel, »wie unfähige Manager weiterkommen«. »Gehaltsexzesse« begründet er so: Seilschaften in den Gremien zitieren sich miteinander und gegenseitig hinauf. Das »nennt man dann »marktkonform«. Auch Ex-Telekom-Vorstand Rudi Fischer war immer für trockene Sager zu haben. Als der notorische Serienpleitier Werner Böhm via YLine gar die TA kaufen wollte, fiel ihm nur die Kurzreplik »Traumtänzer« ein. An Böhms frühen Pleiten und politischen Connections müht sich die Justiz noch heute ab, so, als wäre sie völlig mit Valium sediert. Fischer hingegen hat gemeinsam mit Ex-TA-Vorstand Gernot Schiezler ein neues und überraschendes Betätigungsfeld gefunden. Seit März sind die beiden jeweils Dritteleigentümer und Geschäftsführer der Smart Living GmbH, die am Opernring 4 integrierte Interieur- und Wohndesignlösungen verkauft. Integriert werden vorzugsweise Tech-Gadgets, wie etwa anspruchsvolles Heimkino, HiFi oder auch Lichtanlagen.
Für den guten Ton sorgt der letzte Dritteleigner, die Sound Company, die ebenfalls am Opernring logiert. Die Ansprüche sind gehoben, aber nicht abgehoben. Bedient wird auch das mittlere Preissegment. TA-Langzeitvorstand Fischer – ehemals ein veritabler »Firmenbuch-Multi« – ist neben dem Engagement bei Smart Living nur noch im Aufsichtsrat bei der Asfinag. Gernot Schieszler – er stolperte bei der TA 2009 über ein etwas peinliches Youtube-Video und die Praxis von Golden Handshakes – bastelt hingegen fast schon an so etwas wie einem kleinen Konzern. Seine Smart-Living-Anteile hält er über die Concipio, eine Beteiligungsgesellschaft, die auch 55 Prozent der Value Added Sales Service GmbH hält. Daneben ist er Kommanditist bei der Holder Aviation und Finanzvorstand der steirischen Christof Holding AG. Dass selbst ein grandioses Scheitern mit grandiosen Boni und Abfertigungen einhergehen kann, dürfte seit der Finanzkrise selbst hart gesottenen Medienabstinenzlern bekannt sein. Ganz neu ist es aber nicht.
Glückhaftes Scheitern
Wie viele Zig-Millionen hat Jürgen Schrempp dafür kassiert, dass er mit seiner »Welt-AG« die Industrieperle Daimler beinahe geschreddert hat? Misserfolg schützt auch vor weiterer Karriere nicht. Hansjörg-Tengg kommentiert das so: »Ich frag mich oft, wie solche Manager weiterkommen«. Erich Söllinger etwa saß – mit einem Ticket der ÖVP – im Finanzvorstand der ÖBB-Holding und der Cargo-Tochter RCA. Richtig glückhaft war das Engagement nicht. Zumindest hat die Bankenkrise ordentlich dazwischengefunkt. Mit zweifelhaften Spekulationsgeschäften ruinierte Söllinger die ÖBB-Bilanzen, an den Folgen laboriert der Konzern bis heute. Geschadet hat das Söllingers Karriere offensichtlich nicht. Seit März 2009 ist er kaufmännischer Doppelgeschäftsführer der deutschen SAG Group und der SAG Gmbh. Ein Beispiel für positives Scheitern ist Fritz Svihalek, der als »unglücklicher Stadtrat« in die Wiener Rathausgeschichte einging.
»Strategiepapiere« um 100.000 Euro? Da lacht Svihalek nur. Zwar ist er mit seiner EU-Consult – nomen est omen – im Beraterbusiness. Aber »so etwas mache und brauche ich nicht«. Er selbst sieht sich als Kleinunternehmer, der »halt gerade über die Runden kommt«. Der Abschied aus der Politik, damals legte er 45 Kilo zu, sei das Beste gewesen, was ihm »jemals passiert« ist. Jetzt ist er »zutiefst glücklich«, er genießt das Leben und speckte zudem 30 Kilo ab. Als »Frank Sinatra« oder »Svi« gibt er gut 45 Konzerte im Jahr und swingt in Kellertheatern oder im Böhmischen Prater. CDs produziert und verkauft er auch. Geld scheint für Frank Sinatra tatsächlich zweitrangig zu sein. Der Reinerlös geht zur Gänze an die Aktion »Leben mit Krebs«. Von Scheitern kann bei Helmut Draxler keine Rede sein. Der Linzer Arbeitersohn legte eine fulminante und vielschichtige Karriere hin. Das Glück scheint immer auf seiner Seite gewesen zu sein. Ignoriert man das Intermezzo Rüdiger vorm Waldes, war Helmut Draxler so etwas wie der letzte »echte« und erfolgreiche ÖBB-Generaldirektor – und kassierte dafür förmlich einen Hungerlohn. Einen goldenen Schnitt machte er hingegen als Sanierer und Chef des Feuerfestkonzerns RHI, der erst kürzlich seinen Gewinn verzwanzigfachte. Was er gerade so treibt, hält er auf Nachfrage für »Privatsache«, und verrät nur, dass er »auch international orientiert« ist. Als ob er nicht auch schon in Österreich genug zu tun hätte. National sitzt er in stolzen acht Aufsichtsräten, darunter Schwergewichte wie etwa Siemens, RHI, OMV, Vienna Insurance oder Orange. Gut zu tun hat er sicher auch als Aufsichtsrat der notverstaatlichten Hypo Alpe Adria. Von bösen Zeitgenossen gestreute Gerüchte, dass er als reicher »Frühpensionist« nur mehr am Golfplatz anzutreffen sei, dürften bei Draxlers aktuellem Pensum also völlig haltlos sein.
>>Fluktuation zwischen Politik und Business:
Die Grenzen zwischen Politik, Lobbyismus und Big Business scheinen immer mehr zu schwinden. Wer das Primat hat, ist ohnehin bisweilen schwer auszumachen. Gerhard »Gasgerd« Schröder bescheinigte seinem Macho-Kumpel Wladimir Putin, ein »lupenreiner Demokrat« zu sein, und stellte noch am Ende seiner Regierungszeit ein paar Weichen für Gazprom, für die er dann als Lobbyist werkte. Der Grüne Joschka Fischer leiht seit September dem Handelsriesen Rewe sein Gesicht. Fragt sich nur, wann der Ex-Anarcho den Rolli überzieht und für die Rewe-Tochter Billa den Mister »Hausverstand« mimt. Auch in Österreich sind die Übergänge fließend. Wolfgang Schüssel ist seit heuer »Stromwolfi« für RWE und sitzt dort im Aufsichtsrat. Ex-Minister Ernst Strasser ist zwar maßgeblich am Firmennetzwerk des LIF-Mandatars Alexander Zach beteiligt, von Malversationen wegen Provisionen hat er laut Medienberichten nichts gehört. Auch SPÖ-Granden sahnen bisweilen ganz gut ab. Franz Vranitzky gab der Bawag 1999 eine Telefon-Expertise über den Euro und kassierte dafür eine Million Schilling. Alfred Gusenbauer werkt als Multigesellschafter, CEO, Aufsichtsrat und Privatstiftungsvorstand. Othmar Hill, CEO und Gründer des Headhunters Hill International, meint, dass bei solchen Jobs persönliche Fähigkeiten hinten anstehen: »Alles, was da zählt, ist das Netzwerk«. Das sei zwar »prinzipiell okay«. Schon weniger gut findet Hill den Umstand, dass Politpensionen auch dann fließen, wenn solche »Netzwerke kapitalisiert« werden.
>>Personalchefs als Hemmschuh:
Selbst die erzkonservativen Japaner nehmen von linearen, sicheren und jahrzehntelang einförmig verlaufenden Berufskarrieren bei derselben Firma mental Abschied. Von »Hire and fire«, wie es in den USA gepflegt wird, ist man aber noch weit entfernt. Ähnliches gilt für Österreich. Hire and fire wünscht sich niemand, aber der Arbeitsmarkt ist in Bewegung. Für Personalchefs zählt dennoch immer noch Kontinuität. Manager, die sich gar branchenübergreifend verändern wollen, seien also gewarnt. »Brüche im Lebenslauf werden immer noch kritisch beäugt. Aber warum soll das nicht möglich sein?«, fragt sich etwa Hill International CEO Othmar Hill. Als Finanzer sei man vielleicht »eine Flasche«, als Marketingmensch oder Vertriebler vielleicht jedoch genial und mit seinem Job glücklich. Weiters sei es eine Unsitte, dass man oft bewusst schwache Manager bevorzuge. »Die mucken dann zwar in den etablierten Hierarchien nicht auf«, meint Hill. Aber schwache Manger seien eben schwach — und schaden langfristig daher auch der Organisation. Diese blühe nur, wenn man Toppositionen auch mit — vielleicht kritischen — Topleuten besetze.