Gemeinnützige Riesen
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Google und Facebook sind zu essentiellen Infrastrukturen der Informationsgesellschaft geworden. Kritiker meinen: Vielleicht sollten sie genau deshalb nicht auf Profit ausgerichtet sein.
Als Justizminister Wolfgang Brandstetter vor wenigen Wochen mit der unglücklichen Meinung an die Öffentlichkeit trat, dass Demonstrationen in Zukunft »statt auf der Straße auf Facebook« stattfinden könnten, war die Empörung groß – zu Recht. Dabei, so könnte man anmerken, hat der Minister allerdings damit nur einen ansonsten wenig zur Kenntnis genommenen Missstand deutlich gemacht: Facebook, ein US-amerikanisches, profitorientiertes Unternehmen, dessen Milliarden Mitglieder nicht Kunden, sondern Ware sind, hat sich längst als De-facto-Standardinfrastruktur für erschreckend viele gesellschaftliche Bereiche etabliert. Mark Zuckerbergs Milliarden-Imperium ist nicht nur die gesellschaftlich relevanteste Dialogplattform zwischen Individuen, sondern längst die Bühne für eine Vielzahl an staatlichen Akteuren, die ihre Verlautbarungen, Mitteilungen und Öffentlichkeitsarbeit auf Facebook konzentrieren.
Facebook ist allerdings kein neutrales Medium, das einfach als öffentliche Infrastruktur genutzt werden kann. Facebook ist ein Konzern, dem es um eines – und nur um eines – geht: Profit. Dass etwa im US-Präsidentschaftswahlkampf in wirkmächtigen Filterblasen von Werbekunden zielgenau zugeschnittene Meldungen (und in erschreckender Zahl: Falschmeldungen sowie schlichte Lügen) an Facebook-Nutzer ausgeliefert wurden, mag demokratiepolitisch sowie in Hinsicht auf das Vertrauen der Öffentlichkeit in Politik und Presse eine Katastrophe sein; für Facebook war es allerdings vor allem eines: ein gutes Geschäft.
Ganz ähnlich verhält es sich mit Google. Was Tatsachen und Fakten sind, liegt besonders in Zeiten viral verbreiteter Halb- und Unwahrheiten sowie populistischer Generalangriffe auf politische Gegner durch Hetzkampagnen zunehmend in der Hand einer einzigen Firma und ihrer gutgehüteten Algorithmen. Dass etwa die Google-Suche nach dem Thema »Holocaust« an prominentester Stelle die – hierzulande übrigens nach wie vor strafbare – Leugnung dieses Jahrhundertverbrechens ganz oben auf der Antwortenliste ausspuckt, ist auch demokratiepolitisch bedenklich. Zugleich sammeln und speichern sowohl Facebook als auch Google in beispielloser Detailliertheit private und zum Teil intimste Daten über ihre Nutzer – Daten, die sowohl für staatliche als auch – und besonders – private wirtschaftliche Interessen verarbeitet werden. Alles kein Problem?
Doch, finden immer mehr Kritiker. Wenn Quasi-Monopolisten wie Facebook und Google die Rolle essentieller gemeinnütziger Infrastrukturen aufgebaut und verteidigt haben, sollten sie auch als solche behandelt werden – und nicht allein dem Profitstreben ihrer Besitzer dienen.
Johnny Häusler, deutscher Internet-Aktivist und Autor, hat vor kurzem in einem Artikel für Wired durchaus provokant dazu angeregt, über einen Paradigmenwechsel im Betrieb dieser Konzerne nachzudenken. Wie wäre es, wenn Google, der größte Antwortengeber des Planeten, nicht mehr seinen Aktionären, sondern der Gemeinnützigkeit dienen und als Non-Profit-Unternehmen arbeiten würde? Was, wenn Facebook als kostenlose Infrastruktur für eine digitale Weltöffentlichkeit nicht die Agenda verfolgen müsste, Profit aus den Abermilliarden Daten seiner Kunden zu generieren und sie damit immer und immer wieder an den jeweils Meistbietenden zu verscherbeln – auf Kosten ebenjener Menschen und Gesellschaften, die Facebook nutzen?
Es sind fast revolutionäre Gedanken, die dem jahrzehntelangen Privatisierungsdogma neoliberaler Marktphilosophie widersprechen. In Hinblick auf die beispiellose Monopolstellung weniger Akteure nicht nur in wirtschaftlicher, sondern zunehmend auch gesellschaftlicher, demokratiepolitischer Hinsicht steht aber mehr auf dem Spiel als das Recht einiger weniger auf Profit.