Clever und Smart
- Written by Redaktion_Report
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Sprachtelefonie mittels Internet - Voice-over-Internet-Protocol (VoIP) - ist ein prominentes Beispiel für die Konvergenz ehemals klar getrennter Technologiebereiche. Mit den Innovationen in der Hard- und Software verwischen die Grenzen zwischen den Geschäftsfeldern. Webprovider, ursprünglich auf den Datentransport im Festnetz spezialisiert, erweitern ihr Angebot um die Internettelefonie und stehen damit in direkter Konkurrenz zur gewöhnlichen Sprachtelefonie. Gleichzeitig haben Anbieter von Telefonie begriffen, dass sie nur dann auf dem modernen Businesskommunikationsmarkt bestehen werden, wenn sie ihr Produktangebot zu einer einheitlichen Architektur zusammenführen. Und diese Architektur hat zu sein: offen, skalierbar, zuversichtlich. Für die VoIP-Endgeräte gilt nur eines: Sie müssen »smart« sein.
»SIP ist in der Internettelefonie im Moment das große Thema«, behauptet Gerhard Anderl, Marketingmanager bei Philips. Das »Session Initiation Protocol« ist das für IP-Telefonie relevante Protokoll. Ein Vorteil von SIP ist, dass es sich hierbei um einen offenen Standard handelt, der mittlerweile sehr weite Verbreitung gefunden hat. Skype, derzeit in aller Munde, stellt im Gegensatz zu SIP ein in sich geschlossenes, proprietäres System dar. Sollte ein DDoS(Distributed Denial of Service)-Angriff auf den Skype-Anmeldeserver stattfinden, können im Skype-Netz keine Verbindungen mehr aufgebaut werden. SIP-Server sind verteilt. Anderl: »SIP geht aber über das reine Telefonieren hinaus. Dadurch werden auch Themen wie Instant-Messaging, Video oder Presence-Management interessant. SIP bietet den Vorteil der Standardisierung auf hohem Niveau und garantiert dadurch Herstellerunabhängigkeit, eine Vielfalt an Applikationen und Endgeräten, hohe Stückzahlen und niedrige Kosten.«
Multifunktionell und schnell. Die Geräte, mit denen via Internet telefoniert wird, verfügen über zahlreiche Zusatzfunktionen, die einem die Arbeit erleichtern - sie sind smart. »Die Applikationen sind von Gerät zu Gerät unterschiedlich und reichen von analogen Standardtelefonen bis hin zu integrierten Soft-Clients mit Telefon, Video, Messaging, Application-Sharing und White-Board-Funktionalität«, erläutert Anderl. Ein Contact-Manager verwaltet alle Adressdaten, einschließlich der Telefonliste mit Anruflisten, gewählten Nummern und beantworteten Anrufen sowie dazugehörige Notizen. Anrufe lassen sich auch automatisch weiterleiten - entweder sofort oder nach einer bestimmten Zeit. »Wenn nicht abgehoben wird, geht der Anruf zum Beispiel nach zwanzig Sekunden vom Festnetz auf das Mobiltelefon. Diese Funktionalität nennt sich ›Follow Me‹«, so Anderl.
Always on. Abseits der Telefonie entstehen durch VoIP täglich neue Applikationen, bestätigt auch Günther Patterer, verantwortlich für die Bereiche Channel, KMU und Midmarket bei Cisco: »Die neuen Applikationen bieten alle eine wesentliche Eigenschaft - sie sind ständig online. Die Endgeräte bieten sich deshalb für neue Anwendungen an, wie zum Beispiel als Ein- und Ausgabegerät für SAP oder den elektronischen Akt. Je nach Branche entstehen andere Applikationen.« Diese seien aufgrund der offenen Schnittstelle sehr einfach zu realisieren. Auch im privaten Umfeld werden sich laut Patterer Multifunktionsgeräte durchsetzen, die das Gebäudemanagement übernehmen, die Heizung oder die Videokamera an der Haustür einschalten. Das Resümee: »All diese Services lassen sich in einem einzigen IP-Gerät zusammenfassen«, so der Vertriebsmanager.
Praktisch oder schick? Das Aussehen seines smarten IP-Endgeräts bestimmt der Kunde. Ob er via Telefonapparat am Schreibtisch oder via Headset am Computer telefonieren wird, entscheiden die Anwendungen, für die das Gerät genutzt wird. Tatsache ist, »viele Anwender ziehen es vor, mit einem ›richtigen‹ Telefonhörer zu telefonieren. Dass dabei im Hintergrund mit VoIP telefoniert wird, fällt dem Anwender kaum auf«, konnte Thomas Fleissner, Managing Director Stalker Software, beobachten. Fleissner weiter: »Bei unserem Produkt CommuniGate Pro entscheidet der Nutzer, mit welcher Art von Telefon er arbeiten möchte. Da VoIP ein Bestandteil des Messaging-Servers ist, ist auch keine zusätzliche Administration notwendig.« Seiner Meinung nach werden sich Produkte, die auf standardisierten Schnittstellen basierend die Kommunikation aufbauen, durchsetzen. »Proprietäre Lösungen werden als Insellösungen bestimmten Anwendungen vorbehalten bleiben und keine breite Marktpräsenz erreichen«, denkt Fleissner.
Seine Berechtigung. Das IP-Telefon als Hardware am Schreibtisch mit seinem großen Touchscreen und seiner Funktion als Ein- und Ausgabegerät hat durchaus seine Berechtigung. Gerhard Anderl, Philips: »Wir sehen zwar, dass die Anzahl der Softphones zunimmt, aber dass die überwiegende Zahl noch herkömmliche Telefone sind. Dieser Trend wird sich sicherlich noch verstärken, aber es wird weiterhin in beide Richtungen gehen.« Nachsatz: »Oder können Sie sich vorstellen, zum Telefonieren vorher immer den PC einschalten zu müssen?!«Auch Günther Patterer, Cisco, kann den Trend »weg vom Schreibtischtelefon hin zum PC-Telefon« nicht bestätigen: »Ob ein kabelloses Gerät oder ein Softphone zum Einsatz kommt, das entscheidet die Anwendung. Die Technologiemigration bringt jedenfalls eine Vielzahl an unterschiedlichen Geräten mit sich, die verschiedene Möglichkeiten bieten.« Thomas Helfert, Produktmanager Tele2UTA beobachtet: »Außendienstmitarbeiter werden bereits jetzt mit PC-Klienten ausgestattet. Ich denke, der Trend zur Telefonie via PC wird sich in den nächsten Jahren weiter verstärken.« »IP-Lösungen wie ›Office Phone IP‹ boomen. über kurz oder lang werden sowohl traditionelle Lösungen als auch Hybridsysteme auslaufen«, stellt Helfert fest.
Zweifel am Endgerät. Siemens-Manager Josef Jarosch, Leiter des Bereichs Communication Enterprise, sieht das differenzierter: »Bei den Endgeräten und - mehr noch - den Plattformen gibt es kaum noch Unterschiede im Preisgefüge zu analogen Produkten.« Aber: »Ich glaube nicht, dass Applikationen am Telefon als Endgerät statt am Computer der Weisheit letzter Schluss sind. Das Argument für IP-Lösungen, mit intelligenten Lösungen den Workflow und die Zusammenarbeit in den Unternehmen zu verbessern, gilt natürlich. Doch haben wir mit Computer-Telephony-Integration und Unified-Messaging bereits heute effiziente IP-Lösungen, die auch ohne einen Bildschirm am Telefon auskommen.« Siemens bietet mit seinen HiPath-Telefonanlagen IP-basierte Kommunikation und verspricht auf der Webseite »doppelten Spaß mit Voice over IP«. Wird telefonieren jetzt lustig? Zumindest erfreulich, wenn die Abrechnung den gewünschten Effekt zeigt. Die Migration auf VoIP reduziert den Aufwand für Administration und Unterhalt der Technik deutlich. Und mit der Zeit rechnen sich dann auch die Investitionen.
Langsamer übergang. Der Telefonapparat am Schreibtisch ist Gewohnheitssache und gehört in jedes Büro. Noch, denn »Telefonanlagen verwandeln sich zu Communication-Servern mit Standardbetriebssystemen wie zum Beispiel Linux und werden Teil der IT«, stellt Hans-Jürgen Jobst, Produktmanager für IP-Lösungen bei Avaya, das vor kurzem den TK-Experten Tenovis übernommen hatte, fest. »Trotz der Verfügbarkeit von Softphones greifen viele Kunden noch zum klassischen IP-Telefon in Form einer eigenständigen Hardware. Der übergang vom klassischen Telefon zum PC passiert langsam, aber kontinuierlich. Eine Zwischenlösung bildet hierbei die geschick-te Kopplung von PC und IP-Telefon, um zum Beispiel aus Workgroup-Systemen wie MS Exchange oder auch aus dem Webbrowser heraus Telefonfunktionen zu steuern.« Bei den Applikationen steht für Jobst ebenfalls fest: »Erfolgreich sind die Anwendungen dann, wenn sie einfach in der Bedienung, der Installation und der Wartung sind und dabei maximalen Nutzen bringen.« Wachstumsraten von VoIP sind laut Jobst sehr stark vom betrachteten Segment abhängig. Das stärkste Wachstum sei im Dienstleistungsbereich rund um VoIP zu sehen. Er räumt aber gleichzeitig ein, dass die Internettelefonie noch immer mit Schwächen zu kämpfen hat: »VoIP kämpft mit Datennetzen, die auf die neue Technik noch nicht vorbereitet sind, mit Netzbetreibern, die noch keine Garantien für die Qualität bieten können, mit IT-Abteilungen, die noch nicht die notwendige Qualifikation besitzen, mit fehlenden Angeboten durch die großen Carrier sowie mit fehlenden Standards hauptsächlich im Carrier-Umfeld.«
Marktchancen: enorm. Auch Robert Ludwig, Marketingmanager Voice Solutions und IP Applikationen bei NextiraOne muss eingestehen: »Die Technologie ist ausgereift und funktioniert im Unternehmen, also im LAN-Bereich tadellos. Im Internet dann muss auf zwei Dinge geachtet werden, nämlich dass Breitband vorhanden ist und dass der Betreiber entsprechende Quality-of-Service gewährleistet.« Schließlich werde VoIP jetzt massiv wachsen. »Derzeit sind ein Viertel der ausgelieferten Apparate IP-Endgeräte. Für das kommende Jahr erwarten wir uns bei den IP-Apparaten einen Anstieg von zwanzig bis dreißig Prozent«, so Ludwig.
Der Businesstelekommunikationsbetreiber Priority Telecom prognostiziert dem Markt ebenfalls ein gutes Wachstum. Wolfgang Bauer, Product Manager: »Produkte, die auf dem Internetprotokoll basieren, haben enorme Marktchancen. Schon im heurigen Jahr gehen wir davon aus, dass die Hälfte aller neu anzuschaffenden Sprachvermittlungen auf IP basiert.«Von Wachstumsraten im zweistelligen Bereich spricht auch Edmund Haberbusch, Leiter Telekom Austria Business Solutions. Die Telekom bietet mit IP-Telefonie Applikationen an, die über das Endgerät via XML-Schnittstelle bedienbar sind. Der Austausch von Information und die Möglichkeit der Datenabfrage sind dadurch unabhängig von PC oder Laptop. Als Beispiel für Applikationen werden die Abfrage von Lagerständen, Börsekursen oder Anwesenheitslisten genannt. »Den Mehrwert von IP-Telefonie machen die Zusatzapplikationen aus. Die Auswahl der Applikationen und deren Programmierung erfolgt firmenspezifisch. Das eigentliche Kriterium, das über eine erfolgreiche Anwendung entscheidet, ist jenes, wie gut oder einfach eine Applikation in die Bedürfnisse eines Unternehmens integriert wird und welchen Zusatznutzen sie liefert«, so Haberbusch.