Phantomschmerz
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»AUA!« So schreien Kinder schon auf, wenn es auch nur ein bisschen weh tun könnte. Auch der finale Absturz der österreichischen National-Airline kam schnell und schmerzlos. Zumindest für die Verantwortlichen. Alle anderen dürfen ein bisschen länger leiden.
Eigentlich ist Alfred Ötsch ein ziemlich smarter Bursche. Immerhin wurde der Ex-AUA-Boss einmal als heißester Kandidat für die Nachfolge des legendären Siemens-Österreich-Chefs Albert Hochleitner gehandelt. Ötsch bekleidete damals als Siemensianer in der Münchener Konzernzentrale einen wichtigen Manager-Job. Fast schon die Weihe und das Sprungbrett, um als Hochleitner-Nachfolger durchzugehen. Ötsch kann auch geistreich, witzig und charmant sein. Das blitzte mehr als deutlich auf, wenn er sich beim Heurigen in Döbling mit Kollegen, Konkurrenten oder angesehenen Uniprofessoren entspannte. Der Schmäh ist bei solchen Gelegenheiten druckreif und hochklassig, ein Plädoyer für ein fast schon verblichenes Bildungsbürgertum, die gegenseitige Wertschätzung der illustren Runde förmlich greifbar. Vielleicht hätte Ötsch besser in der Automationsbranche bleiben sollen – dort war er eine große und respektierte Nummer. Aber nachdem es mit der Hochleitner-Nachfolge nicht klappte, hat das Peter-Prinzip in der österreichischen Variante zugeschlagen. Als Trostpflaster musste ein anderer hochrangiger und politisch kompatibler Managementjob her – womit das Unglück seinen Lauf nahm.
Ötsch mag ein höchst respektabler Industriemanager gewesen sein. Als Airline-Chef wurde von den Medien und dem Publikum ein Jahr lang regelrecht schon verhöhnt, bevor er jüngst das Handtuch schmiss. Die Steilvorlage für die Attacken war die höchst unglückliche und mehrfach öffentlich getätigte Einschätzung, dass die AUA saniert sei. Aber kaum war der Sager verklungen, gingen erst so richtig die Bomben los. Mit dieser krassen Fehleinschätzung sichert sich Ötsch einen prominenten Platz in der heimischen Wirtschaftsgeschichte, aber anders als ihm lieb sein kann. Ötsch mag sich damit trösten, dass er nicht der Einzige war, der Kuriositäten von sich gegeben hat. Die Auflistung könnte beinahe beliebig fortgesetzt werden. Alleine das Geschwanere von Ex-Kanzlern und Ex-Ministern über eine »nationale Airline« würde eine Seite füllen. Anlegerpräsident Wilhelm Rasinger formulierte das so: »Meinungsäußerungen von Politikern und Interessensvertretern jeder Art waren zumeist entbehrliche populistische Beiträge zur Volksverdummung.« Die knappste Analyse liefert ÖIAG-Mann und Postgewerkschafter Gerhard Fritz: »Die ÖIAG hat es verschissen.« Ob ÖIAG-Chef Peter Michaelis die Einsicht seines Kollegen Fritz teilt, ist nicht überliefert.
Des einen Leid, des anderen Freud
Als AUA-Aufsichtsrat und ÖIAG-Boss hat Michaelis – folgt man dem breiten Tenor – keine glückliche Figur gemacht. Selbst wenn er sich jetzt zurückzieht, wird das nur mehr mit Spott und Häme quittiert. »Der AUA bleibt nichts erspart: Michaelis kündigt Rücktritt erst nach der Lufthansa-Übernahme an«, titelt etwa eine einschlägige Flugbeobachtungs-Webseite. Dass Alfred Ötsch für seine Performance auch noch abcasht, erregt die Gemüter. Laut Österreich kassiert der Ex-AUA-Boss eine Abfertigung von 1,1 Millionen Euro. Die Verträge sind »supergeheim« und weder ÖIAG noch AUA wollen dazu Stellung nehmen. Aber warum eigentlich? Die Steuerzahler dürfen das Desaster zwar ausbaden, aber was mit ihrem Geld geschieht, wird ihnen vorenthalten? Angesichts der völligen Entkopplung von Leistung und Entlohnung packt die spitzzüngige Kurier-Kolumnistin Anneliese Rohrer »nur mehr die kalte Wut«. Wenn Rohrer dann noch an all die Hubers, Söllingers oder Seiberdorfer denkt, zerplatzt sie wahrscheinlich.
Warum die AUA einen derartig rapiden Totalabsturz hingelegt hat, ist übrigens auch noch nicht wirklich schlüssig beantwortet. Die berühmten Kerosinpreise, deren Nichtabsicherung die Airline angeblich ins Trudeln gebracht hat, können es wohl nur schwer alleine gewesen sein. Die Bilanz 2007 weist immerhin noch ein Eigenkapital von 786,5 Millionen Euro aus, die liquiden Mittel waren mit 219,3 Millionen auch nicht gerade ein Pappenstiel. Der Cashflow ist zwar nicht berauschend, aber verstecken muss er sich auch nicht. Die ersten Insider runzeln schon die Stirn und witzeln darüber, ob nicht gar ÖBB-Ex-Finanzer Erich Söllinger unbemerkt bei der AUA eingecheckt hat.
Des einen Leid, des anderen Freud: Während die AUA im Rahmen des Sparprogramms das Angebot reduziert, wittern die ÖBB Morgenluft. Personenverkehrschefin Gabi Lutter registriert im Fernverkehr eine gestiegene Nachfrage und reagiert darauf mit einer deutlichen Fahrplanausweitung. Bei fast allen Inlandsdestinationen wurde die Anzahl der direkten Tagesverbindungen aufgestockt. Auf der Strecke Wien-Innsbruck beispielsweise verkehren jetzt 13 Züge täglich, mit der Vorteilscard kostet die Verbindung schlanke 27,20 Euro. Um zusätzliche Neukunden zu ködern, optimiert die ÖBB das »Taktknotensystem«. Auf gut Deutsch heißt das, dass die die Warte- und Umsteigezeiten zwischen Nah- und Fernverkehr sowie Postbus reduziert werden sollen. Als weiteren Vorteil preist Lutter an, dass man mit der Bahn »immer von Stadtzentrum zu Stadtzentrum fährt« und sich somit Transferzeit und Kosten spart. Für flugmüde Manager ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl.
Ausgesprochen - Zitate zur AUA
»Die AUA ist saniert.«
Alfred Ötsch mehrfach Anfang 2008. Ein kurzer Satz, der in die Wirtschaftsgeschichte eingehen wird. Ötsch geht jetzt mit einer kolportierten Abfertigung von 1,1 Millionen spazieren.
»Die Situation bei der AUA ist nicht misslich«,
war ÖIAG-Chef Peter Michaelis noch im Mai 2008 überzeugt.
Aber Michaelis ist sowieso eine harte Konkurrenz für Astro-Tanten wie Gerda Rogers. Im Industrieausschuss des Parlaments ortete er im April 2004 eine »mittelfristige Ergebnislücke der Post« von »260 Millionen Euro«. Wow, kann man da nur sagen.
»Die AUA steht gut da. Wir müssen nichts verschenken.«
Werner Faymann auf der Presseseite der SPÖ im August 2008.
»Ich würde nicht einmal einen Euro in die AUA stecken«,
so Hannes Androsch im August 2008. Einen goldenen Schnitt wie bei der Salinen-Privatisierung hätte der damit ohnehin nicht gemacht.
»Herschenken kann man die AUA auch nicht«,
war sich Ex-Gewerkschaftsboss Rudolf Hundsdorfer im Oktober 2008 sicher. Wie wahr, die Steuerzahler dürfen noch kräftig drauflegen.
»Die ÖIAG nimmt ihre Verantwortung bezüglich ihrer Beteiligungsunternehmen mit großer Umsicht wahr«,
bricht ÖIAG-AR-Chef Peter Mitterbauer im November 2008 eine Lanze.
»Ich bedanke mich bei Alfred Ötsch ... Mit der Unterstützung des Managements konnte letztlich eine langfristige und vor allem nachhaltige Lösung für Austrian Airlines erreicht werden«,
fabulierte ÖIAG-Chef Michaelis Ende Jänner.
Abgesang auf eine Ära
Dass die AUA jetzt gezwungenermaßen unter die Fittiche des »Kranichs« Lufthansa schlüpft, lässt emotional nur hartgesottene Börsianer kalt. Die Vorläufer errichteten mit Wien–Kiew 1918 die erste regelmäßige Flugverbindung der Welt. Ab 1957 agierte das Unternehmen auch als nationaler Identitätsstifter der Zweiten Republik. Übrig bleiben wird die rotweißrote Heckflosse. Zumindest – marketingtechnisch gesehen – bis auf Weiteres.