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Um die Kurve leuchten

Nachtfahrten sind bei vielen Autofahrern nicht sonderlich beliebt. Selbst bei guten Scheinwerfern ist die Sicht eingeschränkt. Vor allem Brillenträger und ältere Fahrer sind gegen Blendung empfindlich und haben damit oft erhebliche Probleme. Doch das könnte sich schon bald ändern. Forscher vom Fraunhofer-Mikro-Mechatronik Zentrum MMZ in Oberpfaffenhofen haben einen flexiblen Pixelscheinwerfer entwickelt, der seinen Lichtkegel entsprechend der Umgebung verändert. Bei Kurvenfahrten passt er sich der Straßenkrümmung an - abhängig von Geschwindigkeit und Lenkwinkel. In Ortschaften leuchtet er die Bürgersteige aus, sodass Fußgänger früher gesehen werden. Der Fahrer muss das Fernlicht nicht mehr an- und abschalten. Kommt ein Auto entgegen, blendet der Scheinwerfer einfach den Fahrerbereich des Gegenverkehrs aus.

Die Technik dahinter
Die Technik für den intelligenten Scheinwerfer liefert die Mikromechatronik. Sie verknüpft Mechanik, Elektronik und Daten verarbeitende Systeme zu einer winzigen, wenige Mikrometer großen Einheit. Ziel ist, die Sensorik und Aktorik (Teilgebiet der Regelungs- und Automatisierungstechnik) im Auto zu verbessern. Sensoren messen physikalische Parameter wie Temperatur, Luftfeuchte oder Licht. Diese Informationen melden sie einem System, das die Daten verarbeitet. Wenn nötig, signalisiert es den Aktoren eine Bewegung auszuführen.

Nach diesem Prinzip funktioniert auch der Prototyp eines »intelligenten« Scheinwerfers, den die Forscher des MMZ, einer Dependance des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin, gemeinsam mit der BMW Group entwickelt haben. Die Mikromechatronik stößt bei den Beleuchtungsherstellern auf großes Interesse. Hinter dem Scheinwerfer steckt eine Technik, die bei Beamern seit einiger Zeit eingesetzt wird: Reflexion von Licht über ein Mikrospiegelsystem, das Digital Mirror Device (DMD). Die knapp 800 000 Spiegel, deren Kantenlänge etwa ein Zehntel des menschlichen Haars beträgt, müssen hohen Temperaturen und Erschütterungen standhalten. Jeder Spiegel lässt sich einzeln ansteuern und in verschiedenen Kippwinkeln einstellen. Je nach Neigung reflektiert er Licht oder nicht.

Für den Bau des Prototypen nutzten die Forscher ein Standardverfahren, das speziell für die effiziente Planung komplexer mechatronischer Systeme entwickelt wurde. Mit CAD-Programmen (Computer Aided Design) berechneten sie, wie mechanische Bauteile wie Mikrospiegel und Lampe optimal im Motorraum zu platzieren sind. Anschließend stimmten sie die Steuerung auf diese Anordnung ab, prüften in Simulationen die Praxistauglichkeit und erstellten ein dreidimensionales Kunststoffmodell, die Vorlage für das Original.

BMW hat den Scheinwerfer bereits vor zwei Jahren in einen BMW X5 eingebaut und prüft zurzeit Art und Umfang der Anwendungs-szenarien. Mechanische Bauelemente und Motoren sind zu teuer und anfällig, so dass hier mit einem baldigen Durchbruch gerechnet werden kann. Hochwertige Schnittstellen zu der bereits integrierten Software, etwa wie sich der Scheinwerfer mit ihrem NavigationsSystem kombinieren lässt, sind ebenfalls in den Planungen der Forscher enthalten. Funktioniert alles wie geplant, könnte 2010 der erste Wagen mit Mikrospiegelscheinwerfern vom Band laufen. Doch auch für andere Bereiche könnte die Technik interessant sein. Lichtempfindliche Sensoren, die den Außenbereich abscannen, könnten den Fahrer etwa vor Hindernissen warnen, der intelligente Reflektor sorgt für genaue Ausleuchtung der Szenerie.

Intelligente Wälzlager
Das neueste Projekt der Oberpfaffenhofener Forscher ist ein »intelligentes« Wälzlager. Das mikromechatronische Bauteil ermöglicht kontinuierliche Dehnungsmessungen per Sensor und überträgt diese via Datenbusleitung nach außen. Diese Technologie wurde zusammen mit den Firmen FAG Kugelfischer, STW und KMW entwickelt und erlaubt es, den Zustand von Maschinen zu erfassen, auszuwerten, Schädigungen frühzeitig zu bemerken und so kostspielige Stillstandzeiten auf ein Minimum zu reduzieren. Am Mikro-Mechatronik Zentrum wurde darüber hinaus eine völlig neuartige 3-D-Messmethode auf Basis von Glasfaser-Sensoren (fiber-Bragg-gratings) entwickelt. »Hierbei werden Temperatur und Dehnung des Wälzlagerrings erfasst und völlig störungsfrei nach außen übertragen«, erläutert Ansorge. »So können wir entlang der Linie in der Glasfaser über viele Messepunkte hinweg ein Dehnungs- und Temperaturprofil erstellen.« Die Glasfasern trotzen mechanischen und chemischen Beanspruchungen bei exakten Messergebnissen. Daraufhin haben die MMZ-Wissenschaftler gemeinsam mit Bayer Technology Services diese 3-D-Temperaturmessung in verfahrenstechnischen Apparaten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie eingesetzt. Die Glasfaser wirkt nun als extrem schnelles, hochauflösendes Multipunkt-Thermometer und ersetzt viele einzelne Thermoelemente. Das Multipunkt-Thermometer wurde auf der Hannover Messe 2005 für den mit 100 000 Euro dotierten Hermes Award nominiert.

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