Glasklar wie unsichtbar
- Written by Redaktion_Report
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(Ort: Ein Großraumbüro mit Hunderten Arbeitsplätzen. Fred sitzt vor einem der Monitore. Ein kurzes Summen im Headset, ein Aufpoppen einer Karteikarte auf dem Bildschirm.)
Fred: Guten Abend, willkommen beim Pizzaservice, Herr … (kurzer Blick auf den Monitor) … Herr Zwingerl. Was kann ich für Sie tun?
Zwingerl: Hallo? Zwingerl hier, ich hätte gern eine Pizza bestellt.
Fred: Aha, ich sehe da, Sie rufen von Ihrem Handy aus dem 11. Bezirk an. Wollen Sie die Pizza ins Büro geliefert haben?
Zwingerl: Nein, ich hätte gern eine Quattro Formaggi nach Hause, und zwar ist das …
Fred: … im 5. Bezirk, Schönbrunnerstraße 85. Herr Zwingerl, ich sehe gerade, dass wir verpflichtet sind, Ihnen für diese Pizza einen Aufpreis von 100 Euro zu verrechnen.
Zwingerl: … was?
Fred (klickt sich durch Untermenüs): Ihrer Krankenversicherungsakte zufolge schaut’s mit Ihrem Cholesterin gar nicht gut aus, aus diesem Grund wird der Cholesterin-Gefährdungszuschlag Klasse II verrechnet. Den müssen wir dann natürlich an Ihre Krankenkasse abliefern. Wollen Sie auch etwas zum Trinken?
Zwingerl (verunsichert): Ja, ein Bier … Haben Sie da vorher was von 100 Euro gesagt?
Fred: Ein Biertschi, kommt sofort … ups, Momenterl, entschuldigen Sie bitte, aber das wäre heute schon Ihr viertes Bier. Sie sind sich bewusst, dass mit dieser Bestellung automatisch zeitgleich das Gesundheitsministerium verständigt wird? Ab vier Bier vor 18 Uhr tritt automatisch die Informationspflicht in Kraft und …
Zwingerl: Vier Bier? Moment mal, ich hab doch heute keine vier Bier …
Fred (klickt): Naja, laut Protokoll Ihrer Kantine waren es zu Mittag zwei, und die überwachungskameras in der U-Bahn haben Sie um 15 Uhr 30 mit einer weiteren Dose Bier aufgenommen … vom Würstelstand in der Karlsplatzpassage, gekauft um 15 Uhr 20. Oje, außerdem steht Ihnen eine Ordnungsstrafe von zehn Euro ins Haus, weil Sie laut RFID die Dose wohl aus Versehen in den Restmüll-Mistkübel K2354 geworfen haben … Das SMS mit der Strafe müssten Sie schon bekommen haben …
Zwingerl (fassungslos): … was? … ich …
Fred: Ich bin verpflichtet, Sie außerdem auf meine Meldepflicht Ihrem Arbeitgeber und Ihrer Krankenkasse gegenüber hinzuweisen, falls Sie wirklich ein weiteres Bier …
Zwingerl (genervt): Na gut, dann kein Bier. Ein Cola?
Fred: Darf ich Ihnen ein Mineralwasser empfehlen? Ihre Zuckerwerte, die ich hier vor mir liegen habe …
Zwingerl (mit zusammengebissenen Zähnen): Meinetwegen.
Fred: Das macht dann 117 Euro 40 Cent. Falls Sie allerdings lieber unseren Gärtnersalat ohne Dressing wollen, kämen wir auf genau sieben Euro.
Zwingerl (stöhnt): Na gut … ich zahle mit Kreditkarte.
Fred (schnalzt mit der Zunge): Leiider, Herr Zwingerl, da gibt’s ein kleines Problem … Ihre Kreditunterlagen sagen mir, dass Ihr Kreditrahmen derzeit überzogen ist … Ach ja, das waren die Hotelrechnungen für letztes und vorletztes Wochenende … allerdings bräuchten wir dann Ihre Absichtserklärung, dass Frau Dorferl, die laut meinen Unterlagen mit Ihnen im Hotel war, nichts vom Salat mitisst, die hat nämlich eine Glutamatsunverträglichkeit, und unsere Firma ist gesetzlich verpflichtet, Sie bei allergischen Gefährdungspotenzialen darauf hinzuweisen. Ach, aber ich hab auch eine gute Nachricht: Ihre Frau, die könnte unbesorgt mitessen. Meinen Unterlagen zufolge ist sie ohnehin im Moment zu Hause. Wollen Sie vielleicht gleich einen zweiten Salat mitbestellen?
Zwingerl (aufgeschreckt): … meine Frau? … aber was macht die zu Hause zu dieser Zeit?
Fred: Ach, falscher Alarm, ich sehe grade, dass sie wohl ohnehin bald nicht mehr dort anzutreffen sein wird, da ihr Flug nach Thailand ja schon in zwei Stunden geht … Na, macht nichts, dann bleibt es bei Ihrer Bestellung, ein Gärtnersalat ohne Dressing und ein Mineralwasser, ja?
Zwingerl (am Ende): … was? … Thailand? … wieso Thailand? … davon weiß ich doch gar nichts … Annemarie … Oh Gott, sie hat es rausgefunden …
Fred: Das macht dann also sieben Euro für Salat und Mineralwasser plus drei fünfzig für den Papierkram, den Sie bei Erhalt dann bitte noch abzeichnen müssen. Ach ja, und bitte Bargeld! Wir bedanken uns herzlich für Ihre Bestellung und wünschen Ihnen noch einen schönen Abend! Rufen Sie bald wieder an! Wiederhören! … Puh!
(zu einem Kollegen:) Und seine Videos müsste er auch wieder mal in die Videothek zurücktragen.(Vorhang.)