Fahrplan für die Inflation
- Written by Redaktion
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Inflationäre Gefahren sind akut, werden aber weder in diesem noch im nächsten Jahr wirklich schlagend. Ernst wird es erst in 2011, wenn die Konjunktur anzieht und einzelne Rohstoffe knapper werden und die Zentralbanken die Notbremse ziehen. Sie können sich mit der Vorbereitung auf die Inflation also Zeit lassen. Man kann auch zu früh nervös werden. Ein Gastkommentar von Martin Hüfner.
Jeder weiß, dass die Inflation das große Problem der nächsten Jahre ist. Das ist angesichts der riesigen Liquidität auf den Märkten und der gewaltigen Ausweitung der Staatsverschuldung nicht zu vermeiden. Die entscheidende Frage aber ist, wann die Geldentwertung kommt, wie stark sie sein wird und wann man sich als Anleger vorbereiten muss. Wird das schon in diesem Jahr sein? Oder wird es sich noch länger hinziehen? Das Timing ist wichtig. Manch einer hat schon Geld verloren, weil er Ereignisse zwar richtig vorhergesehen, darauf aber zu früh oder zu spät reagiert hat.
Ich möchte deshalb hier einmal einen Fahrplan für die inflationären Gefahren aufstellen, unterteilt nach den Jahren 2009,2010 und 2011. In 2009 kann man aus meiner Sicht noch ruhig schlafen. In den nächsten drei bis sechs Monaten sieht es sogar so aus, als gäbe es gar keine Inflation. Viele reden von Deflation. Die offiziell gemessene Preissteigerungsrate ist in den USA schon negativ (- 0,4%), in Europa wird das im Sommer der Fall sein.
Der Eindruck einer Deflation ist jedoch falsch. Tatsächlich gehen die Preise seit Jahresanfang nicht zurück. Sie steigen vielmehr schon wieder an (mit einer Jahresrate von allerdings nur 1 bis 2%). Die Zunahme der Preise ist lediglich geringer als vor einem Jahr. Daher geht die Jahresabstandsrate zurück. Das Ganze sieht nach Deflation aus, ist es in Wahrheit aber nicht.
Im Herbst 2009 wird sich die Situation etwas ändern. Aber auch dann muss man noch nicht nervös werden. Dann wird die amtlich ausgewiesene Inflationsrate zwar wieder zunehmen. Der Grund ist jedoch nicht, dass sich die Preise schneller erhöhen. Dafür ist die Konjunktur noch zu schlecht. Die Ursache ist vielmehr wiederum allein ein Basiseffekt. Im zweiten Halbjahr 2008 sind nämlich die Benzin- und Ölpreise so stark zurückgegangen, dass damit auch das Preisniveau fiel. Mit einer solchen Entwicklung ist in diesem Jahr nicht noch einmal zu rechnen.
Stimmung leidet
Die Jahresabstandsrate des Preisniveaus wird sich daher allein wegen dieses Basiseffekts erhöhen. Sie wird Ende des Jahres vermutlich bei gut 1% liegen. Sie ist damit niedriger als die Marke, die gemeinhin als Inflation angesehen wird (2%).
Auch das ist noch nicht tragisch. Trotzdem gehe ich davon aus, dass sich die Stimmung an den Märkten im zweiten Halbjahr etwas verschlechtern wird. Denn die statistisch gemeldete Preisveränderung zeigt dann nicht mehr nach unten, sondern nach oben. Wenn alle Welt Angst vor Inflation hat, werden viele Investoren diese Zunahme als Indiz für kommende Probleme sehen. Die Zentralbanken werden vorsichtiger werden. Sie werden zwar nicht auf Restriktion umschalten, denn die Arbeitslosigkeit steigt noch deutlich an. Sie werden aber auch nicht noch expansiver werden. Der Tiefpunkt im geldpolitischen Zyklus ist erreicht. In diesem Umfeld könnten sich die Kapitalmarktzinsen leicht erhöhen. Einmal weil die Zentralbanken die Renditen auf den Märkten dann nicht mehr so aggressiv „herunterprügeln“. Zum anderen weil der eine oder andere Investor kalte Füße bekommt.
Im Jahr 2010 sieht die Situation schon anders aus. Dann wird sich die Konjunktur als Folge der geld- und fiskalpolitischen Ankurbelungsmaßnahmen stabilisieren. In einigen Ländern – zum Beispiel den USA – könnte sogar ein Aufschwung einsetzen. Wird jetzt die Inflation ansteigen? Ich glaube es auch dann noch nicht. Es könnte zwar an den Rohstoffmärkten zu ersten Preissteigerungen kommen. Es könnte auch im Bausektor eng werden, weil viele Maßnahmen der Fiskalprogramme dort zu verstärkter Nachfrage führen. In der Volkswirtschaft insgesamt gibt es jedoch noch keine Probleme.
Preise steigen nur dann, wenn die Nachfrage schneller steigt als das Angebot und es an Kapazitäten fehlt, um die Nachfrage zu befriedigen. Beides ist 2010 aber noch nicht der Fall. Das Wirtschaftswachstum wird 2010 zwar in vielen Ländern wieder leicht positiv sein. Es wird jedoch kaum an das Wachstum des Angebots (dem sogenannten Potenzialwachstum) heranreichen. Das Potenzial nimmt in den USA um ca. 2 ½ bis 3% zu, in Europa um rund 2%. Solange das Wachstum aber unter der Potenzialrate bleibt, werden die Ungleichgewichte auf den Märkten immer größer. Die Arbeitslosigkeit geht nicht zurück, sondern steigt an.
Selbst wenn es in einigen Staaten besonders gut laufen und das Wachstum über die Potenzialrate ansteigen sollte, bleibt immer noch ein Puffer. Denn die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung ist durch die Rezession stark gesunken. Sie wird in den Industrieländern nach Schätzungen der OECD noch Ende nächsten Jahres knapp 10% unter normal sein. Solange das der Fall ist, werden die Unternehmen bei einer Besserung der Konjunktur zunächst einmal die Mengen ausweiten, bevor sie die Preise erhöhen.
Was sich 2010 verändert ist die Geldpolitik. Die Konjunktur braucht keine Stützen mehr. Die Notenbanken können (und sollten) die Liquidität auf den Märkten einsammeln und die Zinsen von dem extrem niedrigen Niveau anheben. Der Restriktionsgrad wird im Laufe des Jahres zunehmen. 2010 ist das Jahr der Notenbanken. Die Inflation steigt noch nicht gefährlich an. Die Zentralbanken haben die Chance, ihr den Nährboden zu entziehen, die Überliquidität zu beseitigen und die Zinsen wieder auf normal zu setzen.
Entscheidung vertagt
Wenn sie dies glaubwürdig tun, können die Märkte beruhigt sein. Die kurzfristigen Zinsen werden über die langfristigen steigen. Die Zinsstruktur wird invers. Wirkliche Probleme wird es vermutlich erst im Jahr 2011 geben. Dann zieht die Inflationsrate in den Ländern auf deutlich über 2% an, in denen die Konjunktur am ehesten angesprungen ist. Die Zinsen für 10jährige Staatspapiere werden sowohl in den USA als auch in Europa auf über 5% steigen. Jetzt wird es ernst. Es entscheidet sich, ob die Inflation Beine bekommt und Schlimmeres zu erwarten ist oder ob die Notenbanken die Sache in Griff behalten. Jetzt muss jeder Investor inflationsgeschützt sein. Für den Anleger: Die Inflationsgefahr ist ernst, sie wird vermutlich aber erst in 2 Jahren wirklich akut werden. Wenn die Konjunktur schlecht läuft noch später, wenn sie sehr gut ist etwas früher. Der Markt wird diese Situation jeweils ein paar Monate vorher antizipieren. Der Anleger muss also im zweiten Halbjahr 2010 reagieren. Bei einer inversen Zinsstruktur ist es klug, sein Geld dann in kurzen Fristen umzuschichten.
Zur Person:
Martin Hüfner ist volkswirtschaftlicher Berater des österreichischen Discount-Brokers direktanlage.at.