Spieltrieb für IP
- Written by Redaktion_Report
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Report: Voice-over-IP sollte den Prognosen vergangener Jahre zufolge längst den Telefoniemarkt aufgerollt haben. Dennoch scheinen die Kunden auf die neuen Möglichkeiten durch IP mehr als verhalten zu reagieren. Worauf führen Sie das zurück?
Josef Jarosch: Auf der einen Seite stehen wir einer guten, funktionierenden TDM-Welt gegenüber, die kaum noch Wünsche offen lässt - auch auf Applikationsebene. Auf der anderen Seite befindet sich VoIP in einer nicht aufzuhaltenden Entwicklung. Siemens ist zu unserem Vorteil im Bereich der klassischen Telefonie wie in der VoIP-Telefonie vertreten. Doch ist eine Schwarz-Weiß-Malerei nicht angebracht: Ich könnte Ihnen auf der Stelle alle Vor- und Nachteile von TDM und IP gleichermaßen aufzählen. Das einzig Richtige für den Kunden ist das, was er wirklich braucht. So gibt es durchaus Kunden, für die derzeit VoIP aufgrund der vorhandenen LAN-Infrastruktur nicht wirtschaftlich ist.
Wie ist denn Ihre Rechnung zu Investitionen im VoIP-Bereich? Welche Einsparungen können den Unternehmen IP-Netze schaffen?
Jene Form der IP-Telefonie, die über Datenleitungen den Telefonieverkehr verschiedener Geschäftsstandorte untereinander verbindet, hat in die unteren Netzebenen massiv Einzug gehalten. Etwa dreißig bis vierzig Prozent der Vernetzungen sind bereits mittels IP-Technologie realisiert. Dort ist die Kostenfrage, der Return-on-Investment, relativ einfach berechenbar: Für Einsparungen sollten die Standorte, die Datenleitungen und der Bedarf an Sprachtelefonie groß genug sein. Grob gesagt sind im Standardfall die Kommunikationskosten um rund ein Drittel durch eine IP-Lösung senkbar.
Wie ist die Entwicklung im Telefonanlagenbereich? Wann wird VoIP im Lösungsgeschäft den klassischen Switchingbereich verdrängen?
Bei den Endgeräten und - mehr noch - den Plattformen gibt es kaum noch Unterschiede im Preisgefüge zu analogen Produkten. Auch wenn das Portfolio der herkömmlichen Gerätschaften derzeit noch breiter ist, gibt es auch schon ein gut aufgefächertes IP-Portfolio. Wesentliches Element im VoIP-Wachstum sind Hybridanlagen, die beide Technologien - TDM und VoIP - verbinden und somit auch Investitionsschutz bieten. Lediglich im Falle von Neubauten und besonders innovativen Kunden werden derzeit reine IP-Lösungen umgesetzt. IP-Anlagen sind dennoch Trend: In zwei bis drei Jahren werden fünfzig Prozent des Neugeschäfts IP-Technologie nutzen.
Eines der Hauptargumente der VoIP-Entwickler ist die Fülle an Applikationen, die Collaboration-Lösungen begünstigen. Welche zukünftigen Lösungen werden reüssieren?
Ich glaube nicht, dass Applikationen am Telefon als Endgerät - statt am Computer - der Weisheit letzter Schluss sind. Das Argument für IP-Lösungen, mit intelligenten Lösungen den Workflow und die Zusammenarbeit in den Unternehmen zu verbessern, gilt natürlich. Doch haben wir mit Computer-Telephony-Integration und Unified-Messaging bereits heute effiziente IP-Lösungen, die auch ohne einen Bildschirm am Telefon auskommen. Oft wird von den Applikationen gesprochen, die zukünftig unsere Kommunikation erleichtern werden. Wenn aber ein Kunde wirklich Vorteile durch diese Applikationen erzielen will, müssen sie zeitgleich realisiert werden. Sonst passiert es nie, ist meine Erfahrung. Die Killerapplikation, die der Kunde braucht, hat eigentlich nichts mit IP zu tun - es sind die Geschäftsprozesse selbst. Etwa für die Anbindung und das Management der Workforce. Business Cases dazu sind meist hoch positiv, müssen aber trotzdem von Fall zu Fall genau betrachtet werden. Manchmal braucht der Spieltrieb aber gar nicht geweckt werden. In diesen Fällen erkennt der Kunde, wie zukunftssicher eine Investition in eine VoIP-Lösung ist.