Diskussion um Mobile Music
- Written by Redaktion_Report
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Jüngst zog Marktführer Nokia zufrieden Bilanz: Im Laufe des Jahres 2004 habe man zehn Millionen Handys mit integrierten Musikplayern verkauft. Und die Tendenz steigt. Neues Flaggschiff ist das Nokia 3250: Ein Dreh und die Minitastatur am unteren Ende des Gerätes verwandelt sich in ein Bedienpanel, das Handy wird zum Musikplayer. T-Online und T-Mobile, die beiden Töchter der deutschen Telekom, haben indessen die \"Mobile Jukebox“ an den Start gebracht. Der Webshop greift auf das Repertoire des deutschen Marktführers Musicload zurück, der gesamte Musik-Katalog wurde ins Format aac Plus umgewandelt. Die Songs werden aufs Mobile in 32-KBit-Encoding und auf den PC in 128-KBit-Encoding geliefert. 32-KBit? Nicht gerade berauschend. Kein Wunder, dass Martin Dietz - seine Firma Coding Technologies vermarktet aac Plus - beklagt, dass es bei Downloads aufs Handy noch kein wirklich befriedigendes Hörerlebnis gibt.
In einem Interview mit der Berliner Zeitung sprach iPod-Chef Jon Rubinstein neulich das aus, was viel denken, die das Vorhaben der Mobiltelefon-Hersteller, durch integrierte MP3 Player neue Käuferschichten zu erschließen, kritisch beobachten: Dass Handys schlichtweg nicht die MP3-Player der Zukunft seien. Wenn Rubinstein das sagt, dann mischt sich in die Zustimmung natürlich auch eine Brise Skepsis. Immerhin wollen die Mobiles den iPod ablösen. Rubinstein hätte also allen Grund dazu, die auf den Markt drängenden MP3-Mobiles mit der für den Platzhirsch typischen Verachtung zu strafen. Wirklich alle? Nicht unbedingt: Schließlich haben Apple und Motorola gemeinsam eine mobile iTunes-Version entwickelt.
Multifunktionalität als Verkaufsschlager? Rubinstein zur oftmals angepriesene Multifunktionalität der neuen MP3-Handys: “Schauen Sie sich in ihrer Küche um: Gibt es da etwa einen Toaster, der auch Kaffe kochen kann? Es gibt kein solches Kombinationsgerät, weil es nichts besser machen würde als ein einzelner Toaster oder eine einzelne Kaffeemaschine.“ So Unrecht hat er dabei nicht. Wir erinnern uns an Fernseher mit integriertem Video-Recorder und DVD-Video-Kombigeräte, die sich allesamt nicht am Markt durchsetzten, sondern das Schicksal aller kurzfristigen Modeerscheinungen teilten: Sie verschwanden, noch bevor die breite Masse Notiz von ihnen nahm.
Weshalb entwickelt man dann aber überhaupt eine mobile iTunes-Version? Weil es in der Geschichte der Musik seit jeher nicht um Multifunktionalität, sondern um Mobilität geht. Schon vor der Erfindung des Walkman, als die Taperecorder immer kleiner wurden, begann sich dieser Trend abzuzeichnen. Wer aber will nun bestreiten, dass Mobiltelefone mobil sind? Niemand. Dennoch geht es um mehr als bloße Mobilität. Neben einem ansprechenden Design kommt, betrachtet man den Erfolg des iPod, eine weitere ganz wesentliche Funktion ins Spiel: das private Musik-Archiv. Während der Walkman nur für den Moment gedacht war, hat heute jeder iPod-Besitzer ein wahres Musik-Archiv auf seinem Gerät verfügbar.
Es verwundert daher nicht weiter, dass iPod-Chef Rubinstein Mobiles noch nicht als Konkurrenz begreift. Schließlich kann man mit Handys derzeit nur an die 100 Songs mitnehmen, mit dem iPod hingegen lässt sich die ganze Musiksammlung (bei 30 GByte ca. 5.000 Songs) mobil machen.
Entlastung für Klingeltöne. Auch Stefan Schulz, Chef der Mobilsparte bei Universal Music, begrüßt den Schritt, den Apple durch die Mobile-Adaption seiner iTunes-Software setzte: Der Vertrieb ganzer Songs über das Mobiltelefon sei eine Entlastung für das Klingeltongeschäft, das derzeit - Firmen wie Jamba! sei Dank - immer noch 95% des mobilen Musikmarktes ausmacht. Das soll sich schon bald ändern, schenkt man Marc Schröder, Entertainment-Manager bei T-Online, Glauben: Bis 2008 sollen mehr als 80 Prozent der Handys Musik abspielen können, der Markt 800 Millionen stark sein.
Auch auf der diesjährigen Popkomm, der jährlichen Berliner Musikmesse, war \"Mobile Music“ Thema Nummer 1: Eine Expertendiskussion zum Thema “The Mobile Music Market as motor to UMTS-Sales” zeigte jedoch, wie unterschiedlich die Zukunftsvisionen doch sind.
Dass Mobiltelefone eine stärkere Rolle spielen werden, war allen Beteiligten klar. Bei aller Zuversicht scheint jedoch Vorsicht geboten: Das häufig zitierte Vorbild Japan, wo schon jetzt mobile Downloads jene, die von zu Hause aus getätigt werden, überwiegen, führt in die Irre. Dort verfügt man nämlich nicht über die gleiche Standleitungsdichte wie hierzulande. Der Griff zum Handy liegt quasi auf der Hand. Nur die Leute aus der Mobile-Branche selbst glauben, dass das Mobile dem iPod wirklich den Rang ablaufen wird. So etwa Martin Dietz, CEO von Coding Technologies. ähnlich auch Giles Balinet, Gründer von \"Musicwave“, der den iPod schon jetzt für abgeschafft hält: durch die Apple-eigene Erfindung des iPod-Phones.
Hoffnung auf Impulskäufe. Auch Sascha Lazimbat, Mitentwickler der Sparte Mobile Content bei Vodafone, geht davon aus, dass das Musik-Handy bald den nicht vernetzten MP3-Player bzw. den iPod ersetzt. Für das Mobile spreche einfach, dass man es jederzeit mit sich herumtragen und überall nachfüllen kann. Große Hoffnung setzt er auf Impulskäufe: Der Kunde ist unterwegs und will einen eben gehörten Song sofort haben. Entscheidend dabei ist natürlich die Dauer des Downloads. Für das Mobile Jukebox-Angebot etwa spricht Musicload von rund einer Minute. Wenn es schnell gehen soll, immer noch eine halbe Ewigkeit. Wer weiß: Vielleicht wird der Streit, ob iPod oder Mobile Phone, schon bald durch eine dritte, noch visionärere Erfindung abgelöst, die Design und Funktionalität so in sich vereint wie es anno 1979 der Walkman und anno 2001 der erste iPod tat.
Apropos nicht vernetzt: Wenn der iPod nicht so gut ginge wie er geht, wir hätten längst iPods und andere MP3-Player, die Netzwerke bilden und der Musikindustrie endgültig den Garaus machen: mittels Filesharing via ubiquitärer LAN-Hardware, meint Sascha Kösch, Herausgeber des Musikmagazins de:Bug. Aber auch darauf hat iPod-Chef Rubinstein eine Antwort: Weder WLAN noch die Nachfolgetechnologie WiMax werden bei Apple je eine Rolle spielen.