Die Globalisierung des Waldviertels
- Written by Redaktion_Report
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»Solange jeden Tag die Sonne aufgeht, so lange wird mein Hof bestehen« - so erklären sich die Waldviertler Bauern seit Jahrhunderten ihr Dasein. Das ist eine ziemlich weise Sicht der Dinge, denn ohne Sonne gibt’s kein Leben, also auch keine Landwirtschaft. Und damit die Sonne auch verlässlich immer wieder aufgeht, hat fast jeder Waldviertler Bauernhof das Sonnensymbol auf dem Tor des Hofes. Es ist jedoch nicht die Sonne ganz allein, die den Fortbestand eines landwirtschaftlichen Betriebes sichert. Einigen machte die EU einen Strich durch die Rechnung (der Anteil der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte im Waldviertel ist von einst 40 Prozent auf nunmehr 25 Prozent gesunken), den meisten ging durch die langjährige Abhängigkeit vom »Grünen Riesen« das Marketingtalent verloren.
Konkretes Beispiel: Das Land Niederösterreich startete vor etwa zwei Jahrzehnten eine Aktion zum Anbau von so genannten »Sonderkulturen«. Die Bauern bauten auch fleißig verschiedenste alternative Dinge an - nachdem die Sonderkulturen herangereift waren, war jedoch niemand in der Lage, das gute Futter auch an den Mann zu bringen. Also engagierten die Landesbeamten einen Marketingfachmann - in der Person von Johann Gutmann. Nach zwei Jahren sagten ihm selbige, »dass jetzt ja eh alles gut läuft« und man ihn daher nicht mehr brauche.
Also war wieder mal Jobsuche angesagt. Aber was tun als Absolvent der HAK und ausgestattet mit ausreichend Marketingtalent? »Selber was unternehmen« war die Lösung. Er tat sich mit drei innovativen Bauern, die er während der zwei Projektjahre kennen und schätzen gelernt hatte, zusammen und gründete die Firma Sonnentor (den Hergang des Namens kennen Sie schon).
Die drei Bauern lieferten fortan allerhand Kräuter, Gutmann selbst tingelte durch die Lande und bot die biologischen Päckchen buchstäblich via Bauchladen an. Und vergass dabei nicht auf die Markenpflege: Die Brille (der Rand derselben) und die Schuhe (eher »Schlapfen«) waren schon immer rot, das sind sie auch heute noch. Sie signalisieren Lebenslust und gute Laune - heute würde man »Feng-Shui-Rot« dazu sagen.
Evolution. »Das Leben schreibt die besten Geschichten.« Stimmt, wir Journalisten müssen sie oft nur noch eintippen: Gutmann wusste beim Lokalaugenschein nicht, dass wir auch eine Geschichte über evolutionäres Management planen. Trotzdem erklärt er uns die Produktentwicklung im Hause Sonnentor so: »Wir machen jedes Jahr ein paar Mutationen. Was sich nicht bewährt, wird wieder aus dem Sortiment genommen.« Genau so funktioniert die Evolution. Eine Sonnentor- Mutation hat übrigens drei Jahre lang Zeit, sich durchzusetzen, wenn sie es nicht schafft, mindestens 2000-mal über den Ladentisch zu wandern, gilt sie als »ungünstige« Mutation und geht der Evolution verloren.