Holpriger Neustart in die VR-Zukunft
- Written by
- font size decrease font size increase font size
Facebook setzt weiter auf Virtual Reality und will mit der Oculus Go die Milliardenmarke an Benutzern knacken. Das könnte schwierig werden.
2016 war das Jahr der VR. Mit der Oculus Rift und HTC Vive kamen endlich jene Virtual-Reality-Headsets in Konsumentenhände, die ein ganz neues Zeitalter einläuten sollten. Und das auch mit Mithilfe Mark Zuckerbergs: Der Milliardär und Facebook-Chef hatte 2014 um über zwei Milliarden Dollar das ursprünglich per Cowdfunding auf die Beine gestellte VR-Unternehmen Oculus gekauft und in zahllosen Auftritten seinen festen Glauben an die Zukunft von VR als Massenmedium bestätigt.
So richtig erfüllt haben sich diese Visionen bislang nicht. Die beiden ambitioniertesten Systeme, das Oculus Rift und die HTC Vive, gingen 2016 knapp eine Million mal über den Ladentisch, Sonys rein auf Gaming ausgerichtetes PlayStationVR ebenso. Am besten verkaufte sich Samsungs GearVR-System: Fünf Millionen Stück des mit Samsung-Smartphones koppelbaren VR-Headsets wurden bis Anfang 2017 verkauft. Mit der vor kurzem für 2018 vorgestellten Oculus Go will Zuckerberg nun ein ambitioniertes Ziel erreichen: Eine Milliarde Menschen sollen in absehbarer Zukunft Nutzer von Facebooks VR-Plattform »Social VR« werden.
Ambitionierte Ziele
Die soeben vorgestellte Oculus Go wird auf jeden Fall größere Kreise ansprechen als die bislang erhältlichen Geräte: Mit dem »magischen« Preis von unter 200 Dollar haben auch iPod Mini und Roomba ihre Siegeszüge ins tägliche Leben »normaler« Menschen begonnen. Ein weiteres Asset: Im Gegensatz zu den großen VR-Brüdern ist die Oculus Go nicht an einen Rechner gebunden, sondern ein Standalone-Gerät, das sich bequem transportieren lässt. Beides könnte den so lange herbeigewünschten Siegeszug der Virtual Reality endlich in Gang bringen – doch es gibt auch einiges, was gegen das baldige Eintreten dieser technischen Revolution spricht.
An erster Stelle steht dabei ironischerweise Facebook selbst. Die enge Verschränkung des Social-Media-De-facto-Monopolisten mit der Technologie bereitet so manchem Kritiker Sorge. Facebooks Geschäftsmodell, mit seinen Nutzern und deren Daten durch Werbung und Analyse Umsatz zu generieren, steht bei einem Aufbruch in die VR-Zukunft unter Zuckerbergs Leitung an oberster Stelle. Das bedeutet die Einhegung aller via VR möglichen Interaktionen, etwa per Videochat, in die größte kommerzielle Medienmaschinerie des Planeten. Dass Nutzern von Facebooks Social VR dann Werbeinhalte eingeblendet werden, ist in Zeiten groß angelegter und professioneller politischer Meinungsmache durch den kaum überwachbaren Social-Media-Giganten sogar das kleinere Problem.
Aber auch Mark Zuckerberg selbst versteht es, sein Herzensprojekt durch die Tech-Milliardären eigene Betriebsblindheit zu sabotieren: Zur Präsentation von Social VR wählte Zuckerberg ausgerechnet einen Ausflug auf die von Naturkatastrophen verwüstete Insel Puerto Rico. Wirklich »magisch« sei es, so der von einem Cartoon-Avatar verkörperte Zuckerberg, dass man sich per VR hierher versetzen lassen könne – das Kopfschütteln über die »Herzlosigkeit« und Abgehobenheit des Milliardärs ließ so wenig auf sich warten wie dessen hastige Entschuldigung.
Es bleibt fraglich, ob sich in wenigen Jahren tatsächlich eine Milliarde Menschen in den VR-Welten von Facebook tummeln werden. Denn ein Widerspruch und Grundmakel der VR bleibt auch durch die Oculus Go unbehoben: Dass man sich für das Pflegen sozialer virtueller Kontakte tatsächlich auf beinahe autistische Art und Weise von seiner unmittelbaren Umgebung abkapseln muss, unterscheidet die neue Technologie dann doch grundlegend von anderen Innovationen.