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Von der Idee zur Innovation

\"Alles, was erfunden werden kann, ist bereits erfunden.\" Diese durchaus kühne Randbemerkung notierte im Jahr 1899 der damalige Präsident des US-Patentamtes Charles H. Duell. Etwas voreilig, bedenkt man die Tatsache, dass auch 106 Jahre nach Duells Feststellung jährlich rund 700.000 Erfindungen zum Patent angemeldet werden und rund 4 Millionen Patente weltweit in Kraft sind. Die kreative Potenzial und der Erfindungsreichtum des menschlichen Geistes subsumieren heute unter dem Begriff der \"Innovation“. Die Innovationsfähigkeit eines Landes oder eines Unternehmens gilt als unabdingbare Vorraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. \"Innovation ist eine der wenigen Chancen für Hochpreisländer, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, erklärt Roland Sommer, Experte für Innovationspolitik bei der Industriellenvereinigung. Eine Sichtweise, die in österreichs Unternehmenslandschaft auf breite Zustimmung trifft. Einen Firmenchef zu fragen, ob sein Unternehmen innovativ ist, ist in etwa so als würde man einen Geistlichen fragen, ob er gläubig ist. \"Natürlich“, wird die prompte Antwort lauten - über die Qualität sagt dieses Bekenntnis noch nicht viel aus, aber es gehört eben zum Berufsbild.
Der Begriff an sich ist bis heute merkwürdig schwammig geblieben. Auch ein Blick in die Werbung zeigt, Innovation ist ein Modewort unserer Zeit. Vom Klopapier, über Kaugummi bis zum DVD-Rekorder. Es reicht nicht mehr, neu oder anders zu sein, alles muss innovativ sein. Diese inflationäre Verwendung des Begriffes Innovation führt zu einer Verwässerung. Wirklich innovative Unternehmen von solchen zu unterscheiden, die sich lediglich mit dieser Bezeichnung schmücken, wird zunehmend schwieriger.

Das Problem der Begrifflichkeit
Idee, Erfindung, Innovation - drei Begriffe, die über viele Gemeinsamkeiten verfügen, jedoch nicht synonym verwendet werden können. \"Viele Erfindungen basieren auf der Analyse von bereits Vorhandenem, als Ausgangspunkt für Weiterentwicklungen. Also etwas neu, besser und moderner machen“, erklärt Friedrich Rödler, Präsident des österreichischen Patentamtes. Die Innovation gehe darüber hinaus und meint sämtliche Phasen einer Neuerung, von der Idee bis zu deren Umsetzung, so Rödler.
Einigkeit herrscht auch über die Unterscheidung von Idee und Innovation. \"Eine Idee ist ein Einfall, ein leitender Gedanke, eine Vorstellung, oft nur eine Ahnung, also ein geistiger Gehalt“, erklärt Hubert Köttritsch von SKF österreich. Aus dieser Idee, dem kreativen Gedanken heraus müsse eine Entwicklung stattfinden, um zu einer Innovation zu gelangen. ähnlich die Einschätzung von Josef Affenzeller, Koordinator nationale und internationale Forschung AVL List: \"Innovation ist der Prozess von der Idee über die Entwicklung bis hin zur Markteinführung. Eine gute Idee zu haben, reicht heute nicht mehr aus.“
Interessant ist, dass \"im Zusammenhang mit dem Innovationsbegriff eine prinzipielle Annahme eines positiven Charakters suggeriert wird“, wie Christian Bartik vom Zentrum für Innovation und Technologie ausführt. Der Begriff Innovation werde positiv wahrgenommen, auch wenn es natürlich Innovationen gibt, die negative Auswirkungen nach sich ziehen. Damit ist Innovation zwar nicht gleichbedeutend, aber doch untrennbar mit Fortschritt verbunden.
Geht es um ein konkrete Definition des Begriffes Innovation, wird in der Regel auf den österreichischen ökonomen Joseph Alois Schumpeter verwiesen. Mit der deutschen übersetzung (1961) seines zuerst 1939 in den USA erschienen zweibändigen Werks \"Business Cycles“ fand der Begriff \"Innovation“ seinen Platz im deutschen Sprachgebrauch. Der ökonomischen Theorie des Kapitalismus folgend, beschreibt Schumpeter die wirtschaftliche Entwicklung als Prozess der \"schöpferischen Zerstörung“. Er spricht vom \"Prozess einer industriellen Mutation[,,,], der unaufhörlich die Wirtschaftsstruktur von innen heraus revolutioniert, unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft“. Demnach handelt es sich bei einer Innovation um eine radikale Neuerung. Eine Theorie, der sich auch Innovation Network Austria-Geschäftsführer Franz Filzmoser anschließt. Filzmoser gibt allerdings zu bedenken, dass eine Grenzziehung zwischen einer radikalen und einer vielleicht nicht ganz so radikalen Neuerung relativ schwierig ist.

Markt und Erfolg
Grundvoraussetzung für eine Innovation ist also eine Idee, die etwas (radikal) Neues verspricht. Darauf folgt die Umsetzung. Was dann noch fehlt ist der Markt, denn um von einer Innovation sprechen zu können, bedarf es auch im Schumpeter´schen Sinne des Marktes. Eine Innovation ohne Markteinführung bleibt auf dem Status der Idee stecken. \"Es geht immer um die wirtschaftliche Nutzung. Innovation ist die Umsetzung einer Idee bis hin zur Marktreife“, meint auch Gerald Fliegel, Innovationsmanager bei Siemens österreich, und verweist auf das englische Sprichwort \"research turns money into knowledge, innovation turns knowledge into money“. Etwas differenzierter sieht man den Erfolgsfaktor bei AVL-List. \"Die Quote für wirtschaftlich erfolgreiche Innovationen muss in unserem Unternehmen bei 60 Prozent liegen“, erklärt Affenzeller die Firmenpolitik. \"Aber man muss immer bedenken, dass Innovationen auch zeitintensiv sind. In dieser Zeit kann sich der Markt natürlich ändern. In diesem Fall muss man prüfen, ob die Innovation vielleicht für andere Bereiche sinnvoll ist. Am Innovationscharakter ändert dies aber nichts.“

Faktor Risiko
Ein zentrales Merkmal der Innovation ist die enge Verknüpfung mit dem Risiko. Das Beschreiten neuer Wege ist immer auch ein Schritt ins Ungewisse. \"Die Bereitschaft, Neues anzunehmen, nicht mit dem zufrieden zu sein, was es gibt und der konstante Versuch, es besser machen zu wollen, ist eine Grundeinstellung, die man entweder hat, im Laufe des Lebens erwirbt, oder eben nicht hat“, sagt Filzmoser, gibt aber zu bedenken, dass \"es vor allem für kleine Unternehmen ein großes Risiko bedeutet, sich auf neuem Parkett zu bewegen.“ So hat eine Erhebung des Innovation Network Austria herausgefunden, dass von zehn anfänglich als \"potenziell Erfolg versprechend\" eingestuften Innovationen nach einem Beobachtungszeitraum von drei Jahren nur 1,8 Produkte zu einem nachhaltigen Markterfolg führen. Die Dunkelziffer von Unternehmen, die an Innovationen gescheitert sind, ist enorm hoch, schätzt Filzmoser. \"Vor allem bei jungen Unternehmen und neuen Produkten ist sehr schwierig, die Erfolgsaussichten zu bewerten“, so Filzmoser. \"Die Erfolgschancen sind auch stark vom Unternehmer abhängig. Auf dem Weg zur Markteinführung gibt es immer wieder Durchhänger. Vieles hängt davon ab, wie der mit Rückschlägen umgegangen wird. In diesem Zusammenhang spielen sowohl die finanziellen Ressourcen, das vorhandene Netzwerk als auch die soziale Umwelt eine entscheidende Rolle.“

Deckmäntelchen Innovation
Wie bereits weiter oben ausgeführt, ist das Bekenntnis zur Innovation Teil des Berufsbildes des Unternehmers. Was nicht heißen soll, dass jedes Unternehmen innovativ ist. Schwierig ist es, die Unternehmen heraus zu filtern, die tatsächlich innovativ sind.
Ein wichtiges Indiz für die Innovationskraft eines Unternehmens ist die Nachhaltigkeit und Wiederholbarkeit von Innovation. \"Es gibt in der Wirtschaft oft die klassischen One-Hit-Wonder, die Eintagsfliegen. Wichtig ist aber für ein Unternehmen, zu zeigen, dass man immer wieder Innovationen hervorbringen kann“, meint Fliegel.
Für Infineon bedeutet Innovationsführerschaft, gemeinsam mit dem Kunden den Weg von der Entwicklung über die Fertigung bis hin zum Markt und der Massenmarktfähigkeit zu gehen und dabei auch das Risiko gegenüber dem Kunden zu tragen. \"Unser Erfolg hängt von der Akzeptanz im Markt ab. \"Bluffer“ positionieren eine Innovation in der öffentlichkeit, ohne jedoch das Marktrisiko zu tragen“, sagt Monika Kircher Kohl, Finanzvorstand Infineon Technologies Austria.
Für Harald Böhacker von der Palfinger-Gruppe \"zeichnen sich Innovative Unternehmen dadurch aus, dass sie in ihrer Branche den \"State of the art\" der Technologie vorgeben. Innovative Unternehmen kopieren nicht sondern werden kopiert“.Innovationen können nur in einem innovationsfreundlichen Klima entstehen. Innovative Unternehmen geben Ihren Mitarbeitern Raum zur kreativen Entfaltung. Sie bieten \"Raum zum Spinnen“, wie Böhacker salopp formuliert. ähnlich wird die Situation bei Alcatel eingeschätzt: \"Echte Innovationsführer verfügen über motivierte Mitarbeiter, die mittels ihrer Qualifikationen sowie unter Nutzung ihres betrieblichen und marktmäßigen Umfelds eine Reihe guter Ideen haben, eine Auswahl davon mit harter Arbeit umsetzen, und schließlich zumindest einige als echte Innovation zu messbarem Markterfolg vorantreiben“, meint auch Alfred Veider, Leiter Transport Solutions bei Alcatel Austria.

Das letzte Wort gebührt noch einmal dem \"Vater der Innovation“, Joseph Schumpeter. Er mahnt, Innovation nicht auf den gelegentlichen Ausstoß neuer Produkte zu verkürzen. Ein innovatives Unternehmen liege erst dann vor, wenn es als Ganzes, sowohl von außen - seitens der Kunden, Lieferanten und Konkurrenten - als auch von innen - seitens der Mitarbeiter und Führungskräfte - als \"zuverlässig schöpferisch“ wahrgenommen wird. Ein semantisches Paradoxon wie Stephan Friedrich von den Eichen, Berater bei Arthur D.Little, festgestellt hat, denn Zuverlässigkeit erfordert die Reproduktion des Gleichen, während \"schöpferisch“ genau vom Gegenteil lebt. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die wahre Innovation ein seltenes Gut.

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