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Keine Klemme

Die Banken stehen nicht auf der Kreditbremse, sie lassen nur größere Vorsicht walten, heißt es seitens der Kreditwirtschaft. Fazit: Die Unternehmen werden auf Herz und Nieren geprüft. Gute Umsätze in den Vorjahren sind Schnee von gestern, gefragt sind Konzepte für die Zukunft.

Als die Wirtschaftskammer Wien im November eine Ombudsstelle für Kreditfragen einrichtete, rechnete niemand mit derart großer Resonanz. »Wir wollen den Wirtschaftstreibenden rasch und unbürokratisch helfen und das Vertrauen in den Kapitalfluss wieder herstellen«, sagte WK-Wien-Präsidentin Brigitte Jank. Rund drei Monate später verzeichnet das Expertenteam mehr als 1.000 Anrufe und Beratungen. Zumindest bis Jahresende soll die Ombudsstelle eine fixe Serviceeinrichtung bleiben. Allerdings suchen nur 45 Prozent der Anrufer Hilfe wegen eines bereits abgelehnten Kredits. Der Rest betrifft allgemeine Anfragen, vor allem auch bezüglich diverser Förderungen. Der häufig geäußerte Vorwurf, die Banken stünden auf der Kreditbremse, lässt sich zumindest in offiziellen Zahlen nicht bestätigen. Laut Kreditmonitor der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) vergaben Österreichs Banken bereits im Dezember um 3,1 Milliarden Euro oder 2,6 Prozent mehr Kredite an Unternehmen als im Monat davor. Der Zuwachs liegt auch deutlich über jenem vom Dezember 2007 mit 0,5 Prozent. Im Jänner 2009 verzeichnete die OeNB wieder einen leichten Rückgang von 0,7 Prozent, allerdings waren auch die Vergleichsmonate der vergangenen Jahre Jänner 2008 und 2007 jeweils von Rückgängen geprägt.

Hausbank als Partner
Nach einer im Februar veröffentlichten market-Umfrage im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) klagten nur sieben Prozent der 503 befragten Unternehmen über »Probleme, überhaupt noch einen Kredit, selbst zu ungünstigen Konditionen, zu erhalten«. So viele waren es allerdings auch im Oktober 2008 bei einer ähnlichen Befragung. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen hatten dagegen auch mit der Aufstockung eines bestehenden Kredites Probleme.
Die weit überwiegende Mehrheit der österreichischen Firmen ist also nach wie vor mit ihrer Hausbank im Reinen, 58 Prozent der befragten Unternehmen – vom Ein-Personen-Büro bis zum großen Industriebetrieb – sind gar der Meinung, das Verhalten ihrer Hausbank hätte sich »sicher nicht verändert«. 19 Prozent der Unternehmen fanden, die Kreditkonditionen hätten sich verschlechtert. 15 Prozent gaben an, dass ihre Hausbank »mehr an Sicherheiten für Kredite verlangt«. Daraus könne man »maximal eine partielle Kreditklemme« ableiten, kommentierte daher Ralf Kronberger, Leiter der Finanz- und Handelspolitik der WKO, die Ergebnisse.
Auch Regina Prehofer, Vorstandsmitglied der Bawag PSK, sieht keine Unterversorgung mit Kreditmitteln, im Gegenteil: Gerade die Bawag vergab 2008 entgegen dem Trend um 13,2 Prozent mehr Unternehmenskredite. Allerdings müsse man nach der Unternehmensgröße und nach Branchen unterscheiden: »Große Unternehmen haben tatsächlich Schwierigkeiten, an Kapital zu kommen.« Ins Stocken geraten sind auch langfristige Finanzierungen für Großprojekte, ausgenommen Immobilien. Hier liegen die Banken selbst an der kurzen Leine. Der Wegfall ausländischer Investoren im Kapitalfluss macht sich besonders im Industriesegment empfindlich bemerkbar.
Doch gerade bei großen Investitionen steigen viele Firmen momentan selbst auf die Bremse. Im Euro-Raum sinkt die Kreditnachfrage bereits seit Mitte 2007 kontinuierlich. Heuer werden die Investitionen nach Schätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) voraussichtlich um etwa 5,5 Prozent geringer ausfallen, in Österreich immerhin um rund 3,5 Prozent. Betriebe aus den krisengeschüttelten Branchen wie der Autoindustrie und verwandten Sparten sind aber ohnehin derzeit um Schadensbegrenzung bemüht. »Bei Umsatzrückgängen von 40 oder 50 Prozent muss sich das Unternehmen überlegen, wie Kosten eingedämmt werden können und wie es künftig weitergehen soll«, meint Prehofer. Neue Kredite seien in diesen Fällen keine Lösung.

Geänderte Vorzeichen
Gefragt sind Konzepte für die Zukunft. Businesspläne, Szenariorechnungen und Marktprognosen stellen aber vor allem kleinere Betriebe vor unerwartete Hindernisse. »Es ist ein Novum, dass man so genau prüft«, sagt WK-Wien-Pressesprecher Martin Sattler. Die Verunsicherung bei den Firmen ist groß, wie der Ansturm auf die Ombudsstelle zeigt. Die Berater der Wirtschaftskammer unterstützen überforderte Unternehmer bei der Erstellung fehlender Unterlagen, bereiten auf Kreditgespräche vor und nehmen bei abgelehnten Kreditansuchen Kontakt mit der Bank auf.
Bawag-Vorstand Prehofer will diese detaillierten »Diskussionen« mit den Kunden, wie sie es nennt, nicht als Schikane, sondern vielmehr als Schutz für beide Partner verstanden wissen. Schließlich sollte sich diese Fragen nach der künftigen Entwicklung, inklusive Best- und Worst-Case-Studien, jeder gute Unternehmer stellen. Mit 14 neuen, eigenständigen Kompetenzzentren für Geschäftskunden in ganz Österreich will die Bawag weiterhin das Firmenkundengeschäft ankurbeln, die Wirtschaftskrise soll da nicht im Weg stehen. Prehofer will ihren Kunden »auch in schwierigen Zeiten mit Finanzierungsmitteln zur Seite stehen«. Oder wie es Walter Rothensteiner, Generaldirektor der Raiffeisen Zentralbank, kürzlich ausdrückte: »Kreditvergabe ist das ureigenste Geschäft der Banken.«
Das will man sich auch in trüben Jahren nicht nehmen lassen. Vielleicht nur unter geänderten Vorzeichen: 20 Prozent der Unternehmen beklagten in der market-Umfrage eine Erhöhung der Zinsen. 16 Prozent gaben jedoch an, weniger Zinsen als früher zu zahlen. Möglich ist dies durch die zuletzt drastisch auf 1,5 Prozent gesenkten Leitzinsen, in deren Folge auch die Euribor-Sätze (für Ausleihungen der Banken untereinander) absackten. Trotz höherer Zuschläge sind die Konditionen derzeit aber durchaus passabel, teilweise werden allerdings zusätzliche Sicherheiten verlangt. Die Europäische Zentralbank (EZB) erwägt für die Jahresmitte eine weitere Senkung der Leitzinsen »auf die kritische Marke von 1,0 Prozent«, sollte sich die Konjunkturlage bis dahin nicht entspannen. Der Spielraum, um Anreiz für Investitionen zu bieten, wäre damit nahezu ausgereizt.

Startvorteil sichern
In Österreich hofft man inzwischen auf die nachhaltige Wirkung nationaler Maßnahmen. Nicht zuletzt durch das Konjunkturpaket der Regierung, mit dem insbesondere das Budget für KMU-Kleinkredite deutlich aufgestockt wurde, ist derzeit der Zustrom zu den Fördertöpfen besonders groß. Bei der im Februar von Finanzstadträtin Renate Brauner initiierten KMU-Aktionswoche dominierte dieses Thema alle Beratungen in den fünf teilnehmenden Wiener Großbanken Bawag, UniCredit, Raiffeisen, Erste Bank und Volksbank. Insgesamt führten die Banken mehr als 670 Kundengespräche, rund 400 Firmen informierten sich bei den Fachleuten der Wirtschaftskammer über spezielle Belange, etwa Investitionen in Gastronomiebetrieben betreffend das neue Rauchverbot.
»Für uns war die Aktionswoche ein gro­ßer Erfolg, das Feedback unserer Kunden war sehr erfreulich«, zeigt sich Prehofer mit der positiven Resonanz zufrieden. Rund 12.000 Firmenkunden im Raum Wien lud die Bawag zu Vorträgen und Gesprächen ein, 240 Unternehmer nützten die Möglichkeit zu Einzelberatungen mit den Experten des Wirtschaftsförderungsfonds und des Austria Wirtschaftsservice (aws).
Für gesunde Unternehmen mit ausreichender Bonität bietet sich so die Chance, sich einen Startvorteil für den nächsten Konjunkturaufschwung zu sichern. Denn der kommt bestimmt – hoffentlich bald.

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