Auf der Suche nach dem Wohnzimmer
- Written by Redaktion_Report
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Zurück ins Jahr 2005. Die alten Telefongesellschaften stehen vor einem veritablen Problem (und nennen es eine fantastische Herausforderung): Neue Dienste drängen mit unschlagbaren Kostenstrukturen in einen Infrastrukturmarkt, der seit einem Jahrhundert von milliardenschweren Investitionen geprägt ist. »Wir brauchen keine neuen Provider!«, heißt es in den Zentralen der Konzerne. Mit dem Rücken zur Wand steht die alteingesessene Branche dennoch nicht. »Viele sehen nicht, dass wir uns ebenfalls weiterbewegen«, meint Alberto Sigismondi, Leiter Content-Management der italienischen TV-Sendergruppe Mediaset. Denn auch die Fernsehbranche muss sich dem neuen Wandel unterziehen. Breitband und Multimediaanwendungen stellen das Geschäftsmodell der terrestrischen TV-Sender ebenso wie der Kabelfernsehgesellschaften infrage. Die Antwort der Fernsehsender: Breitenwirksame, individuelle Contentservices werden erst dann möglich, wenn die Mehrheit der Konsumenten mit Glasfaserleitungen erschlossen sein wird. Bis dahin gibt es noch eine Vielzahl an Möglichkeiten für die traditionellen Fernsehsender. »Den Fernsehkanälen einen interaktiven, digitalen Layer hinzuzufügen, ist nur eine davon«, meint Sigismondi.
>> Wahl der Technologie <<
Dem Konsumenten die Wahl des benutzten Formats zu überlassen, das den jeweiligen Bedürfnissen am besten entspricht, ist ein Ziel von Armin Sumesgutner, Leiter Strategisches Produkt- und Innovationsmanagement bei der Telekom Austria. »Wir versuchen nicht, Contentproduzent zu sein, sondern ermöglichen einer produzierenden Community ihre Inhalte und Botschaften über unsere Infrastruktur zu verbreiten«, beschreibt Sumesgutner den Wandel der Netzbetreiber in Richtung Interaktivität. Bislang wäre Broadcasting eine Einwegkommunikation, »man lehnte sich in seiner Couch zurück und ließ sich berieseln«. Nun aber würden sich neue interaktive Umgangsformen mit neuen Anwendungen - etwa E-Government-Plattformen wie »Bürgerservice«, E-Learning oder E-Health - eröffnen. Die einzige Frage, die sich dazu stellt, ist, ob diese interaktiven Services künftig über die klassischen Fernsehkanäle oder über eine IP-TV-Plattform genutzt werden. Sumesgutner sieht bei Services, die mittels Internetprotokoll (IP) realisiert werden, ein breites Nutzungspotenzial: etwa bei der Kommunikation zweier Teilnehmer mittels Videokameras. »Dies ist nur mit Datenverkehr möglich, der in beide Richtungen geht.«
>> Anwalt angeboten <<
Für Dennis Gonier, Senior Vice President bei dem Internetkonzern AOL, hat sich innerhalb der letzten beiden Jahre die Welt für die Haushalte dramatisch geändert. Die Netzwerke und Systeme werden zunehmend komplexer, die Benutzer seien »mittlerweile so weit, per Anwaltschaft der Unternehmen unter die Fittiche genommen zu werden«. Sie brauchen einen Provider, sagt Gonier, »der ihnen geduldig zuhört und alles daran setzt, ihnen das Leben einfach zu machen. Ich denke, der Zaubertrank ist nichts anderes, als sich nachhaltig um den Kunden zu kümmern.« Das ist die einfache Antwort auf die Suche nach Kundenbedürfnissen.
Doch wie schaffen es die Breitbandanbieter künftig, ihren Nutzern Inhalte auf Bestellung wie etwa Filme liefern zu können? Technisch gesehen ist dies keine Herausforderung mehr. Allein die traditionellen Rechteinhaber wie etwa Hollywood-Studios sind von diesem neuen Geschäftsmodell noch nicht überzeugt. »Telkos verstehen noch nichts vom Unterhaltungsgeschäft«, behauptet Gonier. Die derzeit üblichen Internetleitungen bieten Gonier zufolge nicht den nötigen Highspeedzugang, um die Bedürfnisse der Konsumenten zu befriedigen. Er sieht die Internetanbieter zwischen den Stühlen: »Es ist nicht genügend Platz zwischen den TV-Sendern und den Rechteinhabern. Dort sind schon zu viele Synergien am Laufen.«
>> Neue Modelle <<
Gerade im Schritt zu Digitalfernsehen sind auch für die Sender noch Innovationen möglich. In Italien etwa wurde eine Prepaidform von Pay-per-View-TV gestartet. »Den Sendern ist bewusst, dass das Geschäft mit On-Demand-Content förmlich explodiert, die Internetprovider beginnen, uns unser Territorium streitig zu machen. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass das gute alte Fernsehen mit weiteren Services bereichert werden kann und mithalten wird«, sagt Sigismondi. »Wenn wir über Fernsehformate sprechen, ist die klassische Herangehensweise über ein Sendernetz sicherlich am effizientesten. Neue Dinge aber wie die Interaktion zwischen einzelnen Teilnehmern oder Videoservices werden für Broadcastingplattformen zu einem massiven, schwer lösbaren Problem«, kontert Sumesgutner. Auch bei der Telekom Austria habe man gelernt: Die Menschen wollen nicht in Schubladen gepresst werden. »Sie wollen vielmehr die Möglichkeit bekommen, selbst ihren Bedürfnissen entsprechend über Formate und Kommunikationsformen zu entscheiden.«
>> Abschied von Liebgewonnenem <<
Was bleibt, ist für die Anbieter nur noch die passenden Technologien zur Verfügung zu stellen. Die Kunden wollen Flexibilität und Kreativität. »Wir wollen uns langsam von der klassischen Welt der Telefon- und Datenleitungen verabschieden«, bekennt Sumesgutner.
Die Diskussion anlässlich der FITCE 2005, des Verbands der europäischen Informations- und Telekommunikationsexperten, finden Sie im Telekommunikations & IT Report und ungekürzt auf www.report.at/tele.